Es war ein sonniger Tag, also hatte Junea ihre ganzen Gerätschaften aus der winzigen Eckküche der Hütte und auf den Strand geschafft. Als Takjin von der üblichen Fütterungsrunde zurückkehrte, sah er sie geschäftig durch den Sand eilen, mit Glasflaschen oder Zutaten von einem Stand zum anderen laufend.
Er legte die leeren Taschen ab, in denen er das Fleisch für die Raubtiere transportiert hatte, und kam zu ihr.
„Was machst du?“
„Heiltränke“, war ihre knappe Antwort. Sie drückte ihm einige Melonenscheiben in die Hand. „Die müssen mit Goldpulver bestäubt werden, kriegst du das hin?“
Takjin musterte die Früchte. „Goldpulver …?“
„In der Kiste dort drüben.“
Während er den Auftrag ausführte, sammelte Junea mit spitzen Fingern einige kleine, rote Kugeln aus einer anderen Kiste. Diese füllte sie mit angewidertem Gesichtsausdruck in den oberen Kolben von einem der vielen Braustände, die wie Pilze aus dem Boden geschossen sein mussten – wahrscheinlicher war aber, dass sie die Geräte in ihrer Hütte verstaut hatte und das gute Wetter nutzte, um mehr auf einmal brauen zu können. Überall sprudelte und blubberte es, und seltsame, Takjin vertraute Gerüche waberten durch die Luft.
„Ich kenne solche Tränke!“, stammelte er. „Die waren in Dokarestmus‘ Truhe!“
„Natürlich waren sie das!“, gab Junea verschnupft zurück. „Ich habe ihn immer mit einigen ausgestattet, wenn er zu seinen Abenteuern aufgebrochen ist.“
„Dann hat er die Tränke von dir?“, staunte Takjin, während er die Melonenscheiben in fein gemahlenem Goldstaub wälzte.
„Das habe ich gerade eben gesagt, ja.“
„Kannst du mir beibringen, wie man welche macht?“, fragte Takjin begeistert, ohne sich von ihrem unfreundlichen Tonfall abschrecken zu lassen.
Junea warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Man muss sich viel merken.“
„Aber Tränke sind hilfreich, oder nicht? Dokarestmus hatte mir Unsichtbarkeitstränke geschickt, damit ich für ihn jagen gehen konnte. Hasenpfoten und Zuckerrohr.“
Er bemerkte, dass sich Juneas Blick verändert hatte. „Hasenpfoten? Zuckerrohr? Wozu brauchte er das?“
„Ich weiß es nicht. Er war irgendwo gefangen und musste fliehen.“
„Das war, bevor er hierhin gekommen ist, richtig?“
Takjin dachte zurück. „Genau. Danach habe ich noch Botschaften von ihm bekommen, dass er hier gelandet wäre.“
Junea grübelte sichtlich.
„Woran denkst du?“, fragte er sie.
„Er hat sich vermutlich selbstständig Tränke gebraut, um zu entkommen“, berichtete sie ihm. „Tränke mit Hasenpfoten vergrößern die Sprungkraft. Zucker macht dich schneller.“
Takjin machte sich im Geiste Notizen und deutete dann auf einen Braustand. „Die wirft man dann einfach hier oben rein?“
„Nein“, antwortete Junea fast ein wenig heftig. „Wenn du solche Zutaten einfach ins Wasser kippst, kommt gar nichts dabei herum. Man braucht die Basiszutat.“ Sie hielt eines der rosinenähnlichen Dinger hoch. „Netherwarzen.“
„Igitt, was?!“
Ein fieses Lächeln huschte über Juneas Gesicht. Sie überwand den Abstand zwischen ihnen mit zwei Schritten und drückte Takjin die Warzen in die Hand. Er blickte darauf. Sie waren weich und irgendwie flauschig. Außerdem waren sie organisch warm. Es schüttelte ihn.
„Du hast sie nicht fallen gelassen“, stellte Junea fest, „und dich bis jetzt auch nicht übergeben. Tja, ich nehme an, die erste Lektion hast du damit bestanden.“
„Was tue ich hiermit?“, fragte Takjin unglücklich.
Junea deutete auf einen Braustand, dessen Glasflaschen sie eben ausgewechselt hatte. Takjin füllte die Warzen in die obere Öffnung.
„Das hier“, Junea deutete auf die drei Fläschchen, in denen die Warzen nun erhitzt wurden, „sind Wasserflaschen. Zusammen mit den Warzen wird die Flüssigkeit darin zum Grundtrank. Dokarestmus nannte es den seltsamen Trank – es ist ein Zaubertrank ohne jeden Effekt. Man könnte sagen, dass er magisches Potential in sich trägt, dem man mit der richtigen Zutat eine Richtung geben muss.“
„Beispielsweise die Melonen?“
Junea nickte und nahm ihm das Obst aus der Hand. Es glitzerte im Sonnenlicht. „Perfekt. Diese Melonen entfalten die Heilwirkung des Tranks.“
„Kann man auch Effekte mischen?“, fragte Takjin neugierig nach. Zu seiner Enttäuschung schüttelte Junea den Kopf.
„Ein Effekt pro Trank. Es scheint der Natur der Magie zu widersprechen, sich in mehr als eine Richtung zu wenden.“
„Und wenn man zwei Tränke zusammenkippt?“
„Im günstigsten Fall bekommst du Wasser mit komischem Geschmack. Sie können aber auch explodieren.“
Er starrte sie an und erntete ein grimmiges Lächeln. „Glaub mir, ich hatte früher die gleichen Fragen wie du, und keinen Lehrmeister, der mich gewarnt hätte.“
„Oh.“
Junea lächelte ihn an. „Aber ich hab’s überlebt. Nur leider ist es wirklich nicht möglich, einen Trank mit mehr als einer Wirkung herzustellen. Du kannst aber mehrere Tränke nacheinander einnehmen, um die Wirkung von allen zu erhalten.“
„Was gibt es für Tränke?“, fragte Takjin neugierig. Junea zögerte, dann seufzte sie. „Okay. Ich zeig’s dir. Lass uns nur vorher diese Heiltränke fertigstellen. Unsere neuen Freunde können sie sicherlich gebrauchen.“
Ihr Blick wurde ein wenig kühler, als sie über die Neuankömmlinge sprach. Offenbar misstraute sie ihnen immer noch.