Einige Stunden vor Finns Tod...
Finn spürte, wie sein Körper sich allem zu widersetzen schien was er vorhatte zu tun, trotzdem verzog er keine Miene und schaufelte weiter. Ein Grab, die beiden Opfer des Anschlags in der Welt der Menschen verdienten ein Grab. Hinter ihm lagen, in weiße Leinen gewickelt, die Körper von Caressa und Hannibal Cash, welcher ermordet worden war noch bevor er seine Freunde erreichen hatte können. Caressa war in den Trümmern gestorben, so ein junges Mädchen mit so viel Potenzial.
Sein Begleiter rührte keinen Finger alles, was er tat, war zwischen den Leichen zu sitzen und immer wieder an einer Flasche Schnaps zu nippen.
Finn drehte sich zu ihm um, sein aschblondes Haar, welches auf den ersten Blick grau wirkte, hing ungekämmt über seine Schultern bis zu seiner Brust. Seine roten Augen waren Blutunterlaufen, Augenringe die darauf hindeuteten das er seit Tagen nicht geschlafen hatte. Er redete seit Stunden immer wieder wirres Zeug, wahrscheinlich zum einen durch die Mengen an Alkohol die er in sich schüttete, zum anderen durch das starke Beruhigungsmittel, das Finn ihm gegeben hatte.
Die Nachricht das alles, was er geglaubt hatte an Familie gewonnen zu haben, die Nachricht das seine Tochter am Leben war. Und dann die erschütternde Erkenntnis das sein einziger Moment mit ihr der sein würde, sie sterbend in seinen Armen zu halten.
Finn wusste, dass wenn er nicht bald aus seinem Loch kommen würde, der starke Mann einfach in sich zusammenfallen würde und damit eine ganze Rasse aussterben könnte.
"Meine Schwester... Mein Neffe... Meine Tochter...", murmelte er unentwegt, während er weiter von seinem Schnaps trank, "Alle tot... Ich werde zu ihnen gehen!"
Finn warf die Schaufel beiseite und wendete sich an den gebrochenen Mann: "Hör damit auf, Claude!"
Dieser schien ihn aber nicht einmal wahrzunehmen, er war wie in einem Wahn, zerstört von seiner Trauer und seiner Wut.
"Du musst aus deiner Trauer Kraft schöpfen!", versuchte Finn es sanfter, "Ich weiß, dass du gerne den Idioten gibst und so tust, als wäre dir alles egal! Shanora hat mir erzählt, dass sie dich dabei erwischt hat Cash zu besuchen als er im Koma lag!"
Claude ließ die Flasche fallen, die durchsichtige Flüssigkeit rann heraus und versickerte in dem schlammigen Boden.
"Wag es nicht seinen Namen zu sagen...", Claudes Augen blitzen wütend auf, "Du bist es immer gewesen und der Junge wurde verfolgt, weil du geschwiegen hast, FINN!"
Finn senkte den Kopf, er wusste, dass Claude recht hatte. Er war der Meinung gewesen Cash beschützen zu können und auch Caressa. Aber er hatte versagt.
"Sie war dir ähnlich!", sagte er dann kleinlaut, "Deine Tochter! Eine Meisterin hätte sie werden können unter deiner Einleitung. Schließlich hat sie die überragende Intelligenz ihres Vaters geerbt."
Claude sprang nun auf und schlug Finn mit der Faust gegen sein Kinn, sodass dieser rücklings in dem Grab, das er gerade geschaufelt hatte, lag.
"Das du es wagst so zu reden!", Claudes Körper begann sich zu verändern, dann aber besonn er sich und verwandelte sich zurück.
"Ich will das du deinen Verstand benutzt, Claude!", Finn stieg aus dem Grab, "Wir beerdigen deine Toten und dann musst du zurück in dein Zuhause und dich vorbereiten!"
Claude biss sich auf die Lippe und ballte die Hände zu Fäusten: "Wie kommst du darauf mich mit so etwas zu beauftragen? Ich bin ein Säufer, ein Frauenheld und ein Idiot, das ist, was ich kann!"
Finn legte Claude eine Hand auf die Schulter: "So denken die Leute über uns! Aber ich weiß, das dein Intelligenzquotient die 200 weit übersteigt, du bist der klügste Mann in unseren Reihen. Klüger als Silas und sogar klüger als Merlin. Aber du verbirgst es, weil du dich nach wie vor schuldig fühlst wegen dem, was mit deiner Schwester passiert ist! Hast du dich einmal gefragt, warum der Dunkle die Druiden unterwanderte und sie nicht einfach direkt angreifen ließ? Er hatte Angst vor eurem Volk, Angst vor euren Fähigkeiten und vor allem vor dir, dem Ausbilder und Alchimisten der jedes Gift nutzlos machen konnte!"
Claude starrte auf die Leichname des kläglichen Restes seiner Familie, seines ganzen Geschlechts, dann wandte er sich ab, setzte an zu gehen.
"Caressa war bereit für unsere Sache zu kämpfen, Claude!", Finn lief ihm nicht nach, er wusste, dass er ihn erreicht hatte, "Es war ihr Traum für Frieden zu sorgen und das solltest du als ihr Vater in Ehren halten!"
Claude hielt inne, Tränen rannen ihm über die Wangen: "Warum? Warum jetzt?"
Finn wartete, bis Claude sich zu ihm gedreht hatte, dann sah er ihm tief in die Augen: "Weil du jemanden beschützen musst, wenn es soweit ist. Deine Fähigkeiten wurden immer unterschätzt dank deinem Verhalten. Es ist die einzige Bitte, die ich je an dich hatte!"
"Herrin!", Etrios aus dem Reich der Elfen schnellte in die Gemächer von Badria in der schwarzen Kathedrale, "Herrin, sie müssen sich in Sicherheit bringen! Wir werden angegriffen!" Badria aber hatte bereits ihr schwarzblaues Kleid gegen Wams und Schwerter getauscht, sie stand auf dem Balkon ihrer Gemächer und sah die Kreaturen, die ihre Wachen in Schach zu halten versuchten.
"Ich werde die Relikte auf jeden Fall beschützen, das ist meine Pflicht, Etrios!", sie drehte sich zu dem Elf herum und lächelte ihn an.
Etrios nickte: "Dann werde ich euch beschützen!"
Badria aber schüttelte den Kopf: "Nein! Du wirst dabei helfen alle Angestellten durch die neuen Fluchttunnel zu bringen! Ich werde sie im Thronsaal aufhalten und auf Unterstützung warten!"
Etrios riss die Augen auf: "Das ist Wahnsinn, Badria! Woher weißt du das jemand kommen wird, um zu helfen?"
Badria lächelte und ihre Augen flammten grün auf: "Wenn niemand kommt, werde ich alles niederbrennen bevor die Relikte in die Hände bekommen! Ich fürchte mich nicht mehr, ich habe einiges gelernt seit ich einmal mein Reich verloren habe!"
Etrios verneigte sich: "Darum seit ihr auch die Herrin der Herzen im Limbus, Badria. Ich werde dafür sorgen, dass es keine Zivilen Opfer gibt!"
Badria dankte ihm und begab sich dann hinunter in den Thronsaal, welcher gerade erst wiedererrichtet worden war. Zuerst der Angriff von Suma durch den Finn gezwungen war ein Loch in das Gebäude zu reißen. Dann der Angriff von Merlin und die Rückeroberung hatten ihre Spuren hinterlassen. Aber Badria war auch stärker geworden, sie hatte die völlige Kontrolle über die Flammen des Limbus erlangt.
Noch einmal würde sie sich ihr Reich nicht wegnehmen lassen und diesmal konnte man sie nicht mit dem Leben ihrer Berater und Angestellten erpressen. Sie setzte sich auf den schwarzen Thron, sodass sie einen perfekten Blick auf die einzige Türe, die zum Thronsaal führte hatte.
Badria fasste in die Tasche ihrer Wams, noch einmal zog sie den Brief hinaus, den ein Rabe ihr in den frühen Morgenstunden gebracht hatte.
"Badria,
Der Dunkle schickt seine Schergen, um an das zu kommen was ihr in der Kathedrale bewacht. Nehmt euch in acht und evakuiert die Stadt, der Angriff wird großflächig und rasch erfolgen, sodass man euch keine Chance lassen wird, außer zu kapitulieren und euch zu ergeben. Ihr werdet Unterstützung erhalten, um die Angreifer aufzuhalten.
Lasst nicht zu das er an diese Relikte kommt, wenn er hier scheitert, gibt es nur noch einen Ort, an den er gehen kann."
Er war weder gezeichnet noch erkannte Badria die Handschrift wieder, also niemand den sie genau kannte oder mit dem sie viel Zeit verbracht hatte. Seine gewählte Ausdrucksweise schloss so manchen aus Elensar aus, die Schrift war geradezu perfekt.
Sie hoffte einfach nur das ein Freund des Limbus diesen Brief verfasst hatte, Badria hatte aus Sicherheitsgründen reagiert und die Stadt sofort evakuiert. Bald darauf waren die widerlichen Kreaturen eingefallen und hatten extreme Zerstörung in der Stadt verursacht auf ihrem Weg zur Kathedrale. Eine Vorhut, Ablenkung um die und die Wachen nach draußen zu locken. Damit sich jemand einfach der Relikte ermächtigen konnte, ohne auf großen Widerstand zu stoßen. So eine tückische List hatte sie selten erlebt, aber sie wusste ganz genau auf wen sie hier wartete. Nach all den Jahren die vergangen waren, hatte sie ihm immer misstraut und nun behielt sie recht. Badria lächelte, andererseits freute sie sich auf eine Revanche, damals hatte sie auch hier gesessen und wäre beinahe besiegt worden. Ihre Tante war zu ihrer Rettung erschienen, in den Händen etwas was nun sie bei sich trug. Das Schwert ihres Vaters, es hatte den Widerling, der ihr Reich bedrohte, schon einmal durchbohrt. Nun würde sie es führen, um ihn endgültig zu besiegen.
Die Türe öffnete sich langsam und leise, darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen. Der Eindringling machte sich nicht die Mühe für Licht zu sorgen, er wusste schließlich genau wo er hin musste.
Badria blieb still, grinste, als sie sah, dass er nur Augen für die Vitrine hatte und sich so sicher war das niemand ihn aufhalten konnte.
"Es ist lange her, Church!", machte sie sich bemerkbar und erhob sich von ihrem Thron.
"Badria!", der vernarbte Dämon mit den schwarzen Augen schien nicht überrascht zu sein, "Natürlich hast du meinen Plan durchschaut. Weißt du noch, genau hier habe ich dich besiegt und wenn sich Saphira nicht zwischen uns geworfen hätte wärst du jetzt schon kein Problem mehr, nicht war?"
Badria zog ihre Schwerter, die dabei sofort in grünen Flammen aufgingen: "Ich bin nicht zum Plaudern hier! Diesmal wirst du für all deine Verbrechen bezahlen!"
Delina öffnete langsam die Augen, ihr Rücken schmerzte von dem harten Untergrund, auf welchem sie lag. Es roch modrig und alt, ihr war schwindlig und sie konnte Schritte hören, die sich näherten.
"Trink das!", eine Männerstimme, sie kam Delina bekannt vor aber die Tonlage passte nicht. So ruhig und völlig beherrscht.
Ihr wurde ein Gefäß mit einer stinkenden Flüssigkeit an die Lippen gepresst, überfordert trank sie und es schmeckte, wie es roch, widerlich.
Delina hustete, es brannte in ihrer Kehle, aber nach nur einem Schluck verschwand ihr Schwindel und sie konnte die Augen öffnen.
"Was...", sie starrte in zwei rote Augen, "Der Wolf, das warst du!"
Claude nickte und half ihr auf, Delina konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Als wäre er durch einen Doppelgänger ersetzt worden, er stank nicht nach Alkohol, er wirkte ruhig und gelassen und schrie nicht herum.
Claudes Haar war ordentlich frisiert und offen, sein Gesicht sauber und gewaschen und sein Blick klar und nicht vernebelt. Ein Dreitagebart, aber selbst damit wirkte er nicht mehr, wie Delina ihn kennengelernt hatte.
"Hast du mich in deinem Leben noch nicht oft genug gesehen?", Claude schien das aber nicht spöttisch zu meinen, "Bitte, starr mich nicht so an!"
Delina versuchte es und doch kam er ihr so fremd vor, bei ihrer ersten Begegnung hätte er sie fast getötet, bei der Zweiten auch... Sie verband also eine lange Kette an gegenseitigen Hass.
"Sag mal...", Delina starrte auf die ordentlichen schwarzen Wams, "Bist du wirklich Claude oder sein duftender Zwilling?"
Claude lächelte weiter und deutete auf einen der Holztische. Erst jetzt sah Delina sich um, sie befand sich in einem verlassenen Gasthaus, welches ziemlich eingestaubt war. Vor ihr auf dem Boden klebte eine Menge getrocknetes Blut, irgendetwas war hier passiert.
Sie setzte sich Claude gegenüber an den Tisch, er wie auch die dazugehörigen Stühle vom Staub befreit worden waren. Auf dem Tisch lag ein Stapel Akten, Claude reichte ihr eine davon.
"Ließ die Akte, dann weißt du alles, was du wissen musst...", er sah sie nicht mehr an.
Delina warf einen Blick hinein, sie war mit Informationen über Claude gespickt, vor allem was seine Vergangenheit betraf.
"Ich wusste nicht, das der Dunkle persönlich damals die Druiden ausgelöscht hat...", Delina schloss die Akte, "Gibt es über jeden von uns eine? Und wer hat sie erstellt?"
Claude seufzte tief: "Die Explosion der Firma, das war ich! Ich folgte Alpha um sicherzugehen das ihm nichts passiert, aber der Dunkle war schneller. Alles, was ich noch tun konnte war dieses wieder aufgebaute Labor zu vernichten und die Informationen zu sichern die er über uns hatte."
Delina verstand: "Aber deine Akte ist sehr dünn, es steht nur darin was er weiß!"
Claude nickte und reichte er ihre Akte, in welcher vom Tag ihrer Rettung aus Osilia bis zum Beginn des Krieges fast alles vermerkt war.
Delina überlegte kurz: "Church hat diese Akten angelegt, er wusste so viel über mich! Er hat also die ganze Zeit für den Dunklen gearbeitet!"
Claude nickte: "Zuerst hatte ich Finn im Verdacht, aber dann wäre meine Akte voller... Ich bin also zum selben Schluss gekommen wie du, Delina."
Delina zuckte bei dem Wort Finn merklich zusammen: "Wie kommst du darauf das Finn etwas, damit zu tun haben könnte?"
Claude zuckte mit den Schultern: "Ich hatte immer schon das Gefühl das er zu viel weiß und unser letztes Gespräch war, wie eine Weissagung dafür, das wir jetzt hier sind."
Delina rieb sich nervös die Arme: "Ich wusste garnicht, das ihr Kontakt hattet... Also mehr als nötig..."
Claude lehnte sich zurück und starrte auf die Blutlacke vor ihnen: "Als ich meinen Neffen und meine Tochter verloren habe war ich alleine mit ihren Leichen. Finn kam und half mir sie zu begraben!"
Delina spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Brust, sie und Arya hatten sich mit Church und Deseis beschäftigt, aber nicht an die anderen Gedacht. Da steckte Methode dahinter, da war sie mittlerweile sicher.
"Es tut mir aufrichtig leid, Claude!", sagte sie dann kleinlaut.
Claude nickte ihr zu: "Schon gut, jetzt müssen wir aber aufbrechen, außer du willst Arya alles alleine machen lassen!"