Shanora starrte auf die mittlerweile nur noch rauchende Stelle, an der sie ihren Bruder sterben hatte sehen.
"Was hast du gemacht, in diesem einen Moment in dem du die Zeit angehalten hast?", Silas stand neben ihr, diese Sache war ihr Geheimnis geblieben. Als Finn versucht hatte das Dorf zu retten und dabei eine schreckliche Explosion alles vernichtet hatte, war Silas für einen Moment in einer Zeitschleife, er kannte das Gefühl, Delina und er hatten so etwas schon einmal erlebt.
Shanoras Augen wurden glasig und sie begann zu schluchzen: "Ich habe versucht ihn wieder zum Leben zu erwecken, mit seinen eigenen Techniken dafür... Ich weiß das diese Runen gegen alle Gesetze von Elensar verstoßen aber ich war so verzweifelt!"
Silas riss die Augen auf: "Shanora! Wie kannst du nur, diese Runen bergen ein noch nicht einmal erforschtes Risiko für den Patienten UND den Anwender! Was ist dann passiert?"
Shanora sank auf die Knie und weinte bitterlich, es dauerte, bis sie sich beruhigen konnte. Die Erinnerungen waren so schrecklich, verfolgten sie jede Nacht und sie konnte Finns leblosen Körper vor sich sehen, wenn sie die Augen schloss.
"Ich... sein Körper begann zu rauchen und... Und veränderte sich!", Shanora erhob sich wieder, "Es tut mir so leid, ich hätte das nicht tun dürfen! Danach kam dieser Sturm aus Schatten und ich musste verschwinden, dann hast du mich weggebracht!"
Silas seufzte tief: "Shanora, hat er gelebt? Hast du das überprüfen können?"
Shanora nickte: "Ich konnte es überprüfen.. Er war tot, ich denke ich habe das mit der Rune nicht richtig gemacht... Ich habe nur davon gehört und sie bei Lillet gesehen, ich hatte ja keine Ahnung das ich sie einmal anwenden würde!"
Silas legte einen Arm um sie: "Versprich mir das nie wieder zu tun! Leben und Sterben, das ist etwas in das wir nicht eingreifen dürfen. Niemand weiß das besser als ich. Was ich in Solon getan habe... Wenn man einmal tot war verändert das einen. Man verzweifelt, fühlt sich nirgends mehr zuhause. Niemand sollte ein solches Schicksal erleiden müssen. Teilweise versagen die Körper der Zurückgeholten oder werden schrecklich entstellt. Darum wurde diese Rune verboten und steht unter der Höchststrafe!"
Shanora nickte: "Ich sollte mich stellen, vielleicht hat meine falsche Rune die zweite Explosion verursacht!"
Silas schüttelte energisch den Kopf: "Niemand wird je davon erfahren, hörst du, Shanora? Du wirst nicht einmal in dein Tagebuch auch nur einen Satz darüber schreiben!"
Es war still in Badrias Gasthaus, obwohl nach so vielen Jahren wieder drei Besucher davon beheimatet wurden.
Delina saß stumm an die Wand gelehnt auf dem Boden und starrte auf den alten Blutfleck nahe des Eingangs. Mit einem alten Messer kratzte sie ihre Initialen in den Holzboden, um sich irgendwie zu beschäftigen. Arya lag auf einer der Bänke, aber an Schlaf war auch für sie nicht zu denken. Claude konnte nicht in die Luft starren, seine Augen waren von Deseis Angriff irreparabel geschädigt worden. Er würde nie wieder sehen können.
Arya fühlte sich schuldig deswegen, wieder hatte sie gezögert ihn zu töten und wirklich harte Geschütze aufzufahren. Sie konnte es einfach nicht, Arya Ronalien war schwach und hatte zugelassen das sie jemand retten musste.
Claude erhob sich: "Delina, geh mal an die Schränke und sieh nach ob Badria hier irgendwo noch etwas zu trinken herumstehen hat!"
Delina hob überrascht eine Braue: "Ich dachte nicht, das du nach einem kleinen Rückschlag wieder mit dem trinken anfängst!"
Claude lachte: "Darum geht es nicht! Mach schon drei Gläser und was du findest!"
Delina erhob sich missmutig und begann die Theke und die dahinter liegenden Schränke zu durchsuchen. Schließlich fand sie eine eingestaubte Flasche Kirschwein hinter einem Schrank und drei Gläser die nicht angebrochen oder gesprungen waren.
"Das sieht eklig aus, ist schon lange abgelaufen und ich denke wir werden eine Vergiftung davon bekommen!", Delina stellte alles auf den Tisch, auf dessen Bank Arya nach wie vor lag.
"Einschenken!", Claude ließ keinen Widerspruch zu, "Das ist wichtig!"
Delina, weiter völlig unmotiviert, tat was er wollte und reichte Arya und Claude dann jeweils ein Glas.
Arya setzte sich auf und starrte auf die dunkelrote Flüssigkeit: "Was soll das den jetzt werden? Denkst du Alkohol hilft uns dabei all diesen Mist durchzustehen?"
Claude seufzte tief, die beiden waren ja kaum zu retten und versanken förmlich in ihrem Selbstmitleid.
Er erhob sein Glas: "Ich möchte das wir einem Helden gedenken, einem Helden der Elensar und viele andere Welten schon oft gerettet hat..."
Delina stiegen Tränen in die Augen, sie erhob ihr Glas ebenfalls.
"Einem Helden der nie einen Unterschied zwischen den Wesen aller Welten machte und an das Gute in jedem geglaubt hat!", sprach der Druide weiter.
Jetzt erhob auch Arya ihr Glas und sah Claude an, auch wenn sie nicht verstand, warum er das sagte, es tat ihr gut es zu hören.
"Finn war ein Leuchtfeuer der Hoffnung für viele, ein Sturm der gegen Felsen prallte und das so lange bis er sie zerschmetterte. Es war sein Traum für Frieden in allen Welten zu sorgen, die Unterdrückten zu befreien und einen besseren Ort für uns alle zu schaffen. Dafür war er bereit alles auf sich zu nehmen. Hass, Hohn, Spott und Verachtung. Am Ende starb er für seine Überzeugungen und für seine Freunde. Ich erhebe mein Glas auf dich, den kurz vor deinem Ende hast du auch mich gerettet, alter Freund!", Claude hatte bei seinem letzten Satz Tränen in den Augen und Delina weinte bitterlich. Auch Arya kam nicht drumherum ein paar Tränen daran zu hindern ihr Auge zu verlassen und für einen Moment war es still.
"Er hat mich geliebt!", brach es plötzlich aus Delina heraus, lauter als sie es geplant hatte, "Ich konnte einen Moment mit einem Rest seiner Seele sprechen, da hat er mir die Wahrheit gezeigt... Ich war so oberflächlich und dumm, er hat mich immer beschützt und dafür gesorgt das es mir an nichts fehlt! Und ich? Ich dumme Pute hatte nur Augen für den geheimnisvollen Church mit seinen coolen Fähigkeiten und seinem verschlossenen Auftreten! Ich bin furchtbar und charakterlos und es tut mir so leid, dass ich nie die Chance haben werde das wieder gutzumachen!"
Arya sprang auf und nahm Delina in die Arme: "Warum hast du das nie erzählt? Ich dachte du bist deprimiert wegen Church aber das du nicht nur verrasten wurdest, sondern mit so etwas leben musstest habe ich nicht geahnt!"
Claude schüttete zufrieden sein Glas auf den Boden: "Finn weiß das bestimmt und du warst jung, hattest keinerlei Erfahrung in der Liebe und hast dich blenden lassen. Das kannst du dir nicht vorwerfen, Delina!"
Delina schluchzte und lächelte dann: "Danke ihr beiden. Danke Claude, es tut mir leid, dass ich dir so einen Blödsinn unterstellt habe!"
Arya ließ Delina los und biss sich verlegen auf die Unterlippe, bevor auch sie zu sprechen begann: "Damals, als ich die Relikte der verschiedenen Völker gestohlen und mich abgesetzt hatte, wurde mein Bruder verhaftet und fiel in Ungnade... Ich konnte nur eine Person auf der Welt bitten ihm zu helfen. Finn hat Ation befreit und ihn aufgenommen, ihm zu einer Aufgabe und einem glücklichen Leben verholfen! Es tut mir leid, dass ich an diesem Menschen gezweifelt hat, vor allem weil er nie ein Wort darüber verloren hat und mich gedeckt hat!"
Delina nahm nun ihrerseits Arya in die Arme: "Das wusste ich zum Beispiel nicht... Finn war für uns alle jemand der uns in einer schwierigen Situation gerettet hat. Dafür sollten wir dankbar sein, er hätte sicher nicht gewollt das wir uns schlecht fühlen!"
Claude lehnte sich nun entspannt zurück, er hatte erreicht, was er wollte, beide sprachen über die Schuldgefühle, die sie plagten und schöpften wieder Hoffnung.
"Dieser Blutfleck!", Delina zeigte hin, peinlich berührt bemerkte sie das Claude das ja nicht sehen konnte, "Der am Boden nach dem Eingang!"
Claude nickte: "Das ist Finns Blut, er kam hier her, nachdem er sich aus der schwarzen Kathedrale befreit hatte!"
Delina atmete erleichtert auf und zog dann die Perle des Nachtschattens aus ihrer Tasche: "Dann haben wir einen Anhaltspunkt! Wir können sehen, was er sah und hören was er gesagt hat!"
Arya hob abwehrend die Hände: "Ich bin kein Fan von so einem Titanenhokuspokus, ich werde über dich wachen!"
Delina warf ihr einen vielsagenden Blick zu, bevor sie zustimmend nickte.
Claude lachte: "Ich passe, ein Hörbuch von Finn möchte ich mir wirklich nicht anhören!"
Delina verdrehte gespielt wütend die Augen und lachte, Finn war manchmal wirklich laut gewesen und hatte extrem viel geredet. Und gelacht, ein Lachen das ansteckte. Er hatte immer schon die Fähigkeit gehabt schnell gute Beziehungen zu allen Wesen aufzubauen.
Sie nahm die Perle vorsichtig in die Fingerspitzen und berührte damit das getrocknete Blut.
Ein Wirbel, ähnlich wie wenn Silas sie unfreiwillig zwischen zwei Welten hin- und hergerissen hatte, sog sie in ihren Bann, bis sie schließlich den Gastraum sah, weniger Staub und das Fehlen von Claude und Arya waren ihre Bestätigung das es funktioniert hatte.
Vor ihr rannte, hektisch, ein Dunkelelf mit gelben Augen auf und ab, er war voller Blut aber schien selbst keine schweren Verletzungen zu haben.
Auf der Stelle, an der heute der Blutfleck war, lag Finn, seine Kleidung in Fetzen und noch mehr mit Blut besudelt als der Dunkelelf.
Delinas Magen zog sich zusammen, wie er da lag, wie tot und doch sah sie, wie seine Brust sich langsam hob und senkte. Er atmete. Er war am Leben, nicht so wie jetzt. Delina ließ sich neben der Erinnerung nieder, sie streckte ihre Hand nach ihm aus und strich über die Stelle, wo seine Wange sich befinden sollte. Aber sie konnte nichts spüren, es war nicht möglich eine Erinnerung zu berühren, selbst mit der Perle des Nachtschattens nicht.
Plötzlich, Delina erlitt fast einen Herzinfarkt, rührte Finn sich, hob seine Hand und fuhr sich damit über seine Wange.
"Du musst trinken!", der Dunkelelf rannte sofort zu ihm mit einer Schale voll Wasser in der Hand, wobei er die Hälfte verschüttete, "Hier trink, aber langsam!"
Delina schmunzelte, wer auch immer das war, er schien ein wenig schusselig zu sein.
Finn trank ein wenig bis er sich verschluckte und entsetzlich hustete, er versuchte sich aufzusetzen, es gelang ihm aber nicht, sein Körper schien wirklich am Ende zu sein.
"Langsam, du hast drei Tage hier gelegen!", Yalhan half ihm sich aufzusetzen und Finn sah sich mit zusammengekniffenen Augen um, schien den Ort zu erkennen. Delina wünschte sich gerade nichts mehr als das er auch sie sehen konnte, aber das war nicht möglich.
"Du bist noch hier?", fragte Finn den Dunkelelf und schien überrascht darüber zu sein. Delina dachte nach, ein Dunkelelf... Yalhan! Das musste Allisters Freund sein der wieder in seine Welt zurückgekehrt war!
Yalhan nickte eifrig mit beleidigtem Blick, er erinnerte Delina ein wenig an sie selbst in ihrer Anfangszeit bei den Jägern.
"Natürlich, du hast mich im Verlies vor diesem Ding gerettet und mir zur Flucht verholfen, dachtest du ich lasse dich nach unserer Bruchlandung hier liegen und gehe meine Wege? Außerdem: Wo soll ich denn hin? Ich bin in einen Riss gestürzt und hier gelandet! Ich weiß nicht einmal wo hier ist! Ich lernte eure Art zu sprechen und schlug mich irgendwie durch, aber dann wurde alles anders. Es fing an, als dieser Typ aufgetaucht ist! Ich wurde von ihm gefangen und in den Kerker dieser komischen Burg geworfen, sie haben mir Fragen gestellt! Vor allem der Blonde mit der schwarzen Maske und den unheimlichen Augen...", das was Yalhan sagte während er gestikulierend auf und ab rannte, gab Delina noch mehr Auskunft, die Schlacht vor Osilia musste kurz nach diesen Ereignissen stattgefunden haben. Danach hatte Finn eine Zeit im Koma gelegen.
Finn erhob sich zitterig, Delina befürchtete, dass er hinfallen würde aber er hielt sich tapfer auf den Beinen.
Er schien etwas zu hören, da er sich genervt die Ohren zuhielt, Delina vermutete, dass es die Stimme des Nachtschattens oder sogar des Dunklen war. Es dauerte, aber nicht lange dann grinste er Yalhan breit an: "Wir finden einen Weg damit du wieder nach Hause kommst! Keine Sorge!"
Delina konnte die Fassungslosigkeit in Yalhans Gesicht sehen, gefolgt von extremer Verblüffung: "Was stimmt den mit dir nicht? Ich meine außer das du dich einfach in einen riesigen schwarzen Drachen verwandeln kannst?"
Delina schmunzelte als sie Finns völlig verwirrten Gesichtsausdruck das, der sein Lächeln in einen leicht geöffneten Mund gewandelt hatte.
Das schien nicht Yalhans Absicht gewesen zu sein, der Dunkelelf erklärte sich verlegen: "Du hast dich vor mich gestellt und mich gerettet. Und willst mir weiter helfen? Ich fühle mich nutzlos!"
Besorgt beobachtete Delina wie Finn Blut in seine Hand hustete, bevor er Yalhan siegessicher angrinste: "Ja, so machen wir das! Wir müssen nur aus dem Limbus kommen, Treplew hat hier die Kontrolle übernommen!"
Yalhan schien der Name nichts zu sagen: "Treplew... Treplew... Nein das war nicht der Name des Blonden!"
Finn warf einen verstohlenen Blick hinter sich, bevor er fragend zu Yalhan sah.