Amelie streifte durch die feiernde Meute von Schwarzwasser, es roch nach Alkohol und Rauch, selbst auf den Straßen. Die schäbige Bar, der sie sich näherte, war aufgrund des Straßenfestes nicht gut besucht und sie konnte sich weitab der anderen Trinkenden an die hölzerne Bar setzen. Klebrig und schäbig, wie die ganze Stadt. Während des Festes war niemand überrascht eine Frau alleine durch die Straßen streifen zu sehen und ihr wurde keine besondere beachtung geschenkt. Wie erwartet wurde sie nicht bedient, als Frau wurde man in dieser Stadt nicht wahrgenommen.
"Mama, was ist den los?"
"Wir müssen hier weg, er wird dich sonst in die Finger bekommen und dann..."
"Mama, ich habe Angst..."
"Ich weiß, Amelie, bleib bei Korgrim ich komme zurück!"
"Nein Mama, bitte geh nicht!"
"Ist schon gut Kleines..."
"Mama du weinst ja, was ist los?"
Amelie schluckte schwer, sie musste sich konzentrieren, ihre Gefühle und Erinnerungen machten sie schwach. Sonst hatte sie nie Probleme gehabt sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Aber seit sie heute die neuen Tests durchgesehen hatte, stieg ihr das alles zu Kopf.
"Na Schätzchen, darf ich dir einen Drink ausgeben?", eine raue Männerstimme ließ sie aus ihren Gedanken schrecken, neben ihr hatte unbemerkt jemand Platz genommen.
Amelie musterte ihn angewidert, eine weiße Melone, eine graue Augenklappe und ein weißes Jackett, wahrscheinlich sollte das ein geschmackloses Kostüm darstellen. Sein Auge war braun und seine Haare ebenfalls. Er lehnte lässig auf seinem Hocker und musterte sie.
"Sehe ich aus, als hätte ich Lust mit IHNEN etwas zu trinken?", fauchte sie und drehte sich weg.
"Nein!", antwortete er und schob ihr ein Glas Whisky rüber, "Du siehst einfach nur aus, als könntest du einen Drink brauchen, Kleines!"
Amelie griff leise fluchend zu dem Glas, ein aufdringlicher Typ war das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Immerhin wollte sie sich hier mit dem Verkäufer der Druidendokumente treffen.
"So!", Amelie knallte das leere Glas vor ihm auf den Tresen, "SIE haben ihre Aufgabe erfüllt, ich hatte einen Drink und jetzt verschwinden Sie bitte! Ich warte auf jemanden!"
Amelie beschloss genauer hinzuhören, was er dachte und warum er wohl genau zu ihr gekommen war. Aber nichts, sie konnte seine Gedanken nicht wahrnehmen, was sie sehr verwirrte.
"Du solltest nicht einmal versuchen in meine Gedanken zu kommen, Schätzchen!", der Mann zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die Luft, "Sonst verkaufe ich an jemand anderen!"
Amelie seufzte und versuchte ein freundlicheres Gesicht zu machen. Den genannten Preis konnte und wollte sie nicht aufbringen also musste sie ihn davon überzeugen sie einen Blick auf die Unterlagen werfen zu lassen. Greta und Korgrim warteten schon auf die geistige Übertragung und würden alles mitschreiben.
"Wir hatten einen schlechten Start!", Amelie lächelte ihn nun freundlichst an, "Ich denke ich würde gerne einen mit DIR trinken!"
Der Mann zog seine Braue hoch: "Das klingt doch schon viel besser, Amelie Roux!"
Amelie versuchte den Schock darüber das der Fremde ihren echten Namen kannte nicht auf ihre Mimik zu übertragen.
"Schätzchen!", er grinste verwegen, "Glaub mir nicht nur du kommst an Informationen! Was für eine Laus ist dir den über die Leber gelaufen?"
Amelie starrte auf die Augenklappe, war diese nur Show oder diente sie dazu ein verletztes Auge zu verbergen? Es machte sie wahnsinnig nicht zu wissen, was er dachte, das bedeutete sie musste vorsichtig sein, sehr vorsichtig.
"Familienangelegenheiten!", murmelte sie wahrheitsgemäß und griff nun nach seinem Glas um es zu leeren.
Der Mann lachte und deutete sogleich dem Barkeeper um ihnen nachzuschenken. Es dauerte noch ein paar Drinks, bis sich Amelies Zunge gelockert hatte und sie lachend private Dinge erzählte.
"Delina ist ja ganz okay auch wenn sie ständig, was von Frieden mit allen Völkern plappert. Aber diese Arya, oh Gott ich sage es dir die bringt misch auf die... wie heischt das... Pflanzendisch... hicks!", Amelie hatte Mühe nicht vom Barhocker zu fallen, alles um sie herum schien sich zu drehen.
Ein seltsamer bärtiger Mann klopfte ihr einen Moment auf die Schulter: "Entschuldigen Sie, Fräulein, sie erwähnten gerade den Namen Delina..."
Amelie betrachtete seine eigenartig funkelnden Augen, in denen etwas verborgen lag: "Dämon, du bischt ein Däääämon!"
Der Unbekannte kratzte sich am Kopf: "Ja, so gut wie jeder in Schwarzwasser trägt Dämonenblut in sich!"
Amelie lachte wieder: "Isch rede niiiischt mit solchen..."
Ihr Begleiter unterbrach sie: "Du merkst doch das sie nicht mit dir sprechen würde also lass uns doch bitte alleine!"
Der Dämon musterte den Mann mit der Augenklappe: "Ich denke du hast keine Ahnung mit wem du hier redest, Bürschchen!"
Amelies Begleiter erwiderte den Blick: "Ach ja, Pestlöwe? Ich denke allerdings DU hast keine Ahnung wen du hier vor dir hast! Wenn du nicht aufpasst, wird die goldene Flamme dich erwischen!"
Der Dämon schien von seinen Worten verunsichert zu sein und entfernte sich ohne ein weiteres Wort.
"Dem hascht du es gezeigt, hicks!", Amelie war begeistert und klopfte ihrem Trinkkumpanen auf die Schulter.
Dieser betrachtete sie nun belustig: "Also Amelie, bei all den Getränken hoffe ich du hast noch genug Geld, um für die Informationen zu bezahlen!"
Amelie, die gerade wieder sein Glas zusätzlich zu ihrem geleert hatte, kicherte und lachte, bis sie Tränen davon in den Augen hatte.
"Bezschalen? Isch habe nischt vor zu besch... was auch immer... Isch wollte die Informaschionenonen schelen!"
Ihr Begleiter tat sich langsam wirklich schwer sie zu verstehen: "Du wolltest die Informationen stehlen? Und das erzählst du mir? Du bist nicht besonders gut auf deinem Gebiet!"
Amelie lehnte sich auf die Bar, ihr Blickfeld war verschwommen und sie nahm ein Flüstern war.
"Alles, was ich dir noch geben kann ist dein freier Wille!", eine zarte Frauenstimme, dann begann es.
Blut, Schreie und Morde, wirre Gedanken und etwas was Amelie das Gefühl gab sie innerlich zu verbrennen.
Sie hielt sich den Kopf: "Es muss aufhören!"
Ihr Begleiter reagierte sogleich und hob sie von ihrem Hocker um sie an die frische Luft zu bringen.
Amelie schlang wimmernd ihre Hände um seinen Hals und war schon an der Türschwelle nicht mehr ansprechbar.
"Oh man James!", eine genervte Frauenstimme begrüßte ihn, als er um die Ecke bog, auf dem Weg zu seinem Hotel, "Ich sagte, sieh nach, ob es sich wirklich um Juliana Roux' Tochter handelt, nicht füll sie bis zur Bewusstlosigkeit ab!"
James lächelte verschmilzt: "Ach Larissa, ich bin sicher du mit deiner liebevollen und mütterlichen Art hättest es besser machen können!"
Larissa verdrehte ihre dunklen Augen und musterte James missbilligend: "Ihr stinkt beide nach Fusel!"
James nickte: "Schuldig, aber ich habe sie nur so viel trinken lassen das sich ihre Zunge gelockert hat! Dann hat sie wahrscheinlich die Nebenwirkungen ihrer eigenen Experimente tragen müssen!"
Larissa sah besorgt auf das bewusstlose blonde Mädchen in den Armen ihres Partners: "Verdammt genau vor so etwas hätte Juliana sie bestimmt fernhalten wollen!"
James nickte und deutete auf Amelies Kopf: "Ich schätze sie trägt ein Implantat aus Gurenstahl!"
Larissa öffnete den Zopf des Mädchens und starrte auf die Narben die das darunter liegende Implantat bestätigten.
"Wer hat ihr das nur angetan?", sie seufzte tief, "Wenn wir damals gewusst hätten was es für Konsequenzen hat dann hätten wir auf Finn gehört!"
James machte einen verächtlichen Laut: "Sie sich selbst! Sie baut Waffen, Larissa. Waffen um Dämonen zu töten!"
Larissa seufzte tief: "Dann kommt sie mehr nach ihrer Mutter als gedacht! Sind ihre Augen blau?"
James schüttelte den Kopf: "Dunkelbraun, beinahe schwarz. Aber ihre Gesichtszüge, die Art wie sie sich bewegt und wie sie spricht. Erinnert mich an ihre Mutter!"
Larissa lachte kurz: "Also eingebildet und überheblich? Streicht sie auch immer ihr wallendes Haar über ihre Schulter nach hinten und verzaubert die Männerwelt mit ihrem lächelnden Kussmund?"
James stimmte ebenfalls in ihr Lachen mit ein: "Nein sie scheint eher eine dieser Frauen zu sein, die so etwas nicht tun! Du hättest ihre Abfuhr hören sollen als ich sie angesprochen habe! Aber du hast recht, Juliana hat genau das immer gemacht!"
Delina sah noch einmal zurück, ehe sie das Streichholz warf, welches dafür sorgen würde, das auch das Labor völlig zerstört werden würde.
Sie hatten lange diskutiert, wie sie damit verfahren sollten und nach einiger Überzeugungsarbeit hatte Dr. T diesem Plan zugestimmt. Newra brachte sie gerade in die Wohnung die einst Deseis bewogen hatte, damit sie in Sicherheit war, bis sie sicher zurück nach Elensar konnte.
Es brannte, einige Explosionen waren zu hören und Delina hatte das Gefühl einen Teil ihrer Vergangenheit in die Luft zu sprengen. Auch einen Teil von dem sie nicht gewusst hatte.
"Das war die richtige Entscheidung, ich hoffe du weißt das!", Treplew legte ihr einen Arm auf die Stirn.
"Gott an den Anblick eines verbündeten Treplews werde ich mich wohl nie gewöhnen!", eine angewiderte Männerstimme ließ Delina herumwirbeln bevor sie sich in dessen Arme stürzte.
"Marbas!", Treplew verzog das Gesicht, "Du hast deine Seiten auch gewechselt wie andere ihre Unterwäsche!"
Marbas grinste schief und zeigte ihm seinen Lieblingsfinger, bevor er sich wieder Delina zuwendete: "Hör zu es freut mich dich wohl aufzusehen! Aber ich komme, weil jemand in Schwarzwasser deinen Namen genannt hat. Und den von Arya!"
Delina sah ihn überrascht an, da kam nur Amelie infrage: "Eine Grünhaarige?"
Marbas schüttelte den Kopf: "Um ehrlich zu sein war sie blond! Und ähnelte jemandem, aber egal, wichtiger ist wer bei ihr war! Er sprach von der goldenen Flamme, das sind wirklich üble genossen! Sie sind so etwas wie die Jäger von Finn mit dem kleinen Detail das sie eigentlich alle Dämonen hassen und töten!"
Delina verstand überhaupt nicht warum Amelie mit solchen Leuten zu tun hatte, besorgt sah sie zu Treplew: "Sag Newra sie soll mich in Schwarzwasser am Denkmal von Gaap treffen! Marbas bring mich hin!"
Dieser nickte und zog Delina mit sich um mit ihr einige Sekunden später an der Bar aufzutauchen.
"Verdammt!", murmelte er, als er die leeren Hocker sah, "Sie waren doch eben noch hier!"
Delina nickte: "Du redest mit den Leuten in der Bar, ob den Mann irgendjemand kannte oder jemand mitbekommen hat, wohin er mit Amelie wollte! Ich sehe mich draußen um!"
Sie wollte schon los, aber Marbas hielt sie zurück: "Delina, das Fest des Gaap! Du brauchst ein Kostüm! Außerdem solltest du wissen das Schwarzwasser sich Church angeschlossen hat. Sie haben den ersten Schlag gegen die Vila gelandet und sie wollen die Waldelfen dort noch vor dem nächsten Vollmond besiegt haben. Dann ziehen sie gegen den König!"
Delina starrte Marbas völlig schockiert an: "Dieser Mistkerl!"
Nebel verhüllte sie für einen Moment, dann stand sie in einem Hexenkostüm vor Marbas.
Dieser zwinkerte ihr zu: "Du hattest einen tollen Lehrmeister in Verwandlung. Oh, das war ja ich! Sieh dich bitte vor, ich komme ebenfalls mit allen Informationen, die ich kriegen kann zum Denkmal!"
Delina nickte schnell und verließ die Bar, unzählige Feiernde tummelnden sich auf der Straße und sie schlug sich langsamer, als sie wollte zum Hauptplatz durch, auf dem eine große Tribüne aufgebaut war.
"Tod und Leben, Realität und Illusion! Feiert unseren Sieg am Tag unseres Helden der diese Stadt einst groß gemacht hat! Die Tage von Schwarzwasser sind zurück, unsere Tage!", erklang sie Stimme der Priester von Gaap bevor sie einen Zauber murmelten und kleine Flammen um die Tribüne tanzten. Delina rümpfte die Nase, die Tage von Schwarzwasser wurden mit dem Blut unschuldiger bezahlt. Langsam entfernte sie sich von der Menge um zurück zu Gaaps Denkmal zu gehen, als sie plötzlich einen heißen Atem in ihrem Nachen spürte. Jemand war bei ihr und kam ihr viel zu nah. Der unverkennbare Geruch von Tannennadeln und Hugo Boss Gesichtswasser stieg ihr in die Nase und eine vertraute Stimme wisperte in ihr Ohr: "Ich bin es... Komm mit mir!"
Delina schauderte, Tod und Leben, Realität und Illusion hatte der Priester gesagt. Was war das für eine Hexerei?
"Du bist nicht hier!", flüsterte sie und schloss für einen Moment die Augen, bis sich warme starke Hände von hinten um ihren Körper schlossen.
"Ach nein?", Delina bekam erneut eine Gänsehaut, als sie plötzlich warme weiche Lippen an ihrem Hals spürte. Es fühlte sich so echt an und doch wagte sie es kaum sich umzudrehen.
Die Lippen streiften langsam ihren Hals hinunter und wieder hoch bis sie wieder an ihrem Ohr angelangt waren: "Wer sollte es den sonst sein?"