Amelie sah sich in der schmutzigen kleinen Dachgeschosswohnung um die wohl schon einige Jahre leer stand. Alles war staubig, die Fenster vernagelt so das sie kaum einen Blick auf die Straße blicken konnte.
Als ein Freund ihrer verstorbenen Mutter hatte sich ihre seltsame Barbekanntschaft zu erkennen gegeben. Er stand in der Küche und schenkte sich ein Glas Whiskey ein, generell schien er gerne zu trinken und zu rauchen. Sein schmuddeliges Äußeres machte es für sie schwer zu glauben, dass er mit ihrer Mutter befreundet gewesen war.
"Larissa wird mir den Kopf abreißen, wenn sie erfährt, dass ich dir das erzähle!", er lachte und trank einen Schluck, "Aber ich habe schon lange nach dir gesucht, Kleines!"
Amelie zog eine Braue hoch: "Warum hat meine Mutter nie von dir gesprochen?"
James trank sein Glas leer, um es gleich wieder aufzufüllen: "Wir waren einst eine witzige Truppe, wie eine Familie. Alle aus demselben Holz geschnitzt, bereit für das Gute zu kämpfen. Aber Finn hat beschlossen Dämonen bei sich aufzunehmen und da haben wir uns gespalten. Larissa und ich waren außerdem lange der Meinung das wir unsere Körper verbessern sollten, so wie du es getan hast. Gurenstahl war wie eine Droge für uns und Finn konnte nicht mehr gutheißen, was wir taten!"
Amelie war überrascht das zu hören, niemand hatte je von ihm oder dieser Larissa erzählt.
"Finn war wie ein Lehrmeister für mich, ein Mentor! Aber dann kam Church und nahm meinen Platz ein. Ich habe nie verstanden, warum er diesem Tier vertraut!"
Amelie wurde schlecht, als sie den Namen Church hörte, sie wollte das Thema wechseln: "Und jetzt wo du mich gütig aufgepäppelt hast, was wirst du jetzt tun?"
James zuckte mit den Schultern: "Larissa suchen und dann werden wir weiter Jagt auch Dämonen machen schätze ich!"
Amelie nickte: "Und die Unterlagen die du gestohlen hast? Aus den Ruinen der Druiden?"
James lachte: "Die du mir stehlen wolltest? Ich bin vielleicht ein Dieb, aber du genauso!"
Amelie schnitt eine Grimasse: "Ihr habt sogar mein Implantat gestohlen!"
James nickte: "Um dich zu retten, du warst gefangen in den Gedanken einer dunklen Kreatur! Wie wäre es mit: Danke James, du gutaussehender unübertroffener Kerl?"
Amelie verdrehte die Augen: "Halt den Rand. Wo ist meine Waffe?"
James grinste wieder: "Das Ding aus der Menschenwelt? Wie willst du damit Dämonen bekämpfen? Du solltest es machen wie deine Mutter, sie hat mit ihrer Kraft gekämpft und ihrem Bogen! Nur Kyra war sich zu fein um auf Silberkugeln zu verzichten, aber auch die tun einem Dämonen nicht weh!"
Er ging zu ihr und drückte ihr sein halbvolles Glas in die Hand, dann öffnete er einen der alten Wandschränke und zog etwas heraus das Amelie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte.
"Deine Mutter!", James strich über die Kerben in Julopatras berüchtigtem Bogen, "Hat damit viele Schlachten entschieden und wurde zu einem Symbol der Hoffnung. Es wird Zeit mit dem Versteckspiel aufzuhören, Amelie Roux!"
Amelie strich ehrfürchtig über das kalte Material, sie wusste das Julopatras Bogen von Zwergen gefertigt worden war.
James reichte ihn ihr, dazu einen leeren Köcher: "Die Pfeile deiner Mutter wurden aus ihrem Willen heraus geschaffen, darum gingen sie nie aus. Ich denke, du wirst lernen damit umzugehen!"
Amelie warf sich den Köcher um, er war wie der Bogen federleicht. Sie wollte James gerade danken, als Schreie ertönten, unglaublicher Lärm erschallte aus der Richtung des Hauptplatzes.
"Meine Freunde...", murmelte sie, "Ich muss gehen!"
Schnell rannte sie zu einem der Fenster und durchbrach mit einem Schlag die Holzbretter um zu sehen, was passiert war.
Sie biss sich auf die Lippen, die halbe Stadt schien in Flammen zu stehen.
Sie hatte zu viel Zeit verschwendet, Greta und Korgrim waren in Gefahr, es war Zeit diesen Ort zu verlassen.
Das Arya und Claude bei ihnen waren beruhigte Amelie ein wenig, doch war ihre Sorge groß. Die Wachen die Church eingesetzt hatten waren grausam und zahlreich, wenn sie entdecken würden, woran Korgrim gearbeitet hatten, würden sie ihn töten und alle anderen die bei ihm waren.
Wenn sie ihre Aufzeichnungen finden würden auch, also musste sie das Gebäude in dem Moment zerstören, in dem sie verschwinden konnten. Für diesen Fall hatte Greta einige Sprengsätze angebracht die über einen Schalter in Korgrims Werkstatt ferngezündet werden konnten. Sie würden das Gebäude und alles was darin war in Schutt und Asche verwandeln.
Amelie riss sich vom Anblick der Flammen los und eilte zu der Türe, allerdings stellte sich James ihr in den Weg.
"Was soll das jetzt?", verlangte sie zu wissen, "Ich habe keine Zeit mehr mit dir über alte Zeiten zu quatschen, also tu dir selbst den Gefallen und geh zur Seite!"
James lachte: "Du musst mir noch eine Frage beantworten, Kleines!"
Amelie verengte ihre Augen zu schlitzen und starrte ihn kalt an: "Was?"
James sah sie plötzlich ernst an: "In der Bar, als du diese Stimmen hören konntest. Was hast du da gesehen?"
Amelie wollte sich lieber nicht daran erinnern, es rumorte in ihr, zerfraß ihre Seele und sie hatte gehofft es nie aussprechen zu müssen.
"Ich sah meine Hände. Nein seine Hände...", ihr Augen füllten sich mit Tränen, "Ich war in seinem Körper, stand über einer Leiche... Ich wusste das ich, nein er, diese Person getötet hatte. Ein junger Mann, graues Haar und zwei verschiedenfarbige Augen. Sie waren weit aufgerissen, starrten mich kalt und tot an mit dem Vorwurf das er ihn getötet hatte. Ich habe gespürt das der Junge ihm vertraut hatte, nicht damit gerechnet hatte aufgeschlitzt zu werden wie ein Schwein, das man ausbluten lässt. Ich spürte, wie sehr die Seele der Person, in der ich steckte litt, unter all seinen Untaten die er nicht mehr kontrollieren konnte. Etwas Dunkles hatte von seinem Körper Besitz ergriffen und fraß sich durch jeden Winkel davon. Dann rannte er, ich war in ihm gefangen. Zurück zu einem wunderschönen alten Haus, warte nein, einem Museum. Menschen, so viele Menschen, fein gekleidet. Dann... eine junge Frau mit rotem Haar, sie schien auf ihn zu warten, sie war verärgert, weil er so spät kam. Ich konnte Delina sehen, und Arya, Panik herrschte und die Menschen, sie wollten nach draußen... Aber er versperrte ihnen den Weg... Sein ganzer Körper, seine blutigen Hände, waren in Dunkelheit gehüllt... Es flog einfach alles in die Luft, das halbe Gebäude wurde zerstört... Es gab keinen Ausweg mehr, sie starben... All diese Menschen... Ihr Blut an seinen Händen..."
"Dann ist es also wahr...", unterbrach James sie, "Der Mann, aus dessen Sicht du das erlebt hast... Du weißt er er war, oder?"
Amelie starrte auf ihre Hände: "Ja... Es war Finn, Shanoras Bruder. Er hat zuerst diesen jungen Mann getötet und dann den Tod weiterer hundert Menschen verursacht!"
James Blick verfinsterte sich: "Ich habe Gerüchte gehört... Gerüchte darüber das ein Mann mit einer Maske in Elensar aufgetaucht ist. Der wahre Erbe des weißen Throns, Shanoras echter Bruder!"
Amelie nickte: "Die Gerüchte sind wahr, er nennt sich Silas und gehörte einer Organisation aus Kriminellen an, die eine Freundin von mir infiltriert hat. Er nennt sich heute Silas und es gibt keinen Zweifel das er Shanoras Bruder, Finn, ist!"
James biss sich auf die Unterlippe und raufte sich die Haare: "Du scheinst einiges zu wissen, Diebin! Was weißt du noch? Wer war dieser Mann dem wir früher gefolgt sind?"
Amelie seufzte tief: "Wenn ich den Unterlagen trauen kann, die ich in einem Labor fand, einem Labor der Firma, in welcher der Dunkle Menschenexperimente durchführte, dann ist er... Dann ist er ein Klon... Gespeist mit der DNA des Dunklen und eines alten Titans. Der Erbe des schwarzen Throns!"
James verließ nun seine Stellung und ging zurück zu seinem Glas, welches er sofort leerte.
Amelie sah ihm an das er zwar mit genau diesen Informationen gerechnet hatte, aber es ihn trotzdem mitnahm.
"Es tut mir leid, ihr seid einem Monster gefolgt. Jemandem der unschuldige getötet hat!", Amelie holte tief Luft, "Da draußen sind weitere unschuldige, meine Freunde! Ihre Namen sind Korgrim und Greta, sie überlebten das Massaker in Madum. Sie wollen nichts mehr als diesen Krieg beenden. Du kannst hier in Selbstmitleid baden, weil du einem Verräter auf den Leim gegangen bist oder du kommst mit mir und verhinderst den Tod weiterer Unschuldiger!"
Amelie wusste das sie keine Zeit mehr hatte, um mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, also ging sie, sprintete die Treppen hinunter und betrat die von Asche und Rauch vernebelte Straße.
Es wurde gekämpft, eine finstere Gestalt, ein grünlich leuchtender Löwe und Delina.
"Verdammt!", entfuhr es ihr und sie fragte sich, wie dieser Köcher funktionieren sollte.
Es blieb keine Zeit es herauszufinden, der Löwe wurde von dem Dunklen an die Hauswand geschleudert, durchbrach diese und wurde unter Trümmern begraben.
Delina schien am Ende ihrer Kräfte, sie trug ein mitgenommenes Hexenkostüm und blutete aus einigen Wunden. Ihre violetten Augen wirkten matt und sie atmete schwer.
Trotzdem rannte sie zu den Trümmern und befreite den Löwen aus seiner Misere.
"Delina!", Amelie rannte auf sie zu, der Dunkle drehte sich zu ihr um und fixierte sie, was sie dazu veranlasste stehenzubleiben.
"Habe ich dich nicht schon irgendwo getötet?", seine Stimme klang verzerrt und unheilvoll, Amelie blieb stehen und starrte ihn angsterfüllt an.
"Lauf, kleines Mädchen. Das ist nicht dein Kampf!", riet er ihr dann und wendete sich wieder Delina zu.
Amelies Gedanken rasten, sie glaubte ihn zu kennen, den Dunklen. Auch er schien sie zu kennen und ihr wurde eines bewusst. Sie kannte seine wahre Identität.
"Deine Mutter war ein Symbol der Hoffnung!", hatte man ihr immer wieder gesagt. Sie hatte ihn nicht gefürchtet, sie hatte keine Dunkelheit oder ihr entstiegene Gestalt gefürchtet.
Der Löwe nahm in der Zwischenzeit die Gestalt eines Mannes an, um Delina zu stützen: "Wer ist sie? Ist sie wahnsinnig?"
Delina presste ihre Hand auf eine tiefe Wunde an ihrem Oberschenkel: "Ich... Marbas, sie sieht aus wie..."
Marbas nickte: "Julopatra, aber die ist tot, das weißt du am besten!"
Delina nickte: "Aber wie kann das sein?"
Amelie konnte sehen das Delina kampfunfähig war und stark blutete, der Dunkle hatte sich wieder ihr und diesem Marbas zugewendet.
"Gib mir das Mädchen, dann lasse ich dich leben Pestlöwe!"
Marbas riss die Augen auf: "Nur über meine Leiche, du wirst sie nicht in die Finger bekommen, Monster!"
Amelie konnte auch sehen, dass er kurz davor war zusammenzubrechen.
Ein Symbol der Hoffnung.
Nein, sie war ein Feigling, kaum entschlossen genug die Straße zu betreten. Was konnte sie ausrichten gegen einen solchen Feind? Wenn Delina ihn nicht schlagen konnte, was sollte sie tun?
Der Dunkle lachte finster, neben ihm aus dem Schatten erschien eine Bestie, ein Wesen aus Dunkelheit mit einem Löwenkörper und einem entsetzlich entstellten Kopf der beinahe nur aus einem Gebiss voller messerscharfer Zähne bestand.
"Friss den Löwen, friss dich satt an seinem Fleisch!", befahl der Dunkle dann und das Monster schritt langsam auf Delina und Marbas zu.
Amelie atmete tief durch, so durfte es nicht enden. Sie würde nicht hier stehen bleiben und dabei zusehen wie Delina immer weiter in Bedrängnis geriet. Vor allem nicht dabei wie dieser Mann, der sie stützte von so einer Abscheulichkeit gefressen wurde.
Delina konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, Marbes stützte sie, aber sie konnte auch seinen Körper zittern spüren.
Nach ihr verlangte der Dunkle, also sagte sie: "Verschwinde, Marbas. Er will nur mich es gibt keinen Grund hier zu bleiben!"
Marbas sah verärgert zu ihr hinüber: "Das glaubst du ja wohl selbst nicht, oder?"
Delina hatte damit gerechnet das er so reagieren würde: "Du könntest Hilfe holen!"
Marbas aber schüttelte den Kopf: "Bis ich wieder hier bin, wärst du tot! Lieber sterbe ich gleich Seite an Seite mit dir!"
Delina lächelte kurz, dann sah sie zu der Bestie, die der Dunkle beschworen hatte.
"Halt!", diese Stimme, sie kam ihr so bekannt vor.
Die blonde Frau hatte sich vor die und Marbas gestellt und sprach nun mit fester Stimme zum Dunklen selbst.
"Pfeif deinen Köter zurück, du wirst sie nicht bekommen!", ihr blondes Haar, sie nahm es und Band es zu einem hohen Pferdeschwanz, nun glich sie Julopatra umso mehr.
Sie stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich kurz zu Delina um: "Es tut mir leid, dass ich nicht früher den Mut hatte das zu tun!"
Delina sah in ihre dunkelbraunen Augen, beinahe schwarz waren sie. Aber sie erkannte ihr Gesicht und ihre Stimme nun endlich.
"Amelie!", Delina lächelte, "Jetzt wird mir klar, warum du so eine Zicke bist, bei der Mutter!"
Amelie streckte ihr kurz die Zunge entgegen, dann wendete sie sich wieder an den Dunklen: "Verschwinde hier oder du wirst es bereuen!"
Dieser lachte nur: "Friss sie zuerst!"
Die Bestie duckte sich kurz und sprang dann auf Amelie los, die seine Krallen mit ihrem Bogen abwehren konnte.
Das Monster machte einen Satz zur Seite, um sie erneut anzugreifen, wurde dabei aber von einem großen Schwert in zwei Hälften zertrennt.
"Du frisst hier überhaupt nichts mehr!", sagte James schwer atmend und nickte Amelie zu.
"Der komische Typ aus der Bar!", stellte Marbas fest.
"Ein widerlicher Dämon!", gab James zurück, dann wendete er sich dem Dunklen zu, "Das du es wagst sie anzugreifen! Die Tochter deiner Freundin? Hast du kein Ehrgefühl mehr? Ist wirklich nichts Gutes mehr in dir, alter Freund?"