Delina war am frühen Morgen aufgebrochen, wie erwartet hatte James bereits, lässig an einen Baum gelehnt, auf sie gewartet.
"Hast du jemandem gesagt das ich gehen möchte?", fragte sie ohne ihn anzusehen.
"Nein!", James folgte ihr durch den immer dichter werdenden Wald, "Ich möchte es selbst beenden. Schließlich war er nicht immer so..."
Delina verzog das Gesicht: "Er hat meinen besten Freund kaltblütig ermordet! Und die Tochter von Claude starb durch seine Taten! Das war, bevor er so wurde!"
Plötzlich stellte James sich ihr in den Weg: "Ach ja? Warum habe ich dann das Gefühl, das du dich schuldig fühlst?"
Delina biss sich auf die Unterlippe, die Worte die sie Finn gesagt hatten als sie in Silas geheimer Basis gewesen waren verfolgten sie.
Etwas stimmte nicht, etwas hatte sie übersehen und auch Arya verhielt sich, was Finn betraf seltsam, wie sie fand.
"Ich habe also recht!", James seufzte tief, "In dem Moment als er seine Freunde am meisten gebraucht hat haben die einen ihn bereits verraten, die anderen haben ihn fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel! Im Gegensatz zu euch will ich ihn töten, weil ich ihn nicht in diesem Elend vegetieren lassen möchte. Warum willst du ihn töten, Delina?"
Er zog unter seinem löchrigen Pullover eine seltsame Kette hervor und begann mit dem Anhänger zu spielen.
"Das ist ein Backenzahn!", stellte Delina angewidert fest, "Warum hast du einen Backenzahn um den Hals hängen?"
James grinste kurz: "Den habe ich Finn bei unserem ersten Streit ausgeschlagen. Er dient als Erinnerung daran das der Schüler den Meister besiegt hat!"
Delina streckte ihre Hand nach der Kette aus: "Gib sie mir, bitte!"
James sah sie verwundert an und nahm die Kette ab um sie an Delina weiterzureichen.
Diese packte einen Stein vom Boden und schlug den Zahn damit in zwei Hälften.
"Hey, was machst du da?", fragte James sie empört, "Es war nur ein Zahn, der hätte uns nichts getan!"
Delina zog die Perle des Nachtschattens aus ihrer Hosentasche: "Und das ist nur eine Perle! Nein, versteh doch, in einem Zahn befindet sich DNA. Ich kann dadurch vielleicht sehen, was genau damals geschah als... Ich muss es wissen James!"
Dieser kratzte sich am Kopf und schien angestrengt nachzudenken: "Darf ich raten, unsere geheime Mission verändert sich gerade!"
Delina nickte: "Ich werde in einen Komaähnlichen Zustand fallen, du musst meinen Körper bewachen!"
James setzte sich mit ausgestreckten Beinen auf den Waldboden und zog ein Messer aus der Tasche.
"Was hast du vor?", fragte Delina ihn kritisch blickend.
"Schnitzen, irgendwie muss ich mich doch beschäftigen, während du ein Nickerchen machst!", James griff sich einen der herumliegenden Äste und Delina schüttelte den Kopf über den seltsamen Kerl.
Dann setzte sie sich und berührte mit der Perle des Nachtschattens die Reste des Zahnes.
Im selben Moment schien ein Blitz durch ihren Körper zu schießen.
Sie konnte Finn sehen, in der Bibliothek der Basis von Silas.
Er griff nach der Kanne, aus der sie an dem Nachmittag alle Kakao getrunken hatten, sie war leer.
Wie sein Blick, er schien unglaublich leer zu sein.
Es wirkte zwar verschwommen vor Delinas Augen, aber Finn ließ sich auf eines der Sofas fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
Delina konnte sich an den Abend erinnern, ihr Herz begann zu schmerzen.
Sie hatte mit Church über ihre Beziehung gesprochen während Finn alleine auf diesem Sofa zu leiden schien.
"Es tut mir so leid!", murmelte sie und begann zu weinen, "Es tut mir so leid! Wir waren so blind!"
Jemand schien den Raum zu betreten, rote Haare, Delina war sich sicher, dass es sich um Caressa handeln musste. Zuerst schien sie ihn anzuschreien, dann aber nahm sie den weinenden Mann in die Arme.
Delina ging in die Hocke und vergrub ihr Gesicht nun in den Händen: "Es tut mir so leid! Wir hätten es merken müssen!"
Dann aber fasste sie sich und eine Frage schoss ihr durch den Kopf. Warum hatte Caressa niemandem davon erzählt?
Irgendetwas schien zu geschehen, Finn war plötzlich aufgesprungen, er hielt seinen Arm, als wäre er nicht Teil seines Körpers, dann brach er zusammen und wand sich auf dem Boden während Caressa davonrannte.
"Schwer das mitanzusehen, oder?", fragte jemand neben ihr, Delina schrie auf und fuhr herum.
Gut sichtbar stand Caressa neben ihr und schien die Situation ebenfalls zu beobachten.
"Ich habe damals Arya und dich gesucht. Sie und Deseis sagten du und Church wärt nicht verfügbar!", sagte die Erscheinung dann und sah Delina ernst an.
Delina hielt sich unter Tränen die Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken.
"Ich habe sie belogen, ihnen erzählt es gab einen Kampf!", Caressa lachte seltsam, "Ich wollte nicht, das er in seinem Zustand noch für seine Tränen ausgelacht wird! Vielleicht war es mein Fehler das zu tun! Aber was geschehen ist kann ich nicht ändern!"
Delina versuchte sich zu beruhigen: "Ich habe nicht gewusst wie schlimm es ist!"
Sie sah die Schemen von Arya und Deseis vor Finns Körper und verzog wütend das Gesicht: "Sie haben mir nicht gesagt wie schlimm es ist!"
"HEY!", eine laute Stimme schien Delina zurückzurufen, weg von den Erinnerungen und der Erscheinung die ihr einen weiteren Teil des Puzzles geliefert hatte.
Delina riss die Augen auf, James sah besorgt aus: "Aufstehen Delina! Da vorne ist ein Dorf und aus dem Norden kommen Soldaten! Soldaten aus Schwarzwasser!"
Delina versuchte ihre Fassung zu wahren, sie durfte sich jetzt nicht von dem, was sie gesehen hatte, beeinflussen lassen.
"Ich alarmiere die anderen!", James zog sie auf die Beine, "Du musst in dieses Dorf gehen! Warne die Bewohner! Sie müssen sich in Sicherheit bringen!"
Delina nickte und James rannte sofort los, während sie sich auf zittrigen Beinen weiter durch den Wald bewegte, bis sie schließlich Felder sehen konnte, Höfe und spielende Kinder auf einer einfachen Pflasterstraße.
Zwei Jungen und ein Mädchen die mit Holzmänchen eine Schlacht nachspielten.
"Hey, das ist unfair!", das Mädchen hatte goldene Locken und einige Sommersprossen. Man konnte schon die feinen Gesichtszüge ausmachen, die sie einmal zu einer schönen Waldelfe, einer richtigen Vila machen würden.
"Oh!", einer der Jungen, mit rabenschwarzem Haar, hatte Delina entdeckt und sprang auf, "Da ist jemand!"
Delina versuchte zu lächeln und ging auf die Kinder zu: "Hallo! Wer ist hier... Hey wartet!"
Die Kinder ließen ihre Spielsachen liegen und rannten davon.
"Verdammt!", fluchte Delina laut, "Hallo, ist hier jemand!"
Sie rannte über die Straße und schlug gegen die Türe des ersten kleinen Hofes der sie erreichte: "Aufmachen! Ihr müsst die Kinder in Sicherheit bringen!"
Hinter er tat sich etwas, Delina drehte sich um und sah einen jungen Mann, bewaffnet mit einer Heugabel: "Wer bist du und was willst du in Mondfall?"
Delina sah ihn ernst an, er trug einen langen braunen Zopf und hatte braune Augen, die sie kritisch musterten.
"Hör zu, Soldaten kommen um dieses Land...", er ließ Delina nicht weitersprechen.
"Die Soldaten haben alle Dörfer bis hier zerstört. Wenn sie kommen werden unsere Wachen und warnen!", er hielt die Heugabel weiter wie eine Waffe, "Wer sagt mir das du kein Spitzel der Dämonen bist?"
Delina hätte ihn am liebsten verdroschen. Sie versuchte doch die Bewohner zu warnen, wäre sie ein Spitzel wäre das wohl kaum ihr Aufgabenbereich.
"Die Wachen werden euch also warnen?", zischte sie wütend, "So wie in den Dörfern bevor? Wer sind eure Wachen? Bauern? Das sind Soldaten aus Schwarzwasser, eure Wachen sind schon lange tot!"
Der junge Mann sah sie plötzlich sehr ängstlich an, dann hörten sie Schreie.
Delina stieß den Bauern beiseite und sah das Feuer, das auf den Feldern gelegt worden war.
"Sie sind hier!", dann packte sie den Jungen am Kragen, "Du musst die Leute aus den Häusern holen, sie sollen in den Wald laufen! Wenn ihr bleibt werdet ihr sterben!"
Der junge Bauer sah sie fragend an: "Und was machst du?"
Delina drehte sich in Richtung der Felder: "Ich halte sie auf!"
Delina sah zu dem jungen Elf, der mit seiner Heugabel neben ihr stand.
"Ich habe dir gesagt du sollst verschwinden!", fuhr sie ihn streng an.
Er umklammerte den Stiel der Heugabel fester: "Alle laufen in den Wald, wie ihr mir gesagt habt! Ich werde euch hier nicht alleine kämpfen lassen!"
Delina seufzte tief, sie konnte die Angst in seinen Augen sehen. Sie standen zu zweit ungefähr fünfzig Soldaten aus Schwarzwasser gegenüber.
"Hör mir zu, es geht ihnen nicht darum dieses Land zu erobern! Sie wollen euer Volk vernichten, weil sie denken Elensar sieht dabei zu!", Delina deutete ihm wieder zu verschwinden.
"Was meine Vorfahren einst Elensar angetan haben war falsch, ich werde diesen Fehler nicht wiederholen und jemanden von dort im Stich lassen!", der junge Elf sah sie entschlossen an.
Delina lächelte matt, die Sturheit der Vila hatte sie bereits bei Caressa erlebt.
Sie würde mit den Kräften der Dunkler Schwestern schon dafür sorgen, dass sie diese Schlacht gewinnen konnten.
"Wie ist dein Name?", fragte sie ihn dann und er schien glücklich zu sein das sie dies wissen wollte.
"Mein Name ist Vidar, der Schattenapfelbauer von Mondfall!"
Delina lächelte: "Gut, Vidar aus Mondfall! Mein Name ist Delina Guren aus Elensar. Ich werde sogleich dafür sorgen das diese Mistkerle brennen. Halte dich im Hintergrund und gib mir Rückendeckung!"
Vidar nickte: "Gut, ich halte euch den Rücken frei!"
Die Soldaten, überrascht das sich ihnen zwei Personen, bewaffnet mit einer einzigen Heugabel, in den Weg stellten, hielten an. Einen Moment betrachteten sie die junge Frau und den Vila mit seinem Bauernwerkzeug, dann ertönte schallend es Gelächter.
"Was soll das darstellen?", einer der Soldaten, ein hochgewachsener Mann mit stechend gelben Augen, nahm seinen Helm ab, "Wollt ihr euch ergeben?"
Delina streckte ihre Arme aus: "Nein, wir werden euch aufhalten!"
Sie konzentrierte sich auf ihre Kräfte, bereit einen Sturm aus Feuer zu entfachen. Doch nichts dergleichen geschah. Ein paar Funken waren zu sehen, nichts weiter.
Wieder erschallte das Gelächter der Wachen und Delina starrte verwirrt auf ihre Hände.
Sie versuchte ihren Nebelbogen zu erschaffen, doch auch das missglückte ihr.
"Verdammt, was ist hier los?", murmelte sie, die Wachen hingegen blieben nicht untätig. Sie warfen etwas auf den ersten Hof nahe des Feldes.
Delina riss die Augen auf, als dieser in einem Sturm aus Schatten in Stücke gerissen wurde.
Ihr war bewusst, dass sie genau so etwas bereits aus nächster Nähe gesehen hatte.
"Das mit dem Feuer!", Vidars zittrige Stimme riss sie aus ihren Gedanken, "Nichts lege mir ferner, als euch zu beleidigen, aber das scheint nicht zu klappen!"
Delina packte ihn am Arm, wollte ihn fortschicken, als die Wachen auftauchten, doch sie teilten sich auf, ein Großteil machte sich daran die Häuser zu durchsuchen, während nur drei Männer vor ihnen standen.
"Sie werden den Wald als Versteck in Betracht ziehen!", Delina wusste nun auch nicht mehr, wie sie das aufhalten sollte.
Der erste Soldat griff sie an, sie wich seinem Speerstoß aus und schlug ihm ihren Ellbogen so fest sie konnte gegen den Rücken.
Auch das erzielte kaum die erhoffte Wirkung, der Soldat blieb auf den Beinen und schlug ihr mit seiner Drehung mit der Faust in den Magen, sodass Delina Sterne sah.
Sie spuckte einen Schwall Blut und hielt sich den Bauch, während sie sah wie Vidar sich vergeblich versuchte gegen die Soldaten zu währen. Der eine durchbohrte den Vila mit seinem Speer, während der andere eine Armbrust zückte und schoss.
Delina spürte einen explodierenden Schmerz in ihrer Schulter. Ihre Augen tränten und sie versuchte in die Richtung des sterbenden Vilas zu stolpern, allerdings wurde sie von einem weiteren Bolzen im Bein getroffen, was sie endgültig zu Fall brachte.
Der Soldat, welcher sie niedergestreckt hatte stand nun über ihr: "Erbärmlich!"
Er hob einen Speer, um Delina zu töten, doch dieser wurde von einer Hand in einem mit eisernen Stacheln versehenen Handschuh aufgehalten.
"Das werdet ihr bereuen!", hörte Delina eine düstere Stimme sagen, dann schloss sie die Augen. Gedämpft konnte sie Schreie hören, viele Schreie.
Dann wieder ein Schmerz in der Schulter und ihrem Oberschenkel, wo die Bolzen sie durchbohrt hatte. Jemand entfernte diese und Band etwas über die Wunden.
Delina spürte einen Arm unter ihren Kniekehlen den auf der Höhe ihrer Schultern. Man hob sie sanft hoch, sie versuchte ihre Augen zu öffnen, sah den weg an dem sie in Mondfall angekommen war. Die Spielsachen der Kinder waren mit Blut besudelt.
"Wer... ", Delina wollte fragen wer er war, der Mann der sie trug. Sein Gesicht unter einer schwarzen Maske verborgen, der Schlitz darin gab nur einen Blick auf die Augen frei. Sie waren goldgelb.