Arya streckte sich, sie hatte lange geschlafen und ihr Nacken war steif. Ihre Träume waren finster gewesen, hatten ihr Bilder aus der Vergangenheit gezeigt.
"Den Göttern sei Dank!", hörte sie die Stimme ihres Bruders, "Du bist wach!"
Sie öffnete die Augen und konnte gerade noch sehen, wie Ation sofort zur Seite geschubst wurde, von jemandem der nur halb so groß war wie er.
"Bei allem was euch Langohren heilig ist!", Korgrim setzte sich an ihr Bett und ergriff ihre Hand, "Wenn du mir noch einmal so einen Schrecken einjagst, Mädchen! Dann schwöre ich dir bei Madum... Vergiss es ich bin froh, dass du wach bist!"
Arya lachte, während Ation sich wieder aufrappelte: "Korgrim, du bist einmalig!"
Ation knurrte und kontrollierte dann Aryas Verbände: "Wenn du dich wohlfühlst darfst du das Bett verlassen!"
Arya bemerkte nun das sie nicht länger in dem Zelt war, ein hölzernes Haus war es eher: "Wo sind wir?"
Ation lächelte: "In Mondfall, wir konnten einen Angriff verhindern. Allerdings ist da etwas das ich mit dir besprechen muss! Alleine!"
Das letzte Wort war wohl an den Zwerg gerichtet, der sich widerwillig erhob: "Wenn der Herr Elf meint!"
Dann verließ er das Zimmer und Ation schloss die Türe, bevor er sich an Aryas Bett setzte.
"Was ist passiert?", fragte diese ihn als sie seinen ernsten Blick bemerkte.
Ation schien nicht genau zu wissen womit er anfangen sollte: "Delina wurde verletzt, als sie die Bewohner gewarnt hat. Ihre Kräfte... All unsere Kräfte sind auf ein Minimum gedrosselt. Sie konnte einen Dolch aus Eis erschaffen aber keine Feuersbrunst! Mich kostete es Tage die Verwundeten zu versorgen! Und dann... Delina wurde uns von dem Dunklen übergeben. Er hat sie gerettet, ich frage mich warum. Um es noch kurioser zu machen... Amelie hat alleine den Rest der Soldaten, sie gesamte Nachhut ausgelöscht. Sie wurde dabei schwer verwundet aber als ich sie versorgen wollte..."
Arya ließ ihn nicht aussprechen, schnell setzte sie sich auf: "Hast du das irgendjemandem gesagt?"
Ation schüttelte den Kopf: "Nein, sie liegt im Nachbarzimmer und redet nicht mit mir. Sag mir Schwester, wie ist das möglich?"
Arya sah ihn nun sehr ernst an: "Du wirst kein Wort darüber verlieren, Ation! Nie wieder! Auch wir beide werden nie wieder davon sprechen! Schwöre es!"
Ation schien einen Moment zu überlegen, aber dann nickte er und half Arya auf: "Sprich mit ihr, sie will niemanden sehen!"
Arya nickte: "Wenn die anderen Fragen dann sag ihnen sie braucht Ruhe! Wo ist Delina? Sie will ich als nächstes sehen!"
Ation deutete auf das kleine Fenster: "Auf der anderen Straßenseite ist der Hof von Vidar, einem Vila den wir retten konnten, Delina ist bei ihm!"
Arya nickte und verließ das Zimmer, um in das daneben gelegene zu stürmen.
"Raus!", war das erste was Amelie ihr entgegenschleuderte. Wie Arya erwartet hatte, lag sie nicht im Bett, sondern lehnte am Fenster, starrte auf die Straße.
"Ich weiß Bescheid!", platze es aus ihr heraus, "In Schwarzwasser, ich kam an der Maus deines Supercomputers an! Ich habe gesehen was dich damals so aus der Fassung gebracht hat!"
Amelie wendete sich ihr zu und starrte sie verzweifelt an: "Also wissen es jetzt alle! Stellt ihr schon einen Galgen auf?"
Arya schüttelte den Kopf: "Was redest du da? Ation hat geschworen nie wieder darüber zu sprechen, er hat es niemandem erzählt! Und ich ebenso wenig!"
Amelie sah sie nun verwirrt an: "Warum hilfst du mir, nachdem du es weißt?"
Arya lächelte: "Weil niemand etwas für seine Herkunft kann! Beschränken wir uns darauf das deine Mutter die wohl größte Jägerin aller Zeiten war. Ein Vater war Korgrim für dich, ein wunderbarer Zeitgenosse wie ich finde! Er hat dich geprägt und zu dem gemacht was du heute bist, Amelie!"
Amelie lächelte nun auch: "Du hast wahrscheinlich recht! Meinen wahren Vater kenne ich kaum. Korgrim hat mich großgezogen, nachdem meine Mutter mich zu meinem Schutz verlassen musste!"
Arya nickte schnell: "Also hast du zwei wunderbare Menschen gehabt, Amelie. Du bist nicht was dieser... Bericht sagt! Du bist was du sein willst!"
Plötzlich hörten sie laute Stimmen vor der Türe, eine davon gehörte eindeutig zu Ation: "Ich habe dir gesagt, das sie Ruhe braucht!"
Die andere zu James: "Ich werde nun durch diese Türe gehen und wenn du nicht zur Seite gehst, schlage ich dich nieder!"
Arya deutete Amelie sich ins Bett zulegen, was diese auch sofort tat, dann zog sie ihr die Decke bis unters Kinn und nickte ihr zu.
"Ation!", rief Amelie, bedacht darauf müde zu klingen, "Schon gut, lass ihn rein!"
Nach dem Austausch einiger netter Beschimpfungen trat James langsam durch die Türe, sichtlich überrascht Arya zu sehen.
Diese tätschelte Amelie gerade fürsorglich den Kopf: "Du bist ein Rüpel, James David! Amelie war schwer verwundet und mein Bruder den du gerade unter anderem einen Schweinskopf genannt hast tut alles dafür das es ihr bald besser geht!"
James sah nun ziemlich verlegen aus: "Ich wollte nur... Ich musste sehen, wie es ihr geht!"
Amelie lächelte gespielt schwach: "Es tut noch weh, aber in ein paar Tagen werde ich wieder auf den Beinen sein!"
James zog nun ein Buch aus seiner Manteltasche hervor: "Das sind Geschichten über die drei großen Jägerinnen, wahrscheinlich maßlose Übertreibungen, aber ich dachte..."
Arya unterbrach seine traurige Vorstellung: "Warum setzt du dich nicht an ihr Bett und liest ihr daraus vor? Ich wollte sowieso nach Delina sehen!"
Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ sie den Raum und stürmte die hölzerne Treppe hinunter, hinaus auf die Straße.
Der Hof von Vidar lag genau gegenüber, sie klopfte an die Türe und merkte im selben Moment, das sie nicht alleine war.
"Du?", Arya musterte die schwarze Kutte des Hexenkönigs, "Wir hielten dich für den Geist von Vincent, aber das ist nicht wahr, oder, Allister? Du hast Delina nicht gerettet, du hast das Artefakt an dich genommen und deinen Tod vorgetäuscht!"
Allister schien mit einer solchen Reaktion gerechnet zu haben: "Ich starb im Drachenfeuer, aber etwas hat mich zurückgeschickt, es war, als würde mein Tod Kräfte entfesseln, die tief in mir geschlummert hatten. Did war bei mir bevor man sie ermordet hat! Sie sagte mir das Delina noch einen Teil Familie von der Gurenseite hatte. Damals war ich überzeugt, dass sie dich meinte, aber im Moment meines Todes wurde mir bewusst, dass ich es war von dem sie sprach!"
Arya starrte die schwarze Gestalt ungläubig an: "Du bist Delinas Bruder? Wie ist das möglich, niemand trägt so viel Licht in sich..."
Allister deutete auf den Schädel, das Artefakt, das an seinem Gürtel befestigt war: "Darum ist auch niemand außer mir in der Lage das zu kontrollieren!"
Arya deutete in Richtung der Türe und ließ Allister stehen. Delina hatte sie öffnen wollen, aber sie war nur einen Spalt offen. Sie hatte alles gehört.
"Das müsst ihr klären!", sagte sie noch zu Allister, bevor sie sich auf die Suche nach Claude machte.
Sie fand ihn, auf einer Bank hinter dem Gasthaus, er und Greta schienen gerade ihre Kräfte im Armdrücken zu messen.
Arya stellte sich hinter ihn und verschränkte die Arme: "Das selbst ein Zwerg sich mehr um mich sorgt als mein guter Freund!"
Claude wurde im selben Moment von Greta besiegt und sprang auf, seine Hände tasteten Aryas Körper ab, bis er sie an den Hüften packte und an sich riss, um sie dann herumzuwirbeln und wieder in die Arme zu schließen.
Greta beobachtete das belustigt: "Claude, immer langsam nicht das ihre Wunde wieder aufreißt!"
Claude stellte Arya, die ziemlich verlegen drein sah, vorsichtig vor sich ab: "Es tut mir leid, ich wollte nicht... Ich bin einfach froh, dass du wieder auf den Beinen bist!"
Arya warf der kichernden Greta einen vernichtenden Blick zu, bevor sie ihm antwortete: "Mir geht es viel besser und Amelie auch! Sie wird bald wieder auf den Beinen sein! Nur Delina konnte ich nicht besuchen den sie hat bereits einen Gast!"
Claude schien das zu verwirren: "Ach ja? Wen den?"
Arya starrte zu dem Hof, dessen Türe mittlerweile geschlossen war: "Allister Androlien!"
Claude schien das nicht zu gefallen: "Denkst du wir können ihm trauen?"
Arya setzte sich zu Greta auf die Bank und betrachtete die spielenden Kinder auf der Straße: "Ich denke wir können niemandem trauen!"
Delina stand in der kleinen Küche, in der sich noch vor Minuten friedlich Tee getrunken und einen von den seltsamen Äpfeln von Vidar verspeist hatte.
Sie war so froh gewesen das er überlebt hatte, so erleichtert das Ation ihn hatte retten können.
Er hatte sie, nachdem sie ihr Bewusstsein wiedererlangt hatte, auch sofort aufgenommen da die Zimmer in dem alten Gasthaus gegenüber für die schwer Verletzten gebraucht worden waren.
Als sie Aryas Stimme vor der Türe vernommen hatte, hätte sie sich beinahe mit ihrem Tee übergossen, so schnell war sie aufgesprungen, um sie zu sehen.
Aber dann hatte sie Allister gehört und was der neue Hexenkönig gesagt hatte.
Vidar stand mit einer dritten Tasse Tee in der Hand vor dem kleinen Holztisch, stellte diese auf einem freien Platz ab und deutete Allister sich zu setzen: "Ich lasse euch alleine, ich muss sowieso nach den Feldern sehen, die Schäden sind gewaltig!"
Daraufhin verließ der Vila das Haus durch die Hintertüre und Allister setze sich während Delina stehen blieb.
"Willst du...", begann er, wurde aber sofort unterbrochen.
"Du willst wissen, ob ich mich setzen möchte?", schrie Delina ihn an, "Du willst wissen, ob ich Tee mit dir trinken möchte? Du warst tot, wir haben um dich getrauert! Sassy hat die Kontrolle verloren und wir konnten knapp verhindern das dabei Unschuldige verletzt werden! Finn ist beinahe seinem Fluch erlegen, als er es erfuhr! Und dann? Dann hast du dich mit den Verrätern verbündet und DAS mit Finn gemacht! Zugelassen das er unschuldige tötet! Das er Cash wie ein Tier abschlachtet, um den Nachtschatten für eure finsteren Pläne zu bekommen! Und du sollst mein Bruder sein? Mein Vater hatte viele Fehler aber er hatte etwas das ihr Feiglinge nie haben werdet. Ehre. Ehre Allister und den Mut zu seinen Fehlern zu stehen! Glaub mir wäre ich im Vollbesitz meiner Kräfte würde ich dich auf der Stelle töten!"
Allister erhob sich nun ebenfalls und stieß dabei seine Tasse um: "Ich habe getan was notwendig war! Um Finn zu retten und zu befreien, nicht um ihn zu foltern, so wie der Schatten dem du dein Vertrauen geschenkt hat! Church hat Cash zu Finn geschickt, wissend das ihn die Stimmen der Finsternis in den Wahnsinn getrieben haben! Cash hat Finn angegriffen, er hat in Notwehr gehandelt! Finn war nicht für die Explosion verantwortlich, er kam erst später hinzu! Wenn du wüsstest was sie ihm angetan haben! Church hat Shanora von den Runen erzählt, sie kannte diese von Lillet! Aber Church war es, der ihr erzählte wie man sie anwendet! Nur so konnte er Finn erst zu dem machen, was er jetzt ist! Zu einem Untoten! Zu einer gebrochenen Lebensform! Weißt du wie viel Folter nötig war, um seinen Geist in diese Verwirrung zu stoßen? Und trotzdem hat er euch nie angegriffen! Wer denkst du hat dich vor den Soldaten gerettet? Deine Wunden versorgt?"
Delina starrte Allister mit weit aufgerissenen Augen an, sie konnte nicht glauben, was sie da hörte.
"Ich bin gekommen, um dir das hier auszuhändigen!", Allister sprach nun wieder ruhig und seufzte, "Es tut mir leid, was alles geschah, aber ich sah keinen anderen Weg. Frag Ation, er hat mir geholfen!"
Delina riss Allister den Zettel aus der Hand welchen dieser ihr entgegenstreckte.
Sie faltete ihn auseinander und erkannte sofort die Schrift, sie hatte sie hunderte male gesehen, als sie noch ein Kind gewesen war.
Delina
Es tut mir schrecklich leid dich erschreckt zu haben, es war nicht meine Absicht. Ich weiß was ich tat, war unverzeihlich. Aber ich würde gerne mit dir sprechen. Ich werde dir nichts tun!!! Das war nie meine Intuition! Wenn du dazu bereit bist komm bitte in den Wald vor Mondfall. An die Stelle an der wir uns zuletzt sahen.
Ich hoffe, du kommst.
Finn
Delina starrte das Schriftstück an das Allister ihr überreicht hatte, unterbewusst musste sie über den klassischen Finnstil lächeln.
Er hatte sie gerettet, hatte er deswegen ein Recht auf dieses Gespräch?
"Du solltest dir anhören, was er zu sagen hat!", Allister sah sie ernst an, "Ich weiß, dass du hunderte Fragen hast, die nur er dir beantworten kann! Außerdem braucht er deine Hilfe!"
Delina wusste, dass er recht hatte, seufzend drückte sie Allister den zerknüllten Zettel in die Hand und warf sich ihren Mantel über.
"Was soll ich den anderen sagen?", wollte Allister wissen
"Ihr seid Experten im Lügen! Dir fällt etwas ein! Niemand soll mir folgen! Und niemand soll sich sorgen, weil ich gehe!", Delina warf ihm einen letzten enttäuschen Blick zu, bevor sie ging.
In Vidars altem Bauernhaus zu wohnen war auch schrecklich für Delina, fühlte sie sich doch für seine Verletzungen und die beinahe verlorene Ernte verantwortlich. Auch, wenn er immer wieder betonte das Vidar das anders sah. Sie trat hinaus, atmete die klare Luft der hereinbrechenden Nacht ein, die schon ein wenig von Winterkälte durchzogen war. Dann überquerte sie schnellstens den Weg, um nicht gesehen zu werden, tauchte ein in die Dunkelheit des Waldes, die sie verschlingen zu schien.