Anny stand nun für ihren Geschmack schon zu lange im Speisesaal des Schlosses. Die hohen Fenster waren mit dunklen Samtvorhängen verhüllt und ließen kaum Licht in den Raum, nur die Kerzen auf der großen Tafel in der Mitte des Raumes spendeten Licht und warf unheimliche Schatten an die Wand. Sie wurde ungeduldig, außerdem verrieten ihr ihre Sinne das sich jemand näherte, aber nicht die gewünschte Person.
"Anny aus dem Geschlecht Baal!", süffisant klang die Stimme des Vampirlords in ihren Ohren.
"Hast du ein Problem damit, Vlad?", fragte sie ohne sich zu ihm umzudrehen.
"Niemand hat je von euch gehört und nun taucht ihr hier auf und erregt so viel aufsehen!", Vlad näherte sich ihr von hinten, "Ich bin in der Lage jedes Lebewesen anhand seiner Energie zu erkennen und zuzuordnen. Aber etwas wie euch habe ich noch nie gespürt!"
Etwas regte sich in der anderen Ecke des Raumes, Anny seufzte, das würde Probleme geben.
Vlad hatte dies auch bemerkt und sofort erkannt, wer versucht hatte sich hinter einem der Vorhänge zu verbergen.
"Ina!", seine Stimme klang kalt, drohend und verächtlich, "Ich habe euch den ganzen Morgen suchen lassen. Wie könnt ihr es wagen einfach zu verschwinden und eurem Meister nicht zu Diensten zu sein!"
Ina trat hinter dem Vorhang hervor, ihre roten Augen weit aufgerissen vor Angst: "Ich habe mir das Schloss angesehen, Meister!"
Vlad erschien blitzschnell vor ihr, packte sie am Hals: "Ihr gehört mir, das müsst ihr endlich verstehen! Wenn ich euch nicht erlaube, euch hier umzusehen dann habt ihr in meinem Gemach zu warten!"
Ina klammerte sich verzweifelt an seinen Arm, aber er drückte weiter zu, bereit ihr einfach den Kopf abzureißen.
"Lass sie los!", Annys Stimme klang eiskalt, "Oder ich schwöre dir du wirst es bereuen!"
Vlad knurrte und ließ von seiner Mätresse ab: "Mischt euch nicht in meine Angelegenheiten ein!"
Anny ging langsam auf ihn zu, ihre Augen leuchteten unheimlich: "Du wolltest wissen, was ich bin!"
Vlad nickte: "Das würde mich wahrhaft interessieren!"
Im selben Moment löste sich Anny in Schneeflocken auf, manifestierte sich direkt vor ihm, begann seinen Mantel aufzuknöpfen.
Vlad grinste dreckig, ließ es geschehen, sodass Anny seinen Oberkörper freilegen konnte.
"Ich bin angewidert von euch!", Anny lächelte freundlich und spaltete mit ihrer Hand seinen Brustkorb um ihm das Herz herauszureißen.
Sie hielt es ihm vors Gesicht bevor sie herzhaft hineinbiss.
Vlad schrie auf, sein Blut strömte aus seiner Brust, die er sich hielt, als könne er noch verhindern was ihm bevorstand.
Anny packte nun ihn am Hals und zog ihn nah an sich, flüsterte ihm ins Ohr: "Wisst ihr, was passiert, wenn man stirbt? Da ist nichts, nur Finsternis! Ich wünsche euch viel Spaß in der ewigen Dunkelheit, Lord Vlad. Abschaum!"
Dann biss sie ihm in den Hals, riss ihm die Kehler heraus und lachte dabei, sein Körper kippte leblos zur Seite.
Ina stand wie angewurzelt in der Ecke, während Anny die Reste von Vlads Herz zu seinem Körper warf, sie war nun selbst über und über mit Blut besudelt.
"Ihr habt ihn getötet!", entfuhr es Ina dann, sie sank auf die Knie und begann gleichzeitig zu lachen und zu weinen, "Er ist wirklich tot, nach all den Jahren!"
Anny ging langsam auf sie zu: "Steh auf, du wirst nicht länger hier bleiben!"
Ina erhob sich langsam und sah sie fragend an: "Was meint ihr damit? Jetzt wo ich endlich frei bin? Ich will bei euch bleiben! Bitte lasst mich an eurer Seite bleiben!"
Anny grinste und fuhr Ina mit ihrem blutverschmierten Daumen über die Unterlippe: "Süße Ina, so wunderschön... Du wirst nun das Blut deines Meisters trinken!"
Ina sah sie schockiert an: "Das ist verboten, niemand darf das Blut eines Vampirlords trinken!"
Anny seufzte: "Ich habe keine Zeit mit dir darüber zu diskutieren! Du musst es tun, um dich zu stärken! Verboten wurde es um einen Putsch durch andere geborene Vampire zu verhindern! Vertraust du mir?"
Ina nickte schnell: "Ich vertraue euch!"
Anny seufzte: "Hör auf mit mir zu reden als wäre ich dein neuer Meister! Ich bin deine Geliebte, ich bitte dich das zu tun! Du kannst es ablehnen, aber glaube mir, es wäre besser für uns beide!"
Daraufhin ging Ina sofort zu dem Leichnam und begann zu trinken, soviel sie konnte bis sie sich nicht mehr wohlfühlte.
"Was ist das für ein Gefühl?", Ina hielt sich den Kopf, "Was passiert mit mir?"
Anny beobachtete das, dann zog sie Ina auf die Beine und sah ihr in die Augen: "Du wirst jetzt schlafen, Ina! Wenn du aufwachst, wirst du dem Mann, der bei dir sein wird alles erzählen was du geträumt hast! Und was du hier gesehen hast!"
Ina brach vor ihr zusammen und Anny berührte ihren Körper, welcher daraufhin in einer Eisschicht gefangen war.
Dann ging sie zu Vlads Körper und berührte diesen: "Zeit aufzustehen!"
Vlads Wunden wurden mit einer schwarzen Essenz die direkt aus Annys Körper kam gefüllt, er öffnete seine Augen, sie leuchteten nun ebenso unheimlich wie die von Anny.
"Meisterin!", das war alles, was er sagte, als er sich erhob, "Was kann ich für euch tun?"
Anny sah ihn gelangweilt an: "Dein Name wird ab jetzt Andar sein! Du wirst nur mir gehorchen, wenn ich dich bei deinem Namen nenne. Du nimmst den Körper im Eis und verlässt mit ihm diesen Ort, gehst an den Hafen und wartest dort auf den Mann mit der Krone!"
Vlads Körper nickte: "Wie ihr befehlt!"
Anny betrachtete, nachdem er den Raum verlassen hatte ihr Spiegelbild in einem der großen Wandspiegel, die den Vampiren als Reisemöglichkeit diente.
Sie war über und über mit Blut beschmiert, das veranlasste sie zu Lächeln.
"Was ist den hier passiert!", ein empörter Aufschrei von Deseis ließ sie sich genervt zu ihm umdrehen.
"Musst du immer gleich in die Luft gehen? Habe ich meinen Spaß passt es dir nicht, suche ich mir etwas zu essen, da mir niemand etwas gebracht hat, regst du dich auf...", Anny lächelte ihn unschuldig an.
"Was ist nur aus dir geworden?", fragte Deseis sie mit traurigem Blick.
Ein langsames, leises Klatschen ertönte, gefolgt von schweren Schritten, ein Mann betrat den Raum, er trug wie Deseis einen schwarzen Mantel und schwarze Stiefel.
"Das ist also Anny aus dem Geschlecht Baal, Gefängnis des Titanen aus Harmun!", er trug eine schwarze Maske die einen abscheulichen Dämon darstellte.
Anny musterte ihn: "Wie kaum jemand versteht, der Titan hat mich ausgesucht, er wurde nicht in mir eingesperrt! Also falls ihr euch eine Chance ausrechnet ihn aus mir herauszubekommen, viel Vergnügen beim Versuch!"
Der Mann lachte: "Ihr habt nicht nach meinem Namen gefragt! Ich habe nicht vor euch zu bestehlen! Ich benutze andere Lebewesen lieber! Aber auch das würde ich mit jemandem wie euch nie tun!"
Anny leckte sich die letzten Reste von Vlads Blut von den Fingern: "Ich sollte euch nun verfallen, oder? Euch zu Füßen liegen und der Anziehung erliegen. Ihr langweilt mich! Warum sollte ich den Namen einer Person, die ich nicht respektieren kann wissen wollen?"
Der Mann schien kurz nicht zu wissen, wie er darauf reagieren sollte: "Ein Wesen wie euch habe ich noch nie getroffen! Unnatürlich, vielleicht funktioniert es deswegen nicht! Was wollt ihr von mir?"
Anny ging langsam auf ihn zu und lächelte: "Ich will einfach nur etwas zu essen. Jemand wie ich kann sich nicht von normalen Speisen ernähren, das schwächt mich und lässt mich alt aussehen! Darum schließe ich mich nur zu gerne diesem Feldzug an! Bis es mich langweilt!"
Arya starrte den König der Vila schockiert an, allerdings ließ dieser sein Schwert sinken als Schreie aus dem Gang vor dem Thronsaal ertönten.
Es dauerte nicht lange, dann war es still.
Die Soldaten griffen zu ihren Speeren und behielten die Türe im Auge, die einen Moment später aus den Angeln flog und zwei der Soldaten unter sich begrub.
"Was ist das für eine Teufelei?", zischte Kameon und hielt sein Schwert bereit.
Die verbliebenen Soldaten zitterten vor Angst, schwarzer Rauch manifestierte sich vor ihnen.
Arya unterdrückte einen Schrei, ein solches Wesen hatte auch sie noch nicht gesehen.
Die Haut war blass, ein Mann mit einer schwarzen Hose und schwarzen Stiefeln. Sein gut gebauter Oberkörper war von dunkler Energie durchzogen, sein Gesicht von Hass verzerrt.
Aus seinem Mund tropfte Blut, er schien die Soldaten, deren Schreie man gehört hatte, nicht einfach nur getötet zu haben. Er hatte sie zerfetzt, verschlungen.
Sein finsteres Lachen veranlasste die Soldaten dazu anzugreifen, sie stießen ihre Speere in seinen Körper.
"Maden!", war alles, was die verzerrte Stimme des Mannes dazu sagte, dann riss er die Speere aus seinem Körper, der sich sofort vollständig regenerierte.
"Das ist unmöglich!", Kameon starrte die Kreatur entgeistert an, "Was seid ihr für ein Monster?"
Der Mann warf die Speere zu Boden und verschwand in einer Schwade aus Rauch, welche sich schnell auf Kameon zubewegte, ihn mit einer Wucht gegen die Wand schleuderte, dass er sich kaum wieder aufrappeln konnte.
Der Mann erschien wieder, packte den König am Hals und drückte ihn gegen die Wand: "Seht euch mein Gesicht an, Kameon, Verräter! Ich werde eures nie vergessen! Der Jubel auf dem Schiff als wir euch und die Soldaten der Vila erblickten. Die Verzweiflung als ihr euch abgewendet habt! Ich werde euch euer verräterisches Herz aus der Brust reißen und euch in Fetzen reißen, für das was ihr uns angetan habt!"
Arya erhob sich zitternd, fassungslos darüber was der Untote vor ihr sagte: "Finn? Bist du das? Hör auf, es ist genug Blut vergossen worden!"
Finn sah zu Arya, das rote glühen in seinen Augen verschwand: "Ich... kann nicht... aufhören!"
Arya sah ihn flehend an: "Bitte hör auf! Töte ihn nicht! Rache kann nicht die Lösung sein, das waren deine Worte, immer! Du wolltest immer einen Weg finden diesen Kreislauf zu unterbinden!"
Finns Körper zitterte, aber er ließ Kameon los: "Wenn ihr noch einmal etwas tut, was mir missfällt, König... Dann wird es kein Versteck für euch geben. Der Tod kommt über uns alle..."
Arya sah ihn schockiert an, war es möglich, dass er hinter der gehörnten Maske gesteckt hatte?
War es möglich das Finn der Dunkle war?
Diese Finsternis in seinem Herzen, schnell rannte sie über die zerstörte Türe hinweg in den Gang, um sich davon zu überzeugen, dass sie recht hatte.
Die Soldaten, die sich ihm in den Weg gestellt hatten, lagen Tod auf dem Boden, doch ihr Blut war bis an die Decke gespritzt. Riesige Fleischwunden, geöffnete Brustkörbe und fehlende Herzen.
Arya biss sich auf die Lippe, es war also wie sie befürchtet hatte. Ein Untoter war nicht in der Lage normale Nahrung zu sich zu nehmen. Alles in seinem Mund würde zu Asche werden, mit Ausnahme von dem Fleisch und den Organen lebender die er tötete. Das stärkte ihn und machte ihn beinahe unverwundbar.
Es war also schlimmer als sie alle angenommen hatten, nicht der Dunkle war zurückgekehrt, sondern ein viel älterer Fluch.
Ihre Vorfahren hatten gegen Untote und ihre Meister gekämpft, um diese zu vernichten. Meister der Untoten waren in der Lage ihre Opfer wieder auferstehen zu lassen, als willenlose Sklaven. Je nach Stärke der Seele war es zweimal möglich jemanden in diesen Zustand zu versetzen, einen grässlichen Untot in dem die Seele der verstorbenen Person in seinem Körper gefangen blieb und alles mitbekam, was man ihn zu tun zwang.
Arya konnte sich genau erinnern wie ihr Vater ihr von Taljan, dem König der Untoten erzählt hatte.
Er hatte tausende getötet und versklavt, obwohl er anfangs noch versucht hatte seinen Fluch zu brechen.
Bis heute war, nicht bekannt wie man diesen Fluch brechnen konnte, geschweige den woher er kam.
Durch die Rune der Wiederauferstehung konnte der Anwender jemanden wieder zum Leben erwecken, allerdings handelte es sich bei dem Wesen nicht um einen echten Untoten. Wie sie geschaffen wurden war bislang nicht geklärt.
Finn erschien plötzlich neben ihr: "Kümmere dich um Claude und den sogenannten König!"
Arya nickte nur stumm, sie wusste nicht, was sie zu ihm sagen sollte.
Finn schritt durch den Gang, vorbei an den Leichen der Soldaten, den vor Angst und Schmerz verzerrten Frazen der Toten die ihn anzustarren schienen.
"Was habe ich getan?", murmelte er, "Wie konnte ich das tun?"
Die Spur seiner blutrünstigen Verwüstung zog sich weiter bis zu den Toren der Festung, auch dort waren die Überreste der Soldaten kaum noch als Lebewesen zu erkennen.
Finn sank auf die Knie, in diesem Moment wünschte er sich wieder tot zu sein.
"Finn!", Delina kam auf ihn zugelaufen, blieb allerdings stehen als sie ihn sah, "Dein Körper, er ist vollständig regeneriert!"
Finn sah sie mit rot glühenden Augen an: "Ich habe gegessen und bin erstmals nicht mehr hungrig! Sag mir, ob du noch immer denkst das du mich retten kannst!"