Finn hatte Shanora sicher zurück auf die Mauer gebracht, Allister tat sein möglichstes, um sie zu versorgen.
"Ich habe noch nie so einen Mut gesehen!", Kameon blickte bewundernd auf die weiße Königin.
"Nehmt euch ein Beispiel daran!", empfahl Korgrim ihm, "Was machen wir jetzt mit diesen Ratten?"
Er meinte natürlich die verbleibenden Soldaten, die sich vor der Mauer erneut sammelten.
Delina sah ernst zu den beiden: "Wir können Finn nicht erneut in den Kampf schicken, das Risiko ist zu groß, er muss noch an seiner Beherrschung arbeiten!"
Korgrim sah enttäuscht drein: "Da hat man einmal etwas noch besseres als einen Bulldozer gegen diesen Abschaum und dann darf man es nicht einsetzen!"
Arya konnte sehen wie oft Finns Augenfarbe sich veränderte, wieder glühend rot wurde: "Delina, geht zurück zur Festung! Pass auf das er seinen Geist ausruht!"
Finn widersprach ihr natürlich: "Nein, ich werde euch nicht im Stich lassen!"
Arya sah ihn ernst an: "Das hast du nie... Wir haben dich im Stich gelassen und zu oft an dir gezweifelt. Diesmal beschützen wir dich!"
Delina nickte: "Bitte höre auf Arya und komm mit mir, wenn du dich wieder im Griff hast, können wir zurückkehren!"
Finn warf Shanora, die still auf den Boden starrte noch einen Blick zu: "Ob sie jemals wieder mit mir sprechen wird?"
Arya überwand sich und drückte kurz seine eiskalte Schulter: "Sie braucht Zeit und die brauchst du jetzt auch!"
Finn nahm dankbar Delinas Hand und folgte ihr von der Mauer in Richtung der Festung.
"Na wunderbar!", fluchte Korgrim, "Seht mal was da durch die Löcher in der Mauer kommt! Denkst du einer von ihnen hat meinen Schraubenzieher, Arya?"
Arya schmunzelte besorgt über den trockenen Witz des Zwergs, tatsächlich waren es riesige Trolle, gegen die sie schon einmal gekämpft hatte. Zwei davon waren schon nicht gerade angenehm gewesen, aber ein Duzent ohne ihre Kräfte?
Kameon starrte auf die Trolle: "Holt den Untoten zurück, schlagt eine Schneise durch diese Gegner und flieht!"
Shanora erhob sich langsam hinter ihm: "Nein!"
Allister warf ihr einen besorgten Blick zu: "Shanora! Das ist nicht dein Krieg! Du schuldest diesen Vila nichts!"
Shanora trat auf die Mauer und sah auf die Armee herab, die ihre Belagerungswaffen in Stellung brachte, bereit die zweite Mauer einzureisen.
"Ich schulde ihnen nichts!", sie nahm die Strickleiter, an der Arya und die anderen sich in Sicherheit gebracht haben, "Aber ich werde niemals jemanden im Stich lassen, der die Hilfe von Elensar braucht!"
Mit diesen Worten stieg sie die Leiter hinab bis auf die Höhe eines Belagerungsturms und sprang auf diesen. Shanora kletterte hinauf und begann die feindlichen Soldaten zu bekämpfen, die diesen bemannt hatten.
Arya seufzte tief und griff zu ihrem Schild: "Für die Königin!"
Claude stimmte mit ein: "Für die Königin!"
Dann folgten sie, mit Korgrim und Greta, Shanora in den Kampf.
Diese tat sich schwer gegen so viele Gegner, bis ihr Körper plötzlich von unglaublicher Energie durchströmt wurde.
Im selben Moment verwandelte Claude sich in einen Wolf und Aryas Rüstung begann in der Sonne golden zu glänzen.
"Sie hat es geschafft!", rief Arya aus, "Amelie hat die Blockade gelöst!"
Korgrim lachte und spaltete einen weiteren Schädel: "War ja klar, sie ist ja auch mein Mädchen!"
Auf der Mauer wendete sich Ina an Allister, aus dessen Händen goldene Funken schossen.
"Ihr seid nicht einfach ein Hexenmeister, ihr seid ein Heiler!", sagte sie erstaunt.
Allister nickte: "Und genau dieser Aufgabe werde ich jetzt nachgehen. Ich weiß, dass du mit all dem nichts zu tun hast, aber meine Freunde könnten Unterstützung brauchen!"
Ina nickte: "Es ist mir eine Eher an eurer Seite zu kämpfen!"
Korgrim stürmte immer weiter vor, erledigte einen Soldaten nach dem anderen.
"Korgrim, hinter meinen Schild!", rief Arya ihm zu, aber er wollte nicht hören.
Shanora hielt inne: "Da kommt etwas auf uns zu, ich kann es spüren!"
Arya sah zu Korgrim, der weit vor ihnen kämpfte: "Verdammt, komm zurück!"
Korgrim riss die Augen auf, als vor ihm ein Sturm aus Schatten den Erdboden zu spalten begann: "Was ist das für eine neue Teufelei?"
Arya riss entsetzt die Augen auf, in dem Moment stürmte Shanora an ihr vorbei: "Nein, bleibt hier!"
Korgrim stolperte zurück, er fiel auf den Rücken, entkam knapp der Schlucht, die sich vor ihm gebildet hatte.
Aus dieser drang Schatten und eine riesige Klaue erschien an ihrem Rand, Korgrim kroch so schnell er konnte davon, als der Kopf des Drachen erschien.
"Verdammt noch einmal Church!", brüllte Arya, "Wenn du ihn anfasst, töte ich dich!"
Sie vernahm ein finsteres Lachen, dann öffnete der Drachen sein Maul und entfesselte einen Sturm aus Schatten um Korgrim zu verschlingen.
"Alle bereit machen, Church will uns in weniger als einer Stunde vor den Toren von Lunaris sehen! Zum Portal!", rief ein General durch die Hallen von Gaaps Palast.
Das gesamte Heer von Church war versammelt, füllten das Gebäude, sodass es aus allen Nähten platze.
Aufgeregt machten sie sich bereit, um in die finale Schlacht gegen die Vila zu ziehen und dem Ruf ihres Anführer zu folgen.
Einige von ihnen waren so jung, dass sie kaum die bereitgestellten Rüstungen ausfüllen konnten.
Anny stand davor: "Es tut mir leid, für jeden von euch der vielleicht nicht ganz freiwillig hier war. Für jeden der vielleicht ein gutes Herz hatte!"
Ihr Titan, welcher meist stumm blieb, antwortete ihr: "Krieg fordert immer Opfer, Verluste auf beiden Seiten. Sie haben Frauen und Kinder, sie sind die Kinder ihrer Eltern. Ihre Familien und Freunde werden trauern und euch hassen, für das was ihr im Begriff seid zu tun!"
Anny wusste, das ihr Titan damit recht hatte: "Aber was bleibt mir anderes übrig? Zuzulassen wie ein ganzes Volk aus der Laune eines Wahnsinnigen heraus abgeschlachtet wird? Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Ich war lange nicht bereit solche Entscheidungen zu treffen, jetzt habe ich keine Wahl mehr!"
Mit diesen Worten hob sie beide Hände, die Wände des Schlosses wurden in Sekunden von schwarzem Eis überzogen.
Ein schneller, gnädiger Tod für all die Soldaten aus Schwarzwasser, die als Verstärkung für die Auslöschung der Vila geplant waren.
"Wird es je aufhören?", Anny sah traurig in den von Wolken bedeckten Nachthimmel, "Wird je genug Blut vergossen worden sein? Werden sie jemals aufhören zu hassen und dabei so etwas wie mich zu erschaffen?"
Der Titan antwortete ihr sofort: "Ich habe euch damals gerettet, weil ich die Güte in eurem Herzen gesehen habe. Viele würden diese Macht missbrauchen und ohne mit der Wimper zu zucken ein Todesurteil wie dieses vollstrecken. Ihr seid anders, ihr empfindet Reue für diese notwendige Tat!"
Mit einer weiteren Handbewegung verschwand das Eis so schnell wie es gekommen war und Anny betrat das Schloss, stieg über unzählige Leichen bis zum Speisesaal, starrte auf den Spiegel, aus dem die Frau gekommen war.
"Es ist kein Schloss mehr, es ist nun das Grab tausender junger Männer!", stellte Anny fest und dachte an die Frau, die sie durch den Spiegel erreicht hatte.
Ihr Auge hatte sie Anny gegeben, damit sie sehen konnte was sie gesehen hatte.
Um eine Information zu bekommen, ihr Gott habe sie geschickt. Das war, was sie erzählt hatte. Die Gnade eines Gottes zu erfahren, etwas was Anny für immer verwehrt bleiben würde.
Anny fragte sich, was aus ihr geworden war, schließlich hatte sie so unglaublich verzweifelt gewirkt.
Sie hoffte, dass Deseis ihrer Bitte nachkam und sie beschützte, anderenfalls wäre er geflohen und dann wäre Anny gezwungen ihn zu finden und ebenfalls zu töten.
Plötzlich regte sich etwas im Spiegel, Anny machte einen Satz zur Seite und Deseis stürzte mit einer Frau im Arm durch das Glas in den Speisesaal.
Er sah mitgenommen aus, aber die Frau hatte es noch schlimmer erwischt.
"Du hast sie gefunden!", stellte Anny fest und erkannte die tiefen Bisswunden an ihrem Körper sofort, "Sie hatte wohl recht mit dieser Vermutung! Ein grausames Schicksal das sie erfahren musste!"
Deseis atmete schwer und sah sich überrascht um, es war zu still in Gaaps Schloss: "Die Wachen und all die Soldaten! Es ist so still hier..."
Anny seufzte tief: "Tot! Wie ich es dir gesagt habe!"
Deseis nickte bedrückt, ihm war klar, dass es nötig gewesen war um Church davon abzuhalten einen Völkermord zu begehen.
Er erhob sich und trug die verletzte Frau zu der großen Tafel, legte sie vorsichtig darauf: "Ihr Name ist Sassy, sie gehörte zu Finns Elitetruppe... Dieses Monster hat sie beinahe zerfetzt, sie hatte keine Chance!"
Anny betrachtete den geschundenen Körper der Frau, die ihr ein Auge überlassen hatte: "Sie ist ein Vampir, also braucht sie Blut! Die Wachen sind vollgepumpt mit tödlichem Gift und mein Blut... Ich denke darüber brauchen wir nicht zu diskutieren! Ich glaube, aber nicht das wir ihr noch helfen können..."
Deseis wusste, was er zu tun hatte, vorsichtig tätschelte er Sassys Wange: "Hör mal, wir waren bereits in einer ähnlichen Situation..."
Anny konnte eine Situation sehen, verschwommen aber die Stimmen waren klar zu erkennen:
"Trink sein Blut!", ein gehörnter Mann mit grausamen Augen hatte Deseis am Genick gepackt, welcher bereits schwer verwundet war.
Anny erkannte Sassy, auf die wohl mehrfach geschossen worden war, sie kauerte zu dem grausamen Mann in der Ecke eines steinernen Raumes: "Nein, er hat viel zu viel Blut verloren. Ich werde niemanden töten, um selbst zu überleben!"
Der gehörnte packte Deseis lange schwarze Haare und zog seinen Kopf zurück, sodass Sassy dessen Gesicht sehen konnte.
"Du würdest keinen unschuldigen töten.", verkündete er grausam lachend, "Er sollte schon tot sein! Und hat gerade Hunderte getötet"
Anny sah, wie beide sich in die Augen sahen, Sassy schien immer schwächer zu werden.
"Wie heißt du?", flüsterte Sassy Deseis zu.
"Du kannst mich ruhig töten, ich sollte, wie erwähnt, bereits tot sein!", Deseis klassisch kalte Stimme ließ Anny die Augen verdrehen.
"Dein Name?", Sassy starrte ihn an.
"Na los, töte ihn endlich!", schrie der Gehörnte die Vampirin an.
Anny sah überrascht zu, wie Sassy sprang und mit letzter Kraft den Gehörnten losging, ihm in den Unterarm schnitt und sein Blut trank.
Anny verstand, warum sie das jetzt sehen konnte, traurig betrachtete sie Deseis versuche Sassy zu Bewusstsein zu bringen.
"Sie ist tot!", sagte sie ihm dann und verschränkte die Arme, ein weiteres Opfer dieses sinnlosen Krieges.
Deseis schien einen Moment wie versteinert zu sein, starrte auf den leblosen Körper auf dem Tisch.
Dann stiegen ihm die Tränen in die Augen: "Das darf nicht sein!"
Schnell griff er nach seinem Schwert und schnitt sich in den Unterarm, presste die Wunde über den Mund der Vampirin.
"Was tust du da?", Anny schüttelte den Kopf, "Lass ihr die letzte Ruhe, lass sie schlafen!"
Deseis zog seinen Arm zurück und starrte Anny wütend an: "Ich soll mich einfach damit abfinden, dass sie in meinen Armen gestorben ist? Sie hat einen Sohn der seine Mutter braucht! Sie hat unzählige Male gegen das böse gekämpft, egal wer sie niedergestreckt hat, sie stand wieder auf und tat was notwendig war, um die Menschen, die sie liebte zu beschützen! Sie verdient es nicht so zu sterben!"
Auch wenn Anny seinen Zorn und seine Trauer darüber nachempfinden konnte antwortete sie ihm mit strenger Stimme: "Der Tod holt uns alle, früher oder später! Finde dich damit ab, es gibt nichts mehr, was du für sie tun kannst!"
Deseis schien nicht auf das hören zu wollen, was Anny ihm sagte: "Atep... Henry... Denkt den niemand an die Kinder? Was sollen wir ihnen sagen? Dass wir nicht in der Lage waren ihre Eltern zu beschützen? Soll ich Henry einmal sagen das seine Mutter unzählige Male ihr Leben riskiert hat, um andere zu retten? Soll ich Atep sagen das die Frau, die Folter und Gefangenschaft für ihn ertragen hat wie ein wildes Tier geschlachtet wurde? Von ihm... Wie konnte er das tun? Was passiert hier?"
Anny wusste, dass er gerade nicht in der Lage war mit diesem Schmerz, diesem Verlust und seinen damit verbundenen Schuldgefühlen umzugehen: "So ist unsere Welt! Sag ihnen sie starb weil sie noch daran geglaubt hat das man das alles beenden kann! Das es einen Weg gibt den Kreislauf des Hasses zu durchbrechen!"
Anny beschloss ihm noch einen kurzen Moment zu geben: "Fasse dich, Onkel! Wir haben noch eine Menge zu erledigen!"
Deseis blickte erschöpft zu ihr: "Ich soll sie einfach hier liegen lassen?"
Anny nickte: "Die Zeit sie nach den Riten und Bräuchen ihrer Götter zu begraben wird kommen!"
Deseis schüttelte den Kopf: "Sie ist Ägypterin, eine Priesterin der alten Götter! Es muss sofort geschehen!"