In den Mittagsstunden hatten sich die Zelte, welche vor der Mauer eigentlich zur Beratung und zu Gesprächen mit der angeblichen Königin der Dämonen aufgestellt worden waren in ein Lazarett verwandelt.
Shanora hatte sich übernommen als sie die Relikte, die an Arya und Allister gebunden gewesen waren, erscheinen hatte lassen.
Zu Claudes Überraschung waren alle Relikte nach ihrem erscheinen zu Staub zerfallen und der ganze Spuk hatte ein Ende gefunden.
Auch Deseis musste sich erholen, nach dem Schlag, den er durch Arya einstecken hatte müssen und Greta hatte ihn dann noch zu einem Wohnhaus geschickt, in welchem er eine Leiche, eine erschöpfte Delina die kaum mehr laufen konnte und eine verletzte Amelie bergen musste.
"Amelies Zustand wird immer schlechter!", Allister kam aus dem Zelt hinter ihm, "Sie stirbt und ich kann dir nicht einmal sagen warum!"
Claude seufzte: "Was ist da nur passiert? Ist Delina ansprechbar?"
Allister nickte: "Ich denke schon, allerdings hat diese Barriere sie extrem viel Kraft gekostet! Finn ist bei ihr!"
Claude nickte und beschloss Delina in Ruhe zu lassen, er betrat mit Allister das Zelt und betrachtete Amelies Wunden. Ein tiefer Schnitt von ihrem Hals über den gesamten Brustkorb, welcher sich schon längst hätte verschließen müssen und eine Fleischwunde am Hals, die immer noch blutete.
Claude war sich sicher auch an der Leiche eine Fleischwunde gesehen zu haben und ihm kam ein schrecklicher Verdacht. Genau so etwas hatte er schon einmal gesehen bei einem anderen Schatten.
"Verdammt!", murmelte er, "Allister diese Wunde am Hals... Bitte spül sie aus ich muss mir das näher ansehen!"
Allister mustere den Druiden verwirrt: "Seit wann bist du den ein Heiler?"
Allerdings nahm er sofort einen Krug mit Wasser und versuchte möglichst vorsichtig die Wunde auszuspülen.
"Ihr ganzer Körper glüht und das Fieber steigt weiter!", murmelte er besorgt während er ein Tuch in warmen Wasser tränkte und die Wunde weiter reinigte, "Ich habe keine Ahnung was ich machen soll. Wenn das so weiter geht, bleiben ihr noch wenige Stunden bis sie stirbt!"
Claude betrachtete die Wunde eingehend, dabei bestätigte sich sein Verdacht: "Siehst du das? Ein Biss wie von einem Menschen...!"
Allister gab ihm recht: "Ziemlich ausgeprägte Eckzähne, oben sie untern... Oh nein, darum wolltest du es genauer ansehen. Dann gibt es also keine Hoffnung mehr!"
Claude nickte: "Zumindest ist sie gering!"
Einen Moment verharrte Allister, dann sah er Claude erstaunt an: "Wie kannst du das überhaupt sehen? Du bist doch blind!"
Claude nickte: "Das mag wohl stimmen, allerdings bin ich auch ein Alchemist und habe beinahe gegen jedes Gebrechen das richtige Mittel!"
Allister verzog das Gesicht: "Wie lange kannst du schon wieder sehen?"
Claude überlegte: "Die richtigen Kräuter und die Zeit den Trank herzustellen fand ich, als wir unser Lager bei den Vila aufschlugen!"
Allister verstand nicht, warum der Druide nichts gesagt hatte, was dieser scheinbar bemerkte.
"In einer Zeit in der Verrat an der Tagesordnung steht ist es besser der Feind hält dich für schwächer, als du bist, nicht wahr, Allister?", der Druide grinste, "Außerdem verhalten sich die Menschen so unglaublich natürlich, wenn sie denken man kann sie nicht sehen! Du solltest einmal Aryas rote Wangen sehen, wenn sie mit mir spricht! Ich sage dir so etwas Schönes habe ich nie bei einer Frau gesehen!"
Allister lachte: "Also hast du auch einen Trank der Amelie heilt?"
Claude seufzte tief: "Nein! Aber vielleicht kann Arya helfen, ich hole sie!"
Er verließ das Zelt und sah, wie Arya gerade mit Shanora sprach, als sie den Druiden entdeckte wurden ihre Wangen augenblicklich rot und Shanora kicherte deswegen.
Claude schmunzelte, wenn sie wüsste, dass er das alles sehen konnte, wie sie begann nervös mit ihren Haaren zu spielen und ihr Herz so laut pochte, dass er jeden Schlag davon wahrnehmen konnte. Wie sie ihre Lippen aufeinander presste um die Fassung zu wahren. Alles Anzeichen dafür, das sie ihn wirklich gerne hatte und anziehend fand.
"Arya!", er versuchte absichtlich seiner Stimme einen besonders verführerischen Klang zu verleihen, "Können wir kurz alleine sprechen?"
Aryas Röte hatte ein neues Maximum erreicht und sie sah ihn mit geweiteten Pupillen an: "Ja... natürlich!"
Shanora ließ die beiden kichernd alleine und Claude zog Arya plötzlich ernst am Arm mit sich, bis niemand mehr in Hörweite war.
"Damals als Deseis von diesem verdammten Vampir angefallen worden ist und ihn das Gift beinahe getötet hat, hast du es geschafft beides in ihm zu vereinen!", begann er leise zu sprechen.
"Ja...", Arya sah ihn völlig verwirrt an, "Aber wie kommst du jetzt darauf! Glaube mir ich wünschte, ich könnte diese Tat rückgängig machen!"
Claude schüttelte den Kopf: "Nein es geht darum, das du es nochmal tun musst!"
Arya war nun vollkommen verstört: "Nochmal? Deseis kann an Vampirgift nicht mehr sterben, er ist doch selbst jetzt zur Hälfte einer!"
Claude schleifte Arya mit sich in das Zelt, in welchem sie sofort einen sehr besorgten Allister und Amelie in einem absolut kritischem Zustand sah.
"Oh nein...", murmelte sie, "Wer hat das getan? War es dieses widerliche Mischwesen, das ich erschaffen habe? Oder diese Ina die du, Allister, angeschleppt hast?"
Allister schüttelte den Kopf: "Keiner von beiden... Delina war bei dem Angriff dabei, aber sie hat kein Wort darüber verloren bis jetzt, nur gestammelt das wir uns davor schützen müssen! Aber sie hat auch viel zu viel Kraft dabei Amelie und sich zu schützen verbraucht, es wird noch dauern, bis sie sich erholt hat!"
Arya sah zwischen allen Anwesenden hin und her: "Ich kann euch nicht helfen... Ich würde es für Amelie sofort tun, aber ich brauchte damals die Macht des Sonnentempels und die der Relikte..."
Claude verstand, die Relikte existieren nicht mehr, damit war Arya nicht mehr in der Lage ein solches Werk zu vollbringen.
"Wo bin ich?", Delina sah sich verwirrt um, es schneite und um sie herum schien sich ein unendlicher Tannenwald zu erstrecken.
"Kannst du es spüren?", sie kannte diese Stimme, jetzt konnte sie auch das Gesicht dazu sehen, die roten Haare und orangenen Augen.
"Wie schön dich zu sehen!", mitten in der verschneiten Landschaft stand Caja, "Seit das verdammte Relikt zerstört ist haben wir diesen Ort... So friedlich und rein..."
Delina sah sie fragend an: "Bin ich tot?"
Caja schüttelte lachend den Kopf: "Nein, aber würde ich noch leben wärst du es! Wie kannst du es wagen meinen Mann zu küssen?"
Delina sah sie verlegen an und kratzte sich am Kopf: "Ach weißt du... Das ist eine lange Geschichte!"
Caja fuhr sich durch die Haare und tanzte durch den Schnee: "Ich weiß... Ich konnte euch sehen von hier aus, ich habe versucht zu verstehen was passiert ist, aber das ist nicht der Grund warum du hier bist!"
Delina war überrascht, wie glücklich Caja in dieser seltsamen Welt wirkte.
"Warum bin ich dann hier?", fragte sie gespannt.
"Du bist hier, weil ich verlangt habe mit dir zu sprechen!", eine gut gekleidete Frau schritt auf sie zu, "Wir kennen uns nicht, ich wurde ermordet noch lange vor deiner Geburt. Ansonsten hättest du mich wahrscheinlich Oma genannt!"
Delina betrachtete sie interessiert, schwarzes Haar und diese Augen, ähnlich wie die von Vincent: "Du bist Talaria Guren, Vincents und Kalisras Mutter!"
Talaria nickte: "Ja, das stimmt. Ich habe einst meinen Mann betrogen, allerdings war er einer der ersten Guren die unsere Mächte auf dunkle Pfade geführt haben. Es gibt so viel das zu wissen musst und wir haben so wenig Zeit!"
Delina würde so gerne alles erfahren, alles über die ursprünglichen Guren und ihre Kräfte. Sie wusste aus Büchern das Hexen und Hexenmeister eigentlich Diener der Natur gewesen waren und immer dafür gesorgt hatten das ein Gleichgewicht der Kräfte herrschte. Das hatte sich vor 3000 Jahren geändert, vor allem die Guren hatten danach finstere Magie der Kraft der Natur vorgezogen. Claude hatte ihr erklärt, dass sie deswegen in der Lage war alle auf Elementen basierenden Fähigkeiten in sich zu tragen, ihr Körper aber das dunkle Relikt abgestoßen hatte.
"Der Druide der mit dir reist, er weiß einiges, aber nicht alles!", Talaria schien genau zu wissen, was sie dachte, "Du hast von den Dunkler Schwestern ein magisches Geschenk erhalten, ein durchaus mächtiges! Aber du kratzt nur an der Oberfläche! Eine Hexe kann zu viel mehr als das, die Elemente geben uns Kraft! Nachts das Wasser und der Wind, am Tag Erde und Feuer, immer im Gleichgewicht! Alles um dich herum, du musst mit der Natur in Einklang kommen und dafür sorgen, dass du lernst. Lernst die Zauber anzuwenden und lernst was es wirklich bedeutet eine Guren zu sein!"
Caja lächelte die sichtlich überforderte Delina an: "Die Relikte sind vernichtet worden, das bedeutet so mancher von euch muss sich nun auf seine natürliche Stärke verlassen. Du selbst hast gemerkt, wie viel Schaden eines dieser Dinger anrichten kann. Wenn Allister dich nicht davon befreit hätte wärst du jetzt in einem ähnlichen Zustand wie..."
"Sprich bitte nicht von meinem Zustand!", zwischen den Tannen trat Kalisra hervor, "Das war einmal, jetzt bin ich wieder vollkommen genesen!"
Delina sah ihre Tante überrascht an: "Du hier? Heißt das mein Vater ist hier?"
"Ja, das bin ich!", hörte sie plötzlich seine Stimme hinter sich, "Und ich werde immer hier sein und auf dich warten, bis eines Tages deine Zeit gekommen ist und wir für immer vereint sind!"
Delina stiegen die Tränen in die Augen, schnell drehte sie sich um und fiel ihrem Vater in die Arme: "Ich habe dich so unglaublich vermisst, Papa!"
Vincent weinte ebenfalls: "Nichts auf der Welt war für mich so schwer wie meine Kinder für immer zu verlassen!"
"Vincent!", Talarias Stimme klang sehr ernst, "Ich verstehe deine Gefühle, mein Sohn! Aber sie darf hier nicht zu lange verweilen! Geben wir ihr unsere besten Wünsche mit sich und hoffen sie nicht zu bald wiederzusehen!"
Vincent nickte und drückte Delina fest an sich: "Wenn du aufwachst, wirst du dich an das alles erinnern. Und du wirst in den Ruinen nach den Tagebüchern meiner Mutter Talaria suchen, sie werden dir helfen!"
Delina nickte und genoss noch einen Moment die Umarmung ihres verstorbenen Vaters: "Ich werde unseren Namen wieder zu altem Glanz verhelfen. Wenn ich wiederkomme, werdet ihr stolz auf mich sein, Vater!"
Vincent lächelte: "Da bin ich sicher!"
Talaria strich Delina sanft über den Kopf: "Ich bin jetzt schon stolz auf dich, Mädchen! Wir werden immer über dich wachen, bis du eines Tages zu uns kommst!"
Kalisra räusperte sich: "Ähm... Es tut mir leid was ich dir und deinen Freunden angetan habe zu meinen Lebzeiten... Ich war nicht mehr ich selbst... Wenn du einmal hier bist, wirst du merken, dass ich nicht immer so schlecht war!"
Delina warf ihr einen milden Blick zu: "Ich verzeihe dir, Tante!"
Caja klopfte ihr auf die Schulter: "Zu Gütig wie immer Delina! Verpass diesem alten Aufreißer eine Kopfnuss von mir!"
Delina lachte und weinte nun gleichzeitig, der Schnee wurde plötzlich dichter und ihr war bewusst, dass es an der Zeit war aufzuwachen.
Sie musste mehr an ihrer Verbindung zur Natur und den Elementen arbeiten, das war ihr nun bewusst.
Delinas Kopf brummte noch ein wenig, ansonsten fühlte sie sich wieder wohl, Finn war die ganze Zeit bei ihr gewesen bis sie eingeschlafen war und diesen seltsamen Traum oder eher diese Vision von ihren Verwandten gehabt hatte. Auch jetzt schien er nicht weit weg zu sein, sie konnte deutlich seine Stimme vor dem Zelt hören.
"Delina schläft...", Finn klang nervös, "Und sie braucht nicht zu wissen was wir wegen dem Ritual gesprochen haben, Claude!"
Delina wurde sofort hellhörig und setzte sich auf, bedacht darauf kein Geräusch zu verursachen.
Claude klang genervt: "Das du wieder einmal bereitwillig dein Leben opfern wolltest, anstatt dich an jemanden zu binden und Shanora deswegen durchgedreht ist und ihre Kräfte überstrapaziert hat? Das erfährt sie spätestens, wenn Shanora aufwacht und dir die Leviten liest!"
Finn klang nun ziemlich kleinlaut: "Ja... ich sage es ihr selbst, vielleicht in einer Version die weniger nach einem ausgeprägten Todeswunsch klingt! Aber jetzt erklär mir einmal, was du eigentlich wolltest!"
Delina erschrak, Claudes Stimme klang plötzlich sehr bedrückt: "Es geht um Amelie, sie wurde vergiftet... Sie wird es wahrscheinlich nicht schaffen, Finn!"
Dieser schien nun extrem aufgebracht zu sein: "Aber wie kann das sein? Was ist passiert und gibt es keine Möglichkeit ihr zu helfen? Für ein Gift gibt es auch immer ein Gegengift, nicht wahr?"
Claude antwortete ihm, hoffnungslos klingend: "Ja aber das Gegengift wäre Blut des Wesens, das ihr diese Bisswunde zugefügt hat! Wie willst du das finden?"
Delina hatte genug gehört, sie schwang sich auf, schlug den Vorhang des Zeltes beiseite und rempelte Finn im Vorbeigehen an.
"Delina... Ich schätze, du hast alles gehört! Was hast du vor?", Finn folgte ihr und versuchte sie an der Schulter festzuhalten.
Delina hielt inne, plötzlich schien sie die Energie von allen Wesen um sich herum wahrnehmen zu können, langsam ging sie in die Hocke und legte ihre Hand auf die Erde.
"Delina?", Finn setzte sich direkt vor sie auf den Boden, "Könntest du aufhören mich zu ignorieren?"
"Natürlich!", Delina nickte und packte seine Hände, "Außerdem werde ich dafür sorgen das Shanora und ich uns in Zukunft weniger um dich sorgen müssen!"