Annys kalte Augen musterten ihr Werk, den zitternden Körper, durch den das tödlichste Gift aller Welten floss. Verursacht durch ihre Hand, ein Loch in seine Brust gerissen, gebrochene Knochen und eine bebende Hand, die versuchte die Blutung zu stoppen, die den Boden vor ihr schon besudelt hatte.
Sie wurde zur Seite geschubst als Finn an ihr vorbeieilte, den durchbohrten Körper daran hinderte hart auf dem frisch getauten Boden aufzuschlagen.
Sie hörte verzweifelte Schreie, die Schreie der Königin, die die Hände vor ihrem Gesicht zusammenschlug, am Boden kauerte und bitterlich weinte.
Sie konnte Deseis weinen sehen, ihren Onkel, er schien kurz davor zu sein ebenfalls zusammenzubrechen.
Anny sah Claude, der die weinende Arya im Arm hielt, beide am Boden sitzend und Korgrim, der die Hand seiner Tochter festhielt und völlig überfordert schien.
Nur Sassy schien immer noch völlig ruhig zu sein, sie schritt langsam an Anny vorbei, der selbst ein Schauer über den Rücken jagte, als sie die bandagierte Priesterin ansah.
Dann wendete sie sich an Delina: "Du musst ihn jetzt ganz festhalten, hörst du? Von diesem Schmerz wird er sich wahrscheinlich niemals erholen!"
Delina, mit Tränen in den Augen nickte, legte vorsichtig ihre Hände auf Finns Schultern, der sich dann auch zitternd in eine Umarmung von ihr ziehen ließ.
"Wow, die Tussis sind ja grauenhaft", der verhüllte Mann neben Finn schien nicht besonders viel von ihnen zu halten.
"Und du bist ... Bah! Hier stinkt es ja widerlich nach...", Sassy hielt sich die Nase zu.
Finn deutete ihr leiser zu sprechen. Hier im Garten waren sie vor möglichen Lauschangriffen nicht sicher. "Nach Dämon", flüsterte er Sassy zu, "Flipp jetzt bloß nicht aus!"
Der verhüllte Mann lachte. Sie konnten unter der Schwärze der Kapuze des langen Mantels nichts ausmachen.
"Finn, sag mir bitte nicht, dass du ... Was zum?", zischte Sassy ihm zu, „Wer ist das?“
"Das ist Church", antwortete Finn, "Ein Dämon aus den Unterlanden. Er kam aus Silberfall hierher und er muss mit Pyrofera reden."
Sessy starrte die beiden misstrauisch an und tauschte einen kurzen Blick mit ihrer Schwester: "Weil? Will er sie töten?" Ihre Stimme klang spöttisch.
Church schnaubte ungehalten: "Ihr stinkt nach Blutsauger. Ihr tötet doch Leute, um sie zu verspeisen! Pack dich an der eigenen Nase, wenn du jemand verachten willst!"
Sassy packte Churchs Arm und zog ihn wieder auf die Beine, während weiter Blut aus seiner Wunde quoll, er sah sie schwach und dankbar an.
"Ich möchte mich für unsere erste Begegnung entschuldigen!", sagte sie dann und lächelte.
Church hustete einen Moment, schien aber durch Sassys Berührung mehr Kraft zu bekommen: "Ich muss mich bei dir entschuldigen! In Wahrheit gibt es kein entkommen vor der Dunkelheit! Wie ich vor vielen Jahren Eva im Turm von Katzus sagte, bevor ich versucht habe sie zu töten!"
Sassy strich ihm, mit verständnisvollem Blick, über die Wange: "Du bist ein Dämon, Church, du bist nicht normal und du warst es auch nie, genau wie dein irrer Bruder! Von dieser Bezeichnung seit ihr beide meilenweit entfernt! Das hat die Frau, die dich danach geliebt hat einmal zu dir gesagt, weißt du noch?"
Church nickte, Tränen stiegen in seine Augen: "Ich habe es versucht, weißt du? Ich habe es mein Leben lang versucht!"
Sassy nickte: "Und du wirst nun nach allem, was war endlich Frieden finden! Nun lass mich dir helfen! Lass es uns zu Ende bringen! Sonst bleibt dir keine Zeit mehr dich zu verabschieden!"
Church nickte und Sassy trat nun hinter ihn, sodass er Anny, die die beiden keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, gegenüberstand.
"Das Opfer eines Lebens, wenn es vom Herrn der Lügen selbst kommt, ist machtvoll!", schwarze Fäden traten aus Churchs Körper und umschlangen sie, "Sie können schwarze Magie aufheben. Du wirst durch mein Opfer in den Zustand vor deiner Verwandlung zurückversetzt! Dieser war... tot so weit ich mich entsinne!"
Anny schrie auf, der Titan in ihr versuchte freizukommen, aber Churchs Opfer war ein hoher Preis gewesen. Sein unsterbliches Leben für die Vernichtung der Magie, die Anny zurückgeholt hatte.
Langsam wurde Annys Körper steif und ihre Haut verfärbte sich, ihr Gesicht fiel ein und ihre Haare aus, bis eine Mumie wie man sie in einem Gletscher erwartete in den schwarzen Fäden hing.
"Halte noch einen Moment durch!", Sassy legte ihm nun beide Hände auf die Schultern, "Du hast es gleich geschafft!"
Church atmete schwer, kämpfte um jeden letzten Atemzug bis auch der Titan, der in Anny gelebt hatte, sein zeitliches segnete.
"Danke... Dass du am Ende an meiner Seite warst!", flüsterte er dann, bevor Sassy die Hände von seinen Schultern nahm und sein Körper zu Boden stürzte.
Church sah sich um, er sah seinen durchbohrten Körper und seine weinenden Freunde, alles war von einem Grauschleier überzogen.
"Du bist noch hier, weil du dich nicht verabschiedet hast!", Sassy sah ihn plötzlich direkt an, "Das machen wir jetzt gemeinsam, in Ordnung?"
Church verstand nun, das er nicht der einzige Geist war, auch Sassy schien bereits tot zu sein.
"Warum ist dir das passiert?", traurig ging er zu ihr, "Warum weiß es niemand?"
Sassy lächelte mild: "Sie brauchen es noch nicht zu wissen, außerdem können sie mich sehen, genau wie die Geister!"
Church sah sich um: "Gibt es mehr Geister hier? Eine eigene Geisterwelt?"
Sassy schüttelte den Kopf: "Meine Aufgabe wird es sein mit dir und jedem verstorbenen Übernatürlichen seine Angelegenheiten zu klären, damit er Frieden findet. Keine Zwischenwelten mehr, nur noch Frieden Church!"
Finn war der erste, der wieder etwas sagte: "Wieso? Warum musste es so enden?"
Seine Augen waren gerötet und aufgequollen und er hielt die Hand seines besten Freundes, die kalte Hand seines Leichnams.
Sassy setzte sich zu ihm auf den Boden: "Church möchte dir noch etwas sagen, euch allen!"
Sie begann mit Finn, der sie ungläubig musterte: "Hör auf so ein Idiot und Hornochse zu sein und arbeite an deinem Kleidungsstil! Du sollst auch aufhören anderen immer ein falsches Bild von dir zu vermitteln, weil du es verdienst von Herzen geliebt und geachtet zu werden, ganz egal wer dein Vater war. Und er wird dich jede Nacht in deinen Träumen heimsuchen, wenn du die Prophezeiung nicht erfüllst! Und du sollst auf Shanora acht geben, aber auch auf Delina!"
Finn schmunzelte, diese Worte konnten nur von Church stammen.
Sassy erhob sich dann und ging zu Delina, die ihren Blick nicht von Churchs totem Körper nehmen konnte.
"Du sollst dich niemals schlecht fühlen für das, was er heute getan hat. Nach allem was passiert ist, war Finn und dich zu retten die beste Entscheidung und der beste Weg für ihn zu gehen. Es tut ihm leid, was er dir angetan hat, er hat versucht dich auf dieselbe Weise zu lieben wie du ihn geliebt hast. Aber er konnte es nicht!"
Delina begann wieder zu weinen: "Bitte sag ihm das ich ihm vergebe und danke für die schönen Tage, die wir zusammen hatten!"
Sassy lächelte und sah neben sich: "Er kann dich hören und ist dir unglaublich dankbar für deine Vergebung!"
Dann wendete sie sich an Deseis: "Bitte höre auf dich zu quälen! Das ist nicht nur sein, sondern auch mein Wunsch, Rabe! Trage diesen Namen nicht als eine Schande, sondern mit stolz in der Zukunft um sie zu verbessern und die Lage im neunten Kreis zu verändern! Du konntest keinen von uns retten, aber es ist nicht deine Schuld! Church ist dankbar für deine Treue und dafür, das du ihn immer beschützt hast!"
Deseis nickte, seine Lippen bebten, bevor auch er wieder zu weinen begann.
Plötzlich schrie Arya auf: "Shanora! Was ist mit ihr? Wir brauchen hier Hilfe! Sie atmet nicht mehr! Ihr Herz, was ist mit ihrem Herzen?"
Shanora selbst konnte nichts sehen, nur Dunkelheit.
"Was einst durch den Dunklen gestohlen wurde, wird wieder zurück zu den Erben des Lichts finden. Die Toten werden den Weg der Gerechtigkeit pflastern, ihr ableben so sinnlos und doch so endgültig. Eine Armee verborgen in der Dunkelheit, wartet auf ihre Erweckung. Die Königin, beschützt von den Schwingen des Drachens, in Vollbesitz ihrer Kräfte, wird befreien, was gefangen gehalten wurde. Der dunkle König, bereit sich der gerechten Sache hingeben, wird ihr zur Seite stehen. So wird das Gleichgewicht der Welten wieder hergestellt!"
Die Prophezeiung, die ihr Eva einst in Allisters Bibliothek mitgeteilt hatte, rauschte durch ihren Kopf, dann sah sie ihn. Neben seinem eigenen Leichnam stehend, sein Blick voller Angst auf ihren Körper gerichtet, der ebenso leblos am Boden lag.
"Shanora!", Church kam bestürzt auf sie zu, "Du darfst nicht hier sein!"
Shanora starrte ihn, dann ihren und seinen leblosen Körper verwirrt an: "Was ist mit mir passiert?", die Schreie ihrer Freunde hallten beinahe klanglos an ihr vorbei, alles schien verzerrt und von einem grauen Schleier überzogen.
Church sah zu ihrem Körper: "Dein Herz... Es ist stehen geblieben... Es war alles zu viel für dich! Aber bitte, du musst kämpfen!"
Shanora war bestürzt, als sie sah, wie Finn ihr verzweifelt eine Herzdruckmassage nach der anderen gab.
Dann aber sah sie wieder zu Church, zu seinem Geist: "Ich weiß jetzt warum du all das getan hast! Gebunden an dein Versprechen an Finn fühltest du dich verpflichtet ihn dazu zu zwingen sein Erbe anzutreten, um deinen Schwur zu erfüllen!"
Church schüttelte sofort den Kopf: "Nein Shanora, glaube mir, ich habe mich nie an diesen Schwur gebunden gefühlt! Sondern an die einzige Person die mir je ohne Vorurteile entgegengetreten ist! Das Mädchen in Ladiras Garten, das auf der Wiese Blumen gepflückt hat und mir einen Strauß brachte, weil sie fand, dass ich traurig aussah!"
Shanora erinnerte sich an den Tag, der Junge in der schwarzen Kutte, kaum älter als Finn selbst, wie er wie ein Hund vor dem Haus hatte warten müssen, weil niemand seine Anwesenheit im Haus geduldet hatte.
Sie hatte ihm lächelnd einen Strauß Wildblumen überreicht, mit ihren zerzausten Haaren und dem geflickten Kleid.
Ihre türkisen Augen füllten sich mit Tränen: "Aber auch ich habe an dir gezweifelt, obwohl du immer mein Freund warst, Church!"
Church wischte ihr eine Träne von der Wange: "Ich hätte trotzdem alles für dich getan, Shanora!"
Überrascht griff sie nach seiner Hand: "Ich kann dich spüren!"
Church nickte lächelnd: "Bitte gib in Zukunft acht darauf nicht in Schwierigkeiten zu geraten, versprichst du mir das?"
Shanora nickte lächelnd: "Ich verspreche es dir, nicht so wie damals in Schwarzwasser, als du mich ständig retten musstest! Ich muss zugeben, das ich damals ziemlich verknallt in dich war, wahrscheinlich war auch das der Grund warum ich nie eine Beziehung führen konnte!"
Church gab ihr einen Kuss auf die Stirn: "Ich habe nie eine Person so geliebt wie dich Shanora, wahrscheinlich waren meine Beziehungen deswegen immer... Naja du weißt ja wie sie geendet haben!"
Shanora sah ihn überrascht an: "Du meinst, ich hätte eine Chance bei dir gehabt?"
Church sah wieder zu ihrem Körper: "Mein Herz... Nimm es! Es gehörte immer dir und so soll es auch bleiben, wenn ich fort bin! Es wird dich beschützen, das Herz eines Schattens ist mächtig!"
Shanora spürte, wie sie zurück in ihren Körper gezogen wurde: "Nein! Bitte ich habe dich gerade erst zurückbekommen! Bitte verlass mich jetzt nicht, es ist zu früh! Ich kann so nicht leben, mit all den Verlusten!"
Church nahm für einen Moment ihre Hand: "Jemand wie ich wäre jemandem wie dir nie gerecht geworden, Shanora! Ich bitte dich, falls du wirklich für mich geschwärmt hast, das zu vergessen. Ich wünsche mir für dich das du einen guten Mann findest, eine Familie gründest und unglaublich glücklich wirst! Meine kleine Königin. Mein Lebensinhalt... Meine kleine Shan..."
Shanora spürte, wie er ihre Hand losließ: "Nein! Bitte! Bitte nicht!"
"Sie atmet wieder!", Finns Stimme bebte, klang aber erleichtert.
Sassy nickte: "Es ist vorbei, er hat seinen Frieden gefunden! Atmet einen Moment durch, seid euch, aber bewusst, dass es nicht vorbei ist!"
"Was meinst du damit, Mumienfrau?", Korgrim musterte sie argwöhnisch.
Sassy sah zu Finn: "Du weißt, was du zu tun hast! Beendet es, stellt das Gleichgewicht wieder her, damit niemand mehr sein Leben lassen muss!"
Shanora öffnete langsam die Augen und sah Sassy traurig an: "Auch du bist nicht wirklich hier, oder?"
Alle Blicke ruhten nun, fragend und bangend, auf Shanora, deren Augen sich wieder mit Tränen füllten: "Als ich auf der anderen Seite war, alles war verzerrt und vor einem Schleier überlagert, nur Churchs Geist nicht. Und du!"
Sassy schloss für einen Moment die Augen und seufzte tief: "Du hast recht, Shanora! Ihr könnt mich nur sehen, weil die Götter mit mir versuchen das Gleichgewicht wiederherzustellen! Er hat mich getötet, aber ich konnte unsere Freunde in Elensar in Sicherheit bringen, an einen Ort den er nicht betreten kann!"