„Komm schon, Belle, wach auf!“, sagte eine Stimme irgendwo über mir.
Was war passiert? Ich hatte irgendetwas geträumt von meinem Prinzen … aber er war nicht gekommen … es war ein Albtraum gewesen.
„Belle?“
Ich schlug meine Lider auf. Meine wunderbaren langen Wimpern flackerten vor meinem Blickfeld. Dann konnte ich nach und nach die Konturen meines Vaters erkennen, der sich über mich beugte.
„Daaad …“, sagte ich schwach. Meine Stimme klang wahrhaft leidvoll, ich erschrak sehr. Vorsichtig richtete ich mich auf. „Was ist passiert?“
Dad lehnte sich zurück und seufzte. Ich lag auf meinem Bett, wie ich jetzt merkte, und er saß auf einem Stuhl vor mir. Es war der Stuhl, auf dem ich so malerisch gesessen hatte. Ich hatte auf IHN gewartet …
„Du bist umgefallen, als Eddy dir gesagt hat, dass er dich heiraten will. Anscheinend hast du ihm da was versprochen.“ Er seufzte tief und schüttelte den Kopf. „Ehrlich, Belle, was ist das wieder für ein Blödsinn? Ich dachte, du wolltest auf einen Prinzen warten?“
„Habe ich ja auch.“ Alles stürmte wieder auf mich ein. Mein Traumprinz und dann Eddy und dann das Entsetzen.
Ich schluckte. „Ich habe gerade auf ihn gewartet, als Eddy kam.“
„Wie kommt der Junge auf die Idee, dass ihr heiratet?“, fragte mein Vater. Seine Stimme wurde lauter.
„Ich weiß es nicht. Ich habe ihm nicht richtig zugehört und habe immer nur Ja gesagt. Daad, der Kerl ist nicht ganz dicht“ – du ja übrigens auch nicht – „Er hat mir die ganze Zeit nur erzählt, wie viel zwei plus zwei ist, damit kann ich mich doch nicht ernsthaft beschäftigen, ich habe doch anderes zu tun. Woher hätte ich wissen sollen, dass er auf einmal so was fragt?“ Ich fing an, ergreifend zu schluchzen.
Dad seufzte genervt. „Hör mal, Belle, ich weiß, dass dieser Typ nicht ganz dicht ist. Aber dir ist schon klar, dass er dich gar nicht so heiraten darf, ja? Du bist immer noch minderjährig.“
Oh ja. Ich war gar nicht mehr dazugekommen, Dad zu entmündigen und mich zu emanzipieren. Außerdem hatte ich bei der Hochzeit ja auch ein Mitspracherecht. Trotzdem …
„Daad, er wird mich stalken, ich weiß es! Ich habe das schon so oft erlebt, dass ich heimlich beobachtet und gefilmt werde, ich kann es nicht mehr ertragen!“
„Eddy scheint etwas … nun ja ... nicht besonders intelligent zu sein, immerhin hat er mir erzählt, dass er ein Troll sei, aber ich glaube nicht, dass er gefährlich ist …“
Ich krallte mich in sein Hemd. „Oh bitte, bitte, Daad, ich brauche Polizeischutz. Ich kann nicht mehr in die Schule gehen. Er wird mich zur Hochzeit zwingen.“
----------
Mein Vater ließ sich nicht erweichen. Er schickte mich in die Schule trotz der Gefahren. Er sagte nur, ich solle mich an die Lehrer wenden, wenn mich Eddy doch belästigen würde, und gab mir sein uraltes Handy, damit ich im Notfall anrufen konnte. Dieses Handy hatte nicht einmal Internetzugang. Eddy werde mir schon nichts tun, ich solle vielleicht versuchen, ihm aus dem Weg zu gehen. Der hatte ja keine Ahnung. Eddy verfolgte mich und das schon von Anfang an. Ich hatte es nur nicht verstanden, dass er mich stalkte. Das hatte ich nun wieder mal davon, dass ich so schön war. Aber dann fiel mir mein Traumprinz ein. Offensichtlich hatte er meine Nachricht noch nicht gelesen, aber es konnte doch nicht mehr lange dauern, bis er mich bemerkte. Spätestens, wenn Eddy mich entführen oder vergewaltigen würde, würde er mich doch retten.
Sollte ich mich an Mrs Gartenzwerg wenden? Sie hasste mich. Wahrscheinlich würde es sie freuen, wenn mich jemand umbrächte. Aber so leicht ließ ich mich nicht umbringen. Ich war schließlich nicht irgendwer, sondern Grazielle Anastasia Belle Amelie Aurelia Mary Rose Sue de Cygne von Undzu.
Wie erwartet, stand Eddy schon am Schultor.
„Daad“, klagte ich. „Er steht schon da.“
Dad seufzte. „Also gut, wenn es dich beruhigt, rede ich kurz mit ihm.“
Eddy strahlte, als wir auf ihn zukamen. „Alles wieder gut, Belle?“, fragte er.
„Ähm, Eddy“, fing mein Vater an. „Hör mal, ich weiß, du meinst es gut mit Belle. Aber sie ... na ja, sie will eben noch nicht heiraten. Verstehst du das?“
„Aber sie hat mir gestern gesagt, dass wir heiraten. Und ich will sie echt voll gerne heiraten.“
Dad lächelte. „Ja, das ist auch ganz lieb von dir. Aber sie hat ihre Meinung geändert. Sie ist noch nicht so weit. Sieh mal, sie ist ja noch nicht mal volljährig und ihr habt doch beide euren Schulabschluss noch nicht.“
„Ja, aber wir brauchen doch keinen. Wenn ich eine Frau finde, darf ich König der Trolle werden. Und sie wird meine Königin. Das steht alles so im Superschlauen Buch der Superschlauen Sprüche.“
Dad wirkte langsam auch etwas verzweifelt. „Äh ja, Eddy. Lass ihr noch ein bisschen Zeit, ja?“
„Oh. Klar, mach ich.“
„Siehst du. Guter Junge.“ Er lächelte mir aufmunternd zu und ließ mich dann jämmerlich im Stich, indem er sich einfach ins Auto setzte und wegfuhr.
Eddy grinste mich aus seinen Zahnlücken unheilvoll an. „Wir können ja noch warten. Morgen geht auch noch.“
------------
Eddy ließ sich nicht ganz abwimmeln, aber immerhin machte er keinen Entführungsversuch. Trotzdem sah ich mich die ganz Zeit nach meinem Traumprinzen um. Ich hatte immerhin noch Haarnadeln und Haarspray, um mich zu wehren. In der Pause schloss ich mich in einer Toilette ein. Es stank immer noch nach Rauch und Urin, aber wenigstens war ich sicher. Seufzend ließ ich mich auf die Toilettenbrille sinken und packte meine Schminksachen aus. Ich sah in meinen Spiegel und sah das Elend, von dem ich gezeichnet war. Und da – war da hinten nicht ER?
Inmitten des Gestanks glaubte ich plötzlich einen wunderbaren Duft zu riechen.
Mein Herz setzte aus vor Glück, als ich mich zu Ihm umwandte –
– und dann wurde mir schwarz vor den Augen.