»I ain't gonna be just a Face in the Crowd – You gonna hear my Voice, when I shout it out loud!« ~ It's my Life, Bon Jovi
„Fuck“, stieß es aus ihr hervor. Sie hatte den Fehler gemacht, in die schwindelerregende Tiefe unter ihr zu sehen. Die Klippe erschien ihr tausende von Metern hoch.
„Nicht nach unten sehen“, kam es hilfreich von Henry, der über ihr bereits den oberen Teil der Klippe erreicht hatte.
Grimmig richtete Foxy ihren Blick wieder auf den rötlichen Lehm, in den sie ihre Finger gegraben hatte. Ihr Atem ging flach und schnell. Jetzt war es zu spät für Henrys Ratschläge. Wütend knurrend überwand sie sich, den nächsten Arm auszustrecken und sich noch ein bisschen höher zu ziehen.
„Du schaffst das“, erklang Henrys Stimme, dann etwas weniger freundlich: „Sonst verhungere ich hier oben noch!“
Foxy verbiss sich einen weiteren Fluch. Sie brauchte die Luft zum Atmen. Stückchen um Stückchen zog sie sich höher, keuchend und schweißbedeckt vor Angst.
Endlich schloss sich Henrys breite, weiche Hand um ihren Unterarm und er zog sie nach oben auf himmlischen, ebenen Boden.
Lange Zeit lag Foxy mit rasendem Herzen im weichen Gras und bestaunte den azurblauen Himmel, an dem kleine Wolken vorüber trieben, erstaunt darüber, dass sie noch lebte. Ihr Sturz in die Tiefe war ihr so wahrscheinlich vorgekommen, dass sie schon die Luft in ihren Ohren hatte rauschen hören. So lebendig, als sei sie schon einmal in die Tiefe gestürzt.
Henry machte keine Anstalten, weiter zu gehen, sondern jammerte nur leise darüber, dass er Hunger hatte. Schließlich stand Foxy auf, reichte dem plumpen Mann eine Hand, um ihm aufzuhelfen und sah sich dann um.
Sie hatten einen kleinen Hügel erklommen, um eine bessere Sicht zu haben. Nach dem Angriff hatten sie beide schnell zum Lager zurückgefunden, doch von dem Rest ihrer Truppe war keine Spur zu finden gewesen. Nachdem Henry ihren Vorrat an Beeren vernichtet hatte, waren sie zum Aufbruch gezwungen gewesen.
Foxy hatte schließlich den Vorschlag gemacht, einen höher gelegenen Ort zu suchen, um ihre Chancen zu verbessern. Sie hatte nicht bedacht, dass sie dazu klettern mussten. Jetzt bereute sie ihre Entscheidung.
Zu zweit krochen sie den Berg hinauf. Zum Glück ging es häufig nur sanft bergan, über grüne Wiesen und manchmal durch einen kleinen Wald gedrungener, breiter Bäume. Bevor es Abend wurde, erreichten sie den Gipfel und fanden dort auch eine kleine Höhle, in der sie sich ausruhen wollten.
„Ich weiß nicht, wie sicher wir hier sind“, meinte Foxy: „Wir sollten Wache halten.“
„Ich übernehme die erste“, bot Henry mit einer leichten Verbeugung an und Foxy nickte nur dankbar, zu erschöpft von der Klettertour, um viel zu reden.
„Weck mich, wenn du müde wirst“, meinte sie noch und kroch in die kleine Höhle, wo sie bald von der Müdigkeit überwältigt wurde.
Foxy wachte am nächsten Tag davon auf, dass die Sonnenstrahlen sie kitzelten. Sie setzte sich auf und kroch mit steifen Gliedern aus der Höhle. Sie bekam einen Muskelkater, das spürte sie deutlich. Während sie sich mit den Fingern kleine Blätter aus den langen Haaren kämmte, suchte sie Henry, um ihm zu danken.
Sie fand Henry nicht weit entfernt, schlafend und eine Handvoll dunkler Beeren neben sich. Entgeistert starrte Foxy auf den dicken, kleinen Mann,d er selig schnarchte.
„Henry! Henry, verdammte Scheiße, was tust du da?“
Sie rüttelte ihn und er kam benommen hoch. „Hatthungr“, murmelte er undeutlich.
„Du kannst doch nicht einfach einschlafen! Was, wenn uns etwas gefressen hätte?“
Völlig außer sich gab sie ihm zwei Ohrfeigen, bis sein Blick endlich klar wurde.
„Tschuldigung.“
Foxy seufzte und streckte sich.
Dabei fiel ihr etwas ins Auge, ein fernes Aufblitzen von etwas Hellem.
Sie sah genauer hin und hielt die Luft ein.
Ein Feuer! Auf einem Berghang in einiger Entfernung konnte sie deutlich die herunter brennenden Reste eines großen Feuers entdecken.
„Henry!“
„Was?“
„Da!“
Er schielte hinüber. Foxy deutete aufgeregt auf den Lichtschein: „Ich habe die anderen gefunden!“
Es konnte Niemanden sonst geben, der ein Feuer anzündete, oder? Vor Aufregung vergaß Foxy die Kälte und ihre verknoteten Muskeln. Ein Zeichen! Sie würden die Gruppe wiederfinden.
Dann fiel ihr auf, dass zwischen jenem Berg und diesem ein tiefes Tal lag.
„Verflucht.“
„Was hast du jetzt schon wieder?“
„Wir müssen klettern“, seufzte Foxy, und die Kälte war wieder da.
Nach einer gefühlten Ewigkeit von zwei langen Tagen, in denen sie nur wenige Beeren gegessen und etwas Wasser getrunken hatten und einmal einer Gruppe seltsamer, scheuer Wesen auf vier Beinen begegnet waren, standen sie endlich am Fuß des hohen Berges, der sich den ganzen Tag über unmerklich näher geschoben hatte. Foxy war beinahe überrascht, dass sie endlich angekommen waren. Zwischenzeitlich war es ihr so vorgekommen, als würde sie nicht von der Stelle kommen. Doch nun hob sich der Boden vor ihr an. Sie hatte sogar eine Klippe entdeckt, auf der sich die Anderen befinden könnten. Es war jedoch zu dunkel, um das genau zu sagen.
„Müssen wir da heute noch hoch?“, fragte Henry wehleidig.
Foxy stöhnte: „Wir können uns auch hier unten fressen lassen.“
Ihr Tonfall war giftig, weshalb Henry endlich die Klappe hielt. Foxy war gereizt, was nur zum Teil an dem Aufstieg lag, den sie zu bewältigen hatte – noch dazu im Dunkeln.
Sie war auch müde und genervt von Henrys Jammerei. Grimmig kletterte sie voraus, während jeder Muskeln ihr laut schmerzend zu verstehen gab, dass ihm diese Idee überhaupt nicht gefiel.
Als sie knapp unterhalb der Klippe war, fand Foxy einen schmalen Pfad, zog sich hinauf und rollte sich auf den Rücken. Sie hörte Henry, der sich neben ihr abmühte, zu ihr zu kommen. Aber sie war zu müde, um ihm groß zu helfen.
„Du schaffst das!“, murmelte sie mit einem erschöpften Lächeln.
Henry schnaubte und wuchtete sich endlich auf den Weg neben ihr. Die Nacht war kalt, und so schweißbedeckt, wie sie waren, zitterten sie heftig.
Schritte knirschten auf dem Weg. Foxy sah müde auf und erkannte eine hohe Gestalt, Beine und Arme. Es war ein Mensch, doch wer genau, sah sie nicht mehr. Ihr fielen die Augen zu.