Zunächst einmal möchte ich für das Video der Kassette die Theorie aufstellen, dass die gezeigten Bilder nicht dem entsprechen, was die weißen Personen darin sehen. Zwar sitze ich persönlich mindestens genauso gebannt vor dem Bildschirm, wenn ich mir ein Musikvideo angucke, dennoch wage ich es sehr zu bezweifeln, dass die Band sich mit dem gesamten Video selbst verherrlichen will. Wir können also davon ausgehen, dass die Protagonisten in dem Video nicht das hören und sehen, was wir wahrnehmen. Vielleicht ist es ein Erfahrungsbericht, ein Festhalten von Ereignissen, ein Videotagebuch, oder eine Dokumentation über Buckelwale. Der Zuschauer kann hier selbst eine eigene Überlegung hineinlegen. Für eine direkte Interpretation gibt es sehr wenig Inhalt und das, was es gibt, hat wahrscheinlich eher ästhetischen Hintergrund. Da ich so nah wie möglich an den Gegebenheiten dran bleiben will, werde ich dieses Video also maßlos überinterpretieren.
Wie bereits erwähnt, spielen sich beide Szenen im selben Raum ab. In beiden Szenarien ist das Licht hell und weiß, doch in dem Video der Kassette scheint alles von grauen Schleiern durchzogen zu sein; Seien es die schwarz gekleideten Musiker oder die Störungen in Ton und Bild. Da man Schwarz und Weiß als grundsätzlichen Gegensatz zueinander verstehen kann, der im äußeren Video zusätzlich unterstrichen wird, kann man die Durchmischung dieser Farben als Mischung dieser Gegensätze verstehen. Daraus kann man schlussfolgern, dass das Video in einer Zeit des Umbruchs aufgenommen worden ist, in einer Zeit, in der nicht klar war, was gut und böse ist, wer wissend ist und wer nicht, wer im Recht und wer im Unrecht ist.
Durch die Ausrichtung der Fernseher ist es fast, als würde/n die Person/en auf dem Bildschirm virtuell vor den zwei Hauptfiguren stehen. Dadurch wird das Video zu einer aktiv handelnden Komponente, die durch Perspektivwechsel aus dem Fernseher herausbricht und direkt zu den Protagonisten spricht, wie in Videotagebüchern oder Dokumentationen, in denen die vierte Wand durchbrochen wird. Dieser Eindruck wird verstärkt, indem die ersten Einstellungen das Gesicht des Sängers frontal und dicht am Bildschirm zeigen.
Die Outfits der Bandmitglieder sind wieder in striktem Schwarz-Weiß-Muster. Alle tragen sie schwarze Kleidung, sodass sie vor dem grellen Licht im Hintergrund eher wirken wie flüchtige Silhouetten. Nur im Gesicht sind auch weiße Elemente vorhanden, die bei jedem Bandmitglied unterschiedlich ausfallen.
Die Stirn des Sängers, der am präsentesten auftritt, ist so bemalt, dass sie ein wenig aussieht, als würde sie vor einem schwarzen Hintergrund strahlen, während der Rest des Gesichtes weiß belassen ist. In den schwarzen Pupillen befinden sich weiße Kreuze. Zudem trägt er ebenfalls metallenen Ring am rechten und ein hängendes Kreuz am linken Ohr. Seine Funktion des Erzählers wird durch sein Aussehen unterstützt: Die Strahlen auf der Stirn stehen dafür, dass er "Licht ins Dunkel" bringt. Gleichzeitig hat er Kreuze in den Augen, was bedeuten könnte, dass er nichts sieht, dass sein wichtigstes Sinnesorgan fehlt und ihm dadurch einige Informationen fehlen. Der Sänger steht zusammengefasst also für den Erzähler seiner eigenen subjektiven Wahrnehmung.
Das Makeup des Keyboarders erinnert ein wenig an einen Totenschädel: Ab den Wangenknochen ist abwärts alles Schwarz, außer der Mundparie. Auch die Augen sind dunkel hinterlegt. Daher kann man ihn direkt als Sinnbild für den Tod sehen, für die Vergänglichkeit, für das Sterben.
Unterstützt wird dies von dem Bassisten. Seine Augen sind schwarz unterlegt, ebenso Mund- und Kinnpartie. Zudem ist der Haaransatz durch schwarze Farbe weiter betont. Dieses Make-up erinnert an ein vor Schrecken verzerrtes Gesicht, das in einer schrecklichen Situation fast nicht mehr als solches zu erkennen ist. Ein bisschen wie bei dem "Schrei" von Edvard Munch.
Das Gesicht des Drummers ist in der Mitte vertikal aufgeteilt: Die von ihm aus gesehen linke Hälfte ist schwarz, die andere vollständig weiß. Das könnte für eine klar Abgrenzung und Aufteilung stehen, wie zum Beispiel der Unterschied zwischen Arm und Reich, Leben und Tod, Krank und Gesund. Diese Liste könnte man jetzt unendlich fortführen, allerdings möchte ich darauf hinaus, dass diese Aufteilung für ein striktes Schwarz-Weiß-Denken und -Leben steht.
Der Kreis dieser Aufzählung wird durch den Gitarristen geschlossen, wessen Gesicht ab den Augenbrauen abwärts schwarz ist. Durchbrochen wird dies von einigen schmalen Linien, die sich über den Nasenrücken, vertikal über das Kinn und horizontal von einem Ohr zum anderen ziehen, wodurch sich ein Kreuz in der Mitte bildet. Hierfür sind mindestens zwei Interpretationen möglich: Einmal die Durchkreuzung gerader Pläne, das Aufeinandertreffen von Lebenswegen oder aber eine Art Aufstieg ins Licht.
Die Gesichter der Bandmitglieder bleiben allerdings, mit Ausnahme vom Sänger, vorerst verborgen. Das kann damit gleichgesetzt werden, dass zu Anfang noch unklar ist, welche Thematik das Video hat und welche Konsequenzen daraus resultieren. Das erste klare Bild bekommen wir von dem Gitarristen, schnell gefolgt von dem Bassisten. Mit der bisherigen Interpretation bedeutet das soviel wie einen schnellen Aufstieg, der für viel Schrecken sorgt. Das scheint die erste signifikante Erkenntnis zu sein, denn danach verwandeln sich alle Musiker wieder in Silhouetten. (Dafür ist das aber auch der erste Moment, in dem wir eine emotionale Reaktion der Betrachter feststellen können.) Erst im Refrain ändert sich auch die Stimmung der Bilder: Der Hintergrund des Sängers springt von schwarz zu weiß-blau, alle Musiker werden zusammen gezeigt und alle Themen aus hell und dunkel, Silhouette und klare Gestalt, Nahaufnahmen und Ganzkörperportraits, Gruppen- und Einzelaufnehmen, leerer Boden und umherliegende Gegenstände springen umher. Zudem ist auch in den Gesichtern der Betrachter eine deutliche Erleichterung zu erkennen. Während man nun noch alle Bilder einzeln gut erkennen kann, folgen in dem kurzen Musik-Teil nach dem Refrain so viele Bilder aufeinander, dass sich kaum noch sagen lässt, was noch zu der Videokassette selbst gehört und was sich außerhalb von ihr abspielt. Unter anderem liegt das daran, dass die Musiker aus ungewohnten Perspektiven gezeigt werden, wie zum Beispiel der Drummer fast von direkt oben, sodass man kaum sein Gesicht erkennen kann, oder der Bassist, von dem man gerade mal das Bild eines unscharfen, gekrümmten Rückens bekommt. All das löst im Betrachter eine Art Verunsicherung aus, was gewiss auch die Zuschauer der Videokassette in diesem Moment empfinden: Gerade noch beobachten sie eine emotional aufwühlende Berichterstattung, und nun werden sie mit Gewehren bedroht. Während im äußeren Video daraufhin alles in Zeitlupe gezeigt wird, ist der Bildschirm des Fernsehers schwarz. Vermutlich einfach nur aus dem Grund, dass gerade keine Musik spielt und man sich erlaubt hat, dadurch der Szenerie die Zeit zu geben, die sie braucht, wie ich bereits erläuterte. Danach meldet sich das innere Video mit einigen Störbildern zurück und wir sehen wieder den Sänger in genau demselben Ausschnitt wie am Anfang. Jetzt, in der zweiten Strophe, werden auch alle anderen Musiker deutlich gezeigt. Silhouetten sieht man nur noch in einer Bandaufnahme und bei dem Drummer. Man kann daher davon ausgehen, dass die klare Aufteilung, für die der Schlagzeuger steht, wortwörtlich in den Schatten gerückt ist. Auch der Sänger ist teilweise nicht sehr viel mehr als eine Silhouette, was ein kleiner Hinweis darauf sein könnte, dass auch das, was er erzählt, nicht ganz klar und verständlich ist.
Kurz bevor die Maskierten beginnen zu schießen, wird noch einmal der Sänger en face gezeigt. Der Hintergrund wechselt bei ihm schlagartig von weiß auf schwarz. Die gesamte Szenerie wirkt wie die altbekannte Ruhe vor dem Sturm. Der bereits erläuterten Analogie zufolge könnte dieser Farbwechsel den plötzlichen Übergang von Wissen zu Unwissen bedeuten (in dem Falle, weil es durch immense Gewalteinwirkung zerstört wird). In diesem Kontext wirkt es aber sinnvoller, dass das Weiß-Schwarz als altbekannte Metapher für gut-schlecht, schön-hässlich, Leben-Tod steht. Eventuell nimmt das Video hier eher zufällig Bezug auf die äußere Handlung, vielleicht verschmelzen an dieser Stelle aber auch beide Szenarien.
In den restlichen Einzelaufnahmen der Musiker sind die Gegenstände zu erkennen, die nun auch im äußeren Video im Detail gezeigt werden. Es folgen deutlichere Aufnahmen der einzelnen Musiker, wie sie als Gruppe zusammen spielen, bevor das Video mit einer Silhouettenaufnahme der Band endet. Danach nehmen die uniformierten Männer ihre Masken ab, wodurch sich der Kreis gewissermaßen schließt. Der letzten Aufnahme zufolge ist nun wieder alles genauso unklar wie zu Anfang.