Mitten im Schlaf wachte ich irgendwie auf. Ich schlug meine müden Augen auf und rieb den Schlaf aus ihnen heraus, um Uhrzeit auf meinem Wecker erkennen zu können. Kurz nach Mitternacht. Stöhnen warf ich mich auf die andere Seite, vergrub mein Gesicht bis zu Nase unter der Decke und schloss die Augen. Ich hasste Nächte, in denen man einfach so aufwachte. Leider Gottes suchten mich solche Momente viel öfter, als nötig, heim. Ich Glückspilz. Bei dem Versuch weiterzuschlafen merkte ich, wie mein Hals immer trockener wurde, jedoch hatte ich gar keine Lust, mein kuscheliges Bett zu verlassen, nur um dann die Treppen, in die Küche, herunterzusteigen. Ich blieb einfach liegen und hielt die Augen demonstrativ geschlossen, doch das Kratzen in meinem Hals wurde immer heftiger. Warum musste ich auch mitten in der Nach Durst kriegen? Genervt von mir selbst schlug ich meine Decke zurück und setzte mich an den Bettrand, meine Augen waren immer noch geschlossen. Meine wilden Haare kitzelten meine Nase, als ich mit Schwung aufstand und sie mir ins Gesicht geschleudert wurden. Grummelnd strich ich mir das Vogelnest hinter die Ohren. Vorsichtig tastete ich mich voran zum Türrahmen und trat in den leeren Flur. Am Bad hielt ich an und ging, ohne zu überlegen, dort etwas trinken. Ich wollte eh nur Wasser, da musste ich mir nicht den langen Weg zur Küche antun. Nachdem ich meine Kehle wieder angefeuchtet und den Durst endlich gelöscht hatte, verlor ich keine Zeit und ging schnell wieder ins Bett. Als ich unter der dicken Daunendecke lag, stöhnte ich wohlig auf. Ach, ich liebte mein Bett einfach. So flauschig und warm. Ich war kurz davor, wieder ins Land der Träume einzutauchen, Mein Körper entspannte sich von Sekunde zu Sekunde mehr, als ich plötzlich anfing, komisch zu fühlen. Mein Magen fühlte sich so… komisch leer an. Ich drehte mich von der Seite auf den Rücken, in der Hoffnung, eine andere Position würde es besser machen, aber es wurde stattdessen immer mehr. Verwirrt legte ich meine Hände auf den Bauch und rekelte meine Schultern. Vielleicht hätte ich nicht zwei Becher Wasser auf einmal trinken sollen. Mit Atemübungen versuchte ich das Gefühl weg zu atmen, doch es wurde immer intensiver. Warum kann das jetzt so plötzlich?
Plötzlich kam ein Gefühl der Schwerelosigkeit in mir hoch. Ich riss die Augen auf und atmete laut durch den Mund. Es war, als würde ich in der Luft schweben, aber trotzdem mit den Füßen am Boden bleiben. So, als wenn ich einen Fahrstuhl herunterfahren würde, nur viel intensiver. Ich drehte mich von einer Seite zur anderen, um das Gefühl abzuschütteln, doch es blieb. Wurde ich krank? Wenn ja, wäre es bestimmt etwas ganz Neues, denn so, wie jetzt, hatte ich mich noch nie gefühlt. Weder im kranken, noch im gesunden Zustand. Auf einmal fühlte ich mich so, als wäre ich eine Feder im Wind. Als hätte ich keine Organe, keine Gliedmaßen, nichts mehr, was mich wie ein Mensch fühlen ließ. Ich atmete laut ein und aus, so langsam bekam ich Panik. Meine Augen kniff ich nun zusammen, ich hatte Angst, dass, wenn ich sie weiter offenhielt, ich etwas sehen würde, was mir gar nicht gefiel. Keine Ahnung was.
Als es sich so anfühlte, als ob ich wirklich nichts mehr an oder in mir hatte, als wäre ich eine leere Hülle, begann ich zu zittern und hoffte so sehr, dass es gleich wieder vorbei wäre. Mein Kopf schien nur noch aus Luft zu bestehen, genau wie mein Magen. Der einzige Beweis, dass ich noch lebte, war mein rasender Herzschlag und das Geräusch meines schnellen Atems in meinem Ohr, ansonsten kam es mir so vor, als wäre ich nur noch Luft. Buchstäblich. Als ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer werden, bekam ich plötzlich Schnappatmung, da ich plötzlich dachte, mein Körper würde in der Luft schweben. Ich merkte ganz deutlich die Matratze unter mir und doch fühlte ich mich, als wäre ich in der Luft. Das Gefühl nahm immer mehr zu.
Und dann war es vorbei. Auf einmal kam ich mir wie ein Stein vor, der auf den Meeresgrund aufschlug. Durch den plötzlichen Wechsel wurde mir schwindlig und ich tastete nach meiner Stirn. Mein Hirn konnte ich nun doppelt und dreifach spüren, da es gegen meinen Kopf hämmerte, als wolle es herausspringen. Und so leer sich mein Magen noch vor einigen Sekunden angefühlt hatte, so fühlte es sich jetzt an, als hätte ich eine ganze Pizzeria leergefuttert. Plötzlich war ich so unglaublich müde, mein Körper fühlte sich bleischwer an und kurzerhand schlief ich einfach ein.
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„Schnell Mädels. Sie muss im Hof sein, bevor sie aufwacht.“
„Das wissen wir, jetzt hör auf, uns ständig alle zwei Minuten daran zu erinnern!“
Als ich wieder einigermaßen zu Sinnen kam, hörte ich leise verschwommene Stimmen, als wäre ich unter Wasser. Mein Körper fühlte sich taub an, ich konnte nur meinen Atem spüren. Alles, was ich aus meinem Umfeld wahr ahm, war, dass ich nicht alleine war.
„Uhm Leute? Sicher, dass die Portion ausreicht hat? Sie wird immer schwerer.“
Meine Ohren wurden immer wacher und mein Verstand klarer. Doch meine Augenlider waren noch zu schwer, um sie zu öffnen. Ich fühlte mich, als würde ich aus einem langen Schlaf erwachen. Nach und nach spürte ich, wie meine Gliedmaßen wieder aufwachten, doch bewegen war viel zu anstrengend. Als ich versuchen wollte, meine Augen einen Spalt weit zu öffnen, nahm ich wieder Stimmen war, von allen Seiten. Und ich konnte nicht sagen, warum, aber irgendwoher kamen sie mir bekannt vor.
„Mehr konnten wir eh nicht geben, sonst haben wir nicht genug.“
„Das wird schon reichen, wir müssen uns nur beeilen. Wir müssen nur hoffen, dass sie weiter ohnmächtig bleibt.“
„Jetzt seit ruhig, ihr weckt sie noch auf!“
„Du bist doch hier die ganze Zeit so laut.“
„Pscht!“
Plötzlich war ich wieder voll da. Es war, als wäre ich vom Blitz getroffen worden. Ich öffnete meine Augen und sah, wenn auch noch verschwommen, einen strahlend blauen Himmel. Einzelne Wolken zogen sich daran entlang und die Sonne strahlte auf mich herab. Mein Blick glitt zur Seite, wo ich die Stimmen vermutete. Trotz meiner schlechten Sicht sah ich einen kleinen, gelben Punkt neben mir, der meinen Arm hielt. Er stand still da und bewegte sich nicht, so vermutete ich es jedenfalls. Als ich mich jedoch auf den Hintergrund fokussierte, blieb mein Herz fast stehen. Er bewegte sich! Was zu Teufel?
Ich wartete ungeduldig, bis sich meine Augen wieder gänzlich an das helle Licht gewöhnt hatten und erkannte dann Bäume, Blumen und Äste in allem erdenklichen Farben und Formen, die an uns vorbeizogen. Doch sie sahen komisch aus. So perfekt und so strahlend.
„Oh oh, Mädels, ich glaube, sie ist wach“, hörte ich eine hohe Stimme sagen. Sie gehörte eindeutig auch zu einem Mädchen und kam von meinen Füßen aus. Ich konnte den Kopf nicht heben, um zu schauen, was es war, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Vorbeiziehende Landschaften, trotz dessen, dass ich mich nicht bewegte, ich fühlte keinen Untergrund unter mir…
Ich flog!
Mein Blick entglitt mir und geschockt weitete ich die Augen. Ich sah genauer an mir herab und stutzte. Überall auf meinem Oberkörper war ein gelblicher Stab verstreut.
„Ja, sie ist wach, wir müsse uns beeilen!“ reif eine weitere Mädchenstimme, nun neben mir. Auch diese kam mir bekannt vor. Ich hob ruckartig den Kopf.
Ich schrie auf, so laut, dass ich von allen Seiten ebenfalls Schreie hörte und fiel dann, mit dem Rücken voran, auf den Boden. Ich ätzte auf, setzte mich hin und bog mein Rückgrat nach hinten. Das hatte ordentlich geknackt. Mit der anderen Hand stützte ich mich seitlich ab und bemerkte weiches Gras unter meiner Handfläche.
Mein Blick wanderte durch die Gegend. Ich suche nach etwas, was zu den Stimmen von vorhin gehören könnte, aber egal, wo ich hinsah waren Bäume, in allen Arten und Farben, die um mich herumstanden. Das Gras war leuchtend Grün und die Blumen schienen sich in voller Pracht zu entfalten. Jedoch war etwa seltsam. Das alles sah so merkwürdig perfekt aus. Ich kroch auf eine Blume mit orangenen Blüten zu. Das war die schönste Blume, die ich je gesehen hatte. Das leuchtende, makellose Orange und das sommerliche Grün des Stängels hatten etwas so Verzauberndes an sich, dass ich nicht aufhören konnte, sie anzusehen. Doch gleichzeitig ließ mich ihre makellose Perfektion stutzig werden. Ich bin zwar keine Gärtnerin oder sowas in der Art, aber ich bin mir sicher, dass keine normale Blume eine solche glatte Struktur hatte. Langsam hob ich meine Hand, um ihre Blüten zu berühren. Sie sahen so weich aus. Sacht strich ich darüber und konnte nicht glauben, wir zart sie waren und es fühlte sich an, als würde ich auf Samt streichen. Wie konnte etwas nur so perfekt sein?
Ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder der Umgebung. Und bemerkte, dass es nicht nur die eine Blume war, die so perfekt aussah. Alle Bäume, Sträucher und sonstige Gewächse… sie sahen aus, als wären sie aus einem Bilderbuch entsprungen. Fasziniert drehte ich mich um die eigene Achse und konnte nicht glauben, dass ich sowas schönes einmal zu Gesicht bekommen würde. Ich streckte meine Arme aus und atmete diese herrlich frische Luft ein. Dieser Anblick ließ mich so ruhig werden, als würde ich in ein warmes Sprudelbad gleiten und mit jeder Sekunde entspannter werden. Als ein leichter Windhauch mein Gesicht streifte, schloss ich die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Diese Ruhe sollte nie enden.
Ich legte meine Hände vor mein Gesicht und atmete tief durch. Das war unbeschreiblich hier. Wo auch immer ich gelandet war und wie ich hier gelandet bin. Ich nahm meine Hände vom Gesicht, öffnete die Augen… und erstarrte.
Meine Hände? Was ist mit ihnen passiert? „Was zum Teufel“, flüsterte ich geschockt und betrachtete sie. Sie wirkten kleiner und zierlicher, aber am meisten, sie sahen so anders aus. Keine Rötungen, keine Äderchen, die normalerweise sichtbar sein sollten. Meine Haut wirkte so glatt und makellos, wie die Blüten der Blume. Fast, wie aus einer anderen Welt.
Ich sah an mir herunter und stellte fest, dass es nicht nur meine Hände waren, die sich verändert hatten. Ich trug nach wie vor meinen Pyjama, doch dieser war so glatt und sah so glänzend aus. Meine Füße sahen aus, wie die eines Neugeborenes. Makellos glatte Haut ohne Rötungen und perfekte Nägel. Meine Arme zeigten keine kleinen Härchen und keine Venen. Leberflecke waren verschwunden, genauso wie raue Stellen. Ich ertastete mein Gesicht. Auch da fühlte sich meine Haut so rein an, meine Stupsnase war auf einmal kleiner, meine Lippen hatten keine Risse oder leichte Sprünge, was bei mir typisch war, da sie sehr empfindlich sind. Und meine Augen wirkten größer. Dass ich das nicht bemerkt hatte, als ich meine Hände das erste Mal auf meine Augen gelegt hatte. Meine Augenbrauen schienen perfekt gezupft zu sein, denn ich fühlte keine Haare unter oder über ihnen. Und sie fühlten sich gebogener an.
Ohne den Hauch einer Ahnung, was passiert war oder wie ich hier herfliegen konnte, stand ich nun da, mitten in einem Wald mit makellosen Bäumen und Blumen und meinem veränderten Erscheinungsbild. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und fuhr mir ratlos durch die Haare.
„Hallo?“ rief ich.
„Hallo! Ist da jemand? Wie bin ich hierhergekommen?! Hallo!“ rief ich lauter und hoffte sehr auf eine Antwort. Doch nichts kam.
Mein Herz begann zu rasen und ich konnte meinen Puls in meiner Halsschlagader fühlen. Was mache ich jetzt? Ich kam mir vor, wie in einer anderen Welt. Mein Aussehen war anders, meine Umgebung so seltsam perfekt und ich erinnerte mich daran, dass ich in mein Bett gekrochen bin und dann dieses komische Gefühl hatte.
Langsam sank ich auf meine Knie und starrte gerade aus. Was zur Hölle war hier los?
Auf einmal hörte ich Geflüster von hinten. Ich drehte mich um, doch sah niemanden. Aber ich konnte ganz deutlich leise Stimmen wahrnehmen.
Langsam kroch ich auf einen Busch zu, von dem ich annahm, dass die Geräusche von dort kamen. Langsam bewegte ich meine Hand darauf zu und zog sie sofort wieder weg, als er raschelte und etwas blitzschnell hervorgeschossen kam. Erschrocken krabbelte ich zurück, meine Augen mussten so groß wie ein Teller sein.
„Mädels, wir müssen sie jetzt endlich zum Schlosshof bringen, sonst kommt sie zu spät“, hörte ich jemanden sagen.
„Na dann! Los, sag flieg zu ihr.“
Ein Lichtstrahl kam auf mich zugeflogen und je näher er kam, desto mehr erkannte ich die Silhouette einer winzigen Person. Ich kniff die Augen zusammen… um sie dann wieder aufzureißen.
Das konnte nicht wahr sein.
Sie flog nah an mich heran und lächelte freundlich.
„Hey Roya. Schön dich kennenzulernen.“
Blonde, hochgebundene Haare, ein grünes Kleid aus Blättern, Bommeln an den Ballerinas. Vor meiner Nase flatterte Tinkerbell.
Das längste Kapitel bisher :D