Er hatte ihr Herz gestohlen. Sie hatte es gar nicht gewollt. Hatte es nicht einmal bemerkt, als er damals mit seinem polierten Geschäftswagen ihren alten Corsa gestreift hatte.
Sorgsam harkte sie die dunkle Erde durch. Modriger Geruch stieg auf. Die Nässe des nächtlichen Gewitterschauers hielt sich hartnäckig in den tieferen Schichten. Die friedliche Ruhe um sie herum wurde durch das aufgeregte Werben einer Amsel um seine Partnerin zerschnitten.
Es hatte ihm unendlich leidgetan und er hatte sich hundertmal bei ihr entschuldigt. Schließlich hatte er es geschafft, sie auf einen Kaffee einzuladen und ihre Handynummer mit nach Hause zu nehmen.
Gedankenverloren zerdrückte sie ein paar Erdklumpen, die sich hartnäckig dem Grubber wiedersetzt hatten. Lautlos fielen die Krümel nach unten und verschmolzen mit dem restlichen Boden, als wären sie nie weggewesen. Die letzten Bröckchen rubbelte sie sich von den Händen. Das Schaben zerriss abermals die Stille um sie herum.
Letztendlich waren es seine lächelnden Augen gewesen, die hinter die Mauer geblickt hatten und sich durch das, was sie sahen, nicht verschrecken ließen. Sein unerschöpfliches Verständnis für ihre Fehler und die Schwärze in ihrem Inneren hatte den Widerstand schmelzen lassen.
Ein traurig hängendes Rosenköpfchen schnitt sie mit der scharfen Schere ab. Sein Blutrot war im warmen Sonnenschein verblasst und hatte durch den Landregen der vergangenen Woche traurige, braune Ränder bekommen. Ein paar Blütenblätter segelten lautlos im Frühlingswind auf die schwarzbraune Graberde.
Er hatte ihr Herz gestohlen.
Und es mitgenommen.
Wieder ein kräftiger Tritt in die Rippen. Dem Kleinen wurde es langsam zu eng.