In solch tiefdunklen Nächten wie diesen, male ich mir immer aus, ich würde auf dem Grund des Sees wandeln.
Verträumt sinniere ich über diese herrliche Neumondnacht. Heute ist wieder alles von dickflüssiger Dunkelheit benetzt, so als befände ich mich weit unten in der wohligen Tiefe, eingehüllt in schattigen Wassermassen.
Hier im ländlichen Idyll, wo noch wenig Lichtverschmutzung herrscht, sind in solchen Neumondnächten milliardene kleine Sterne die einzige Lichtquelle - wie das Glitzern der Sonne, das es kaum vermag, durch die Wasseroberfläche weit über dir zu dringen.
Barfuß wandle ich im kühlen, weichen Gras. Meine Schuhe baumeln von meinen Händen. Meine Aufmerksamkeit gilt dem stillen See und den Lichtern entlang des Ufers, die, die Sterne imitierend, auf der schwarzen Oberfläche widerschimmern.
Selbst nahezu blind, wie ich jetzt bin, finde ich ohne jegliche Schwierigkeiten meinen Weg durch die schwarze Nacht. Ich kenne diesen Ort sehr gut, denn hier ist meine Seele zuhause. Hier verspüre ich keine Angst, keine Unruhe. Ich selbst werde zur fließenden, schwarzen Stille.
Schließlich spüre ich festes, kaltes Holz unter meinen Füßen. Ich wandere am breiten Steg entlang. Sogleich ergreift mich ein Gefühl innerster Zufriedenheit. Ich kann das Wasser schon fast spüren, wie es unter mir ruht.
Am Ende des Stegs angekommen, fallen meine Kleider. Der weiche, dünne Stoff gleitet über Brüste, Bauch, und Hüften, welche sogleich sanft vom Wind gestreichelt werden. An diesem idealen Spätsommerabend ist die Luft angenehm abgekühlt.
Ich lasse mich auf das kalte Holz sinken, liege sogleich am Rand des Stegs, auf dem Rücken, und tauche meine Finger endlich in kühles Nass.
Das Wasser schmiegt sich sanft und eng an meine Haut, wie eine geliebte Katze, die ihren menschlichen Gefährten nach einem zu langen Tag endlich zuhause willkommen heißen kann.
Mein Atem ist ruhig und regelmäßig, ich blicke hinauf in den weiten, sternenbesetzten Nachthimmel. Der tiefste aller Ozeane.
Ich fühle mich geradezu liebkost von Wind und Wasser, und mich überkommt eine wundersame Stimmung. Ein seltsames Gefühl - ein Verlangen, wie tiefer, alles übermannender Hunger - nistet sich in meine Brust. Meine Gedanken streunen, rufen sanfte Küsse auf meine Haut.
Mein Körper reagiert auf diese fiktiven Zärtlichkeiten und ich spüre, wie sich jedes Haar zu Berge stellt.
Weit entfernt in meinem Hinterkopf frage ich mich, woher dieser plötzliche Stimmungswechsel rührt.
Meine Hand streicht übers Wasser, schafft kleine Wirbel und kleine Wellen. Ich fühle mich, als streiche ich über den wunderschönen Körper einer Geliebten.
Zärtlich und zärtlicher wandern meine Finger durch das Nass...
Dann packt eine kalte Hand die meine.