Diese Höhenangst begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Dabei ist es nicht mal die Höhe, die mir Angst macht, sondern es ist der Gedanke ans Fallen, der mir den Atem nimmt und mein Herz stocken lässt. Es soll mit mir nicht noch weiter abwärts in schwarze Tiefen gehen und die wenige Kontrolle, die mir noch geblieben ist, will ich nicht noch weiter verlieren. Da sind schon genug Trauer, Schmerz und Tränen überall. In einem Leben, in dem Aufprall auf Aufprall aus immer höheren Höhen in immer tiefere Tiefen folgt, ist der Gedanke nur einen Meter weiter zu abzustürzen einfach nur unerträglich.
Lange habe ich geglaubt, dass die Höhe meine größte Furcht sein, doch heute hat mich etwas noch mehr beängstigt. Ich stand auf einer Brücke und warf einen Blick über das Geländer. Was mich früher einmal, in einem anderen, einem besseren Leben zittern ließ, war plötzlich nicht mehr furchteinflößend. Meine Höhenangst war weg und stattdessen waren da Gedanken, wie ich sie niemals haben wollte. Auf dem Geländer sitzend, die Füße baumelnd, den Wind im Haar und die Augen auf die verschwommenen Steine unter mir gerichtet erschien mir die Brücke auf einmal nicht mehr hoch. Ich könnte flüchten, ein paar kurze Augenblicke fliegen und alles wäre vorbei. Ein letztes Mal zu fallen und dann für immer vor dem Schicksal geschützt zu sein wäre ganz einfach gewesen. Dennoch tat ich es nicht, sondern stieg wieder vom Geländer hinab und verließ die Brücke vollkommen unbeschadet. Ein Gedanke aber blieb. Vielleich ist es nicht so schlimm zu fallen, wie ich einmal dachte. Vielleicht ist es ja sogar eine gute Alternative...