Shanora staunte, an Evas Rücken waren weiße Flügel zu erkennen, ihre Augen leuchtenden noch goldener und ihre langen schwarzbraunen Locken umspielten ihr Gesicht. Auch ihre mokkafarbene Haut schien einen goldenen Schimmer in sich zu tragen.
"Wusste Finn das du ein Engel bist?", fragte Shanora sie direkt.
Eva lächelte: "Du machst dir selbst jetzt noch Gedanken um deinen Bruder! Obwohl du weißt wer, oder was, er ist!"
Shanora verschränkte die Arme: "Wusstest du ja wohl auch!"
Eva nickte, sie strich Shanora sanft über die Wange: "Aber er hat sich immer dagegen und für dich entschieden! Er war immer bestrebt Gutes zu tun. Darum habe ich ihn unterstützt. Genau wie dich, Allister!"
Allister war verwirrt, er glaubte sie schon einmal gesehen zu haben, konnte die Erinnerung aber nicht hervor kramen.
"Du warst noch ein Baby als du die Gabe der Erzengel erhalten hast.", begann Eva zu erklären, "Es ist deine Bestimmung hier zu sein. Aber dein Schicksal, Shanora, steht nirgends geschrieben."
Shanora war verwirrt, Eva schien alles über das Schicksal zu wissen, aber sie sollte keines besitzen.
"Das liegt daran, dass der weiße Thron eigentlich ausgelöscht werden sollte. Aber die Entscheidung eines kleinen Jungen hat alles verändert!", erklärte Eva weiter.
Shanora wurde klar wovon sie sprach, Finn hatte sie als Baby gerettet, das war nicht der Plan des Dunklen gewesen.
"Du beginnst zu verstehen.", stellte Eva fest, "Und doch plant der Feind seine Rückkehr. Du warst zu lange im Schatten. Es wird Zeit für dich ins Licht zu treten! Sonst werden wir alle in die Dunkelheit fallen!"
Shanora nickte, sie hatte zwar keine Ahnung was sie tun sollte, aber sie würde nach Osilia kommen, um jeden Preis.
Es gab keinen anderen Ausweg, dieser Ort würde über das Schicksal der Welten entscheiden.
"Allister, deine Fähigkeiten sind ein Geschenk der Götter, die Erzengel selbst haben es dir verliehen", Eva gab ihm einen Kuss auf die Stirn, "beschütze die Unschuldigen, wie du es immer getan hast! Der Mensch, der dich am meisten liebt, wird dich beschützen!"
Auch Allister verstand die Worte des Engels nicht wirklich.
Eva lächelte sie beide an: "Nun, da Luis seine Aufgabe erfüllt hat, wird er wieder Teil der hohen Himmel sein. Ihr müsst nun zurück kehren. Und sorgt euch nicht, ihr werdet verstehen, bald!"
Mit den Worten blendete das Licht Shanora und Allister zu sehr, als es abklang standen sie wieder neben Yalhan auf dem Hügel vor der Höhle.
"Was ist passiert?", fragte dieser aufgeregt.
"Später, fessle den Pestlöwen und lass Church eine Nachricht da", bat Allister ihn, "wir müssen sofort aufbrechen!"
Shanora nickte: "Chruch kann nachkommen wenn er wieder aufgewacht ist, er wird es locker alleine schaffen!"
Yalhan nickte und verschwand in der Höhle, als er wieder heraus kam hatte er die Klingen von Gaap schon in der Hand.
"Shanora, nimm deine Waffe hoch", Allister schien sicher zu sein, dass ihnen bald Gefahr drohen würde, "wir müssen uns durch kämpfen!"
Das verfluchte Schlachtfeld lag in völliger Dunkelheit. Schwarze Wolken hatten den Himmel verhüllt und eisige Windböen trugen Staub von dem vertrockneten Erdreich unter ihren Füßen ab. Große Löcher und Risse waren die einfacheren Hindernisse, mit denen sie zu kämpfen hatten.
"Egal was passiert", Allister ging als letzter, vor ihm Shanora und an erster Stelle Yalhan, "wir dürfen nicht stehen bleiben!"
Die Geräusche in der Näheren Umgebung deuteten darauf hin, dass sie nicht alleine waren.
"Wenn es ihnen gelingt uns einzukreisen, dann sind wir verloren! Und jetzt lauft!", Allister starrte in den verdunkelten Himmel, er wusste nicht welche Teufelei ihn verursacht hatte, aber sie mussten vom Schlimmsten ausgehen.
Yalhan rannte, wich einem heranrollenden Stück Holz aus: "Vorsicht!"
Shanora konnte dank der Warnung noch hoch springen, sodass es sie nicht von den Füßen riss, Allister schützte sich mit seinen Kräften, die das Holz zerschellen ließen. Die Sicht würde immer schlechter, der Wind schien einen Sandsturm aus dem verdorrten Erdreich gebrochen zu haben.
"Das wird nicht die einzige Falle sein", brüllte Yalhan durch das Getöse. Shanora nickte und kämpfte gegen den Wind an, der ihnen entgegen fegte.
"Weiter", schrie Allister, eigenartiges Gemurmle erschallte hinter ihm. "Was ist das?", wollte Shanora wissen.
"Dämonen, niedere beschworene Dämonen", stellte Allister fest als einer davon ihn eingeholt hatte. Die Erscheinung war widerlich, er schien von Pusteln bedeckt zu sein die auf der ledrigen schwarzen Haut wuchsen. Große Hörner zierten sein Haupt und lange Klauen die Arme und Beine.
Shanora beschloss bei ihrem Anblick sie später Mephis zu nennen, kleine Mephistos. Sie hatte eine Abbildung des Gottes der Zerstörung gesehen, die sie sehr an diese Wesen erinnerte. Ihre verkrüppelten Körper erzählten aber eine Geschichte von vergangenem Leid, und die Mandelförmigen leeren Augen leuchteten nur noch durch eine fremde Macht in dunklem Rot. Allister gelang es dieses Biest abzuwehren: "Weiter, bleibt nicht stehen!"
Yalhan erschlug vorne einen weiteren mit seinen Schwertern: "Sie versuchen wirklich uns einzukreisen!"
Shanora rannte Yalhan nach, der einfach alles erschlug was ihnen in die Quere kam. Nicht immer gelang es ihm die Angreifer zu töten, aber es reichte sie außer Gefecht zu setzen oder genug zu verlangsamen. Allister tat das selbe hinten, und auch Shanora durchbohrte den ein oder anderen mit ihrem Lichtschwert.
Sie hoffte, dass sie das Tempo halten konnten.
Mehr von diesen Gegnern und von allen Seiten würden sie sie nicht abwehren können.
"Es ist nicht mehr weit, der Sandsturm wird bald enden!", gab Yalhan bekannt. Shanora nickte, wenigstens gab es noch Hoffnung.
"Schneller!", Allister machte Druck von hintern, "Sonst schaffen wir es nicht!" Yalhan lief schneller, erschlug schneller die Mephis die sich ihm in den Weg stellten, auch Shanora gab sich Mühe das Tempo weiter zu erhöhen.
Ein einfaches Grab am Rande eines einfachen Waldes, neben einem alten Gasthaus aus Holz. Statt einem edlen Grabstein zierte bloß ein Kreuz aus Holz den Hügel aus Erde, auf dem ein paar Steine lagen.
"Allison", Treplew starrte auf sein Werk, "du hast dich für Nichts geopfert!"
Dann verschwand der Schänder, erschien einen Moment später in der schwarzen Kathedrale. Sein Zimmer war einst das der Präsidentin, Badria, gewesen.
Die war nun aber auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung, so viel war sicher. Treplews Körper schien nicht mehr lange stand zu halten, er hustete seit Tagen Blut.
Die Veränderungen, die daran vor genommen wurden, und die Kräfte, die er sich widerrechtlich angeeignet hatte, forderten ihren Tribut. Er starrte auf das einzig farbige in dem Raum, ein winziges Bild.
"Vergiss das nicht, Ezra!", waren die Worte der eingebildeten Vampirschlampe gewesen, als sie es ihm zugesteckt hatte. Er starrte nun auf das Bild. Er und Allison waren um die 10 Jahre alt gewesen, vielleicht auch erst 9. Allister war gerade 5 oder 6 geworden, da schien noch alles in Ordnung zu sein.
Er lehnte sich an der kalten schwarzen Mauer zurück, eine Träne quoll nun doch aus seinen gelben Augen und rann über seine blasse Wange.
"Allison, Ezra, wartet auf mich!", der kleine Elfenjunge mit den pechschwarzen Haaren versuchte seinen älteren Geschwistern zu folgen, diese waren auf einen Hügel geklettert. "Komm schon Allister", spottete die junge blonde Efle zu ihrem kleinen Bruder hinunter, "bemüh dich mal!"
Der kleine Allister schaffte es aber nicht und drohte abzurutschen, er schrie auf aber jemand packte seine Hand und zog ihn doch noch hinauf.
"Danke Ezra", Allister schaute bedrückt auf den Boden, er war sehr traurig.
"Musst du immer so gemein zu ihm sein?", ermahnte Ezra seine Zwillingsschwester.
Diese zischte verächtlich: "Wie kann den bitte ein Junge mit schwarzen Haaren und diesen gruseligen goldenen Augen in einer Familie voller Blonder Eflen zur Welt kommen?"
Ezra seufzte: "Du gibst ihm die Schuld daran, das Vater gegangen ist? Er ist dein Bruder, und ich glaube, dass er etwas ganz besonderes wird!"
Allison war nun zur Gänze eingeschnappt. "Ihr könnt alleine spielen, ich habe keine Lust auf dich und diesen Bastard!"
Sie sprang elegant von dem Hügel hinunter und Allister begann leise zu weinen.
"Hey", Ezra beugte sich zu ihm hinunter, "Vater wird zurück kommen wenn er mit den Ältesten gesprochen hat, alles wird gut!"
Der kleine Junge wischte sich die Tränen aus den Augen: "Trotzdem hasst Allison mich! Und Mama auch!"
Ezra seufzte, auch ihm war die allgemeine Abneigung gegen die dunkelhaarigen Jungen nicht entgangen.
"Würde es reichen wenn ich dich lieben würde?", fragte er ihn.
Allister riss seine goldenen Augen auf: "Du? Also hasst du mich gar nicht?" Ezra lachte und erhob sich wieder: "Ach was, du bist doch mein kleiner Bruder, ich werde dich immer lieben!"
"Vater", Allison und Ezra vielen dem hoch gewachsenen Elf in die Arme, Allister hingegen blieb am Türrahmen stehen und traute sich nicht hinaus.
"Du bist zurück", Allison grinste breit.
"Natürlich Kinder", der alte Androlien winkte seiner Frau zu, "die Ältesten haben mir gesagt, dass es sein kann..."
Noch bevor er ausreden konnte brach Geschrei auf den Feldern um das Anwesen aus. Die Arbeiter rannten alle in ihre Richtung, Bestien schienen sie zu verfolgen.
"Geht ins Haus", befahl der Vater seinen Kindern, aber es war zu spät. Die eigenartigen dreiköpfigen schwarzen Löwen, mit den glühend roten Augen hatten sie umzingelt. Sie schienen los springen zu wollen, wurden aber von einem grellen Licht zurück geschleudert.
"Meister, das Dorf steht in Flammen, er ist hier", brachte ein weiterer Arbeiter noch hervor, bevor die Löwen ihn in Fetzen rissen.
Ezra starrte verwirrt auf Allister, der zwischen ihnen stand und die Hände ausgebreitet hatte. Die Barriere, die die Bestien von ihnen fern hielt, schien sein Werk zu sein.
"Ha - ha - ha!", ein finsteres Lachen erschallte. Die Löwen lösten sich brüllend in Staub auf, schwere schwarze Stiefel traten an ihre Stelle, darüber ein schwarzer Umhang.
"Der dunkle Wanderer", die Mutter der drei Kinder rannte aus dem Haus um sich mit dem Vater vor sie zu stellen.
Das lange weißgraue Haar, sowie die rot und gelb leuchtenden Augen unter dem Mantel bestätigten ihre Vermutung.
"Alles was ich will", die charismatische Stimme des Dunklen hallte schmerzhaft durch die Köpfe der Kinder, "ist der Junge mit dem schwarzen Haar, seine Kräfte sind, wie erwartet, beeindruckend!" Allister erschrak, er sprach von ihm.
"Okay", der Vater trat zur Seite und Allister starrte in die Augen des dunklen Wanderers, sie schienen ihn zu lähmen, in Angst und schrecken zu versetzen.
"Dann nimm ihn, er bringt nichts als Ärger", die Mutter schien ebenfalls keinen Einspruch zu erheben.
Der Dunkle lachte und biss sich auf die Unterlippe, er hatte erwartet mehr drohen zu müssen. Langsam schritt er auf den Jungen zu, als sich plötzlich jemand in seinen Weg stellte.
"Nein", schrie Ezra den dunklen Wanderer an, "du wirst ihn nicht bekommen!"
Der Dunkle erstarrte, der blonde Elf schien keine Angst vor ihm zu haben. "
Und was schlägst du vor?", wisperte er Ezra mit lauernder Stimme zu. "Nimm mich statt seiner", Ezras Miene verfinsterte sich, "oder töte mich um an ihn zu kommen, auf jeden Fall werde ich nicht lebend dabei zusehen wie du meinen kleinen Bruder entführst!"
Der Dunkle lachte, ihm gefiel die Willensstärke des Jungen. Und den anderen würde er einfach später holen, sobald sein Bruder gebrochen war. "Gut, dann wirst du mich jetzt begleiten!", befahl er.
Ezra drehte sich zu seiner Familie um, warf ihnen einen wütenden Blick zu: "Ihr seid feige! Hört auf auf Allister herum zu hacken!"
Dann wendete er sich direkt an diesen: "Sei nicht traurig, ich sagte doch, ich werde dich beschützen!"
Treplew warf das Foto weg, er musste sich zusammen reisen.
Ezra war lange tot, an dem Tag, an dem der Dunkle ihn damals mitgenommen hatte, war er zu Treplew geworden, dem Schänder. Er war kein Elf mehr, er war jetzt ein Monster.
Allison und Allister hatten ihn gesucht, das war ihm klar, sie hatten ihn nicht aufgeben wollen. Und Allison hatte in diesem Gebäude mit ihrem Leben für diese Dummheit bezahlt.
Um Finn zu retten, den Sohn des Dunklen.
Um damit Shanora zu helfen, der Königin ohne Thron.
Ein lächerlicher Gedanke. Ein weiterer Hustenanfall ereilte ihm, kurz drohte er zu ersticken, der Schmerz in seiner Brust war gewaltig. Ein Schwall Blut schoss aus seinem Mund und ergoss sich über seine Hände. Schnell erhob er sich und eilte in das kleine Bad, das an sein Zimmer grenzte.
Er wusch sich die vernarbten Arme und betrachtete sein Spiegelbild einen Moment.
"Bald wird es vorbei sein", dachte er sich, "das wird die letzte Reise von Treplew dem Schänder, danach wird er nie wieder jemandem Leid zufügen können!"
Er hörte wie die Türe aufschwang und verließ das Badezimmer.
"Ist es so weit, Meister?", fragte er den Blonden, der zu ihm gekommen war. "Ja Treplew, es ist so weit! Heute bringen wir es zu Ende!"