Langsam strich Traian mit den Fingerspitzen über die kalte Klinge des Dolches. Das Licht des Vollmondes, das durch die Baumkronen nur schwer zu ihm durchdrang, ließ das scharfe Stück Metall hell aufblitzen. Immer und immer wieder fuhr er mit der Hand über die Klinge. Er spürte das glatte Metall, spürte die Kälte die von ihm ausging, und spürte dieselbe Kälte in sich.
Er und die Klinge waren Eins. Stets darauf aus zu töten, stets darauf bedacht, einander nicht zu verlieren.
Plötzlich ließ ein unheimlicher Ruf den nächtlich stillen Wald erzittern, sodass die anderen Geräusche der Nacht schlagartig verstummten. Traian wirbelte herum. Er kannte diesen Ruf und ein Lächeln huschte schattenhaft über das blasse, beinahe leblos wirkende Gesicht.
Er wusste, was dieser Ruf bedeutete.
Langsam ließ er den Dolch in den Gürtel- zurück an seinen Platz gleiten, an dem er- unter dem dunklen Stoff des Mantels gut verborgen vor neugierigen Blicken- in einem dämmrig benebelten Halbschlaf schlummern und warten würde. Und er wurde wieder gebraucht.
Oh ja!
Allein dieser Gedanke ließ den Träger der schlummernden Waffe frohlocken. Bedeutete es doch, dass er seinen Dolch wieder benutzen durfte. Und Traian vermisste diese Genugtuung, dieses unstillbare Verlangen, das ihn durch die Jagd begleiten würde. Endlich war das lange Warten, dieses Ausharren vorüber...
Plötzlich trat eine zierliche Gestalt, eingehüllt in einen bodenlangen Mantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, aus den Schatten hinaus in das kalte Licht des Mondes.
"Traian!" Sie sprach leise, doch man vernahm deutlich das Klirren, das in ihrer Stimme mitschwang. Wie Glas. Kalt und gefühllos.
Langsam schritt Traian näher. Er war bedacht darauf, sich so geschmeidig wie möglich zu bewegen, denn jede auch noch so kleine, ruckartige Bewegung, war tödlich in ihrer Anwesenheit.
"Du kannst dir sicherlich denken, warum ich dich aufgesucht habe." Ihre Stimme, nicht mehr als ein Flüstern.
"Lange hat Amator mit sich selbst gerungen, um diesen Beschluss in die Tat umzusetzen, doch der Tod des Wissenden ist nicht vermeidbar."
Traian hob den Kopf und in seinen Augen brannte Feuer. In der Tat! Er wusste, wovon hier die Rede war.
"Aber,..." Ihre Stimme war lauter geworden und schien nun seinen gesamten Körper zu durchbohren.
"Er will ES unversehrt! Traian! Hast du verstanden?! Unversehrt!" Sie war laut geworden und das Klirren hatte sich in ein bedrohliches, kehliges Zischeln und Fauchen verwandelt.
Traian wich zurück. Die dunkle Fürstin war launisch.
"Traian!", kreischte sie und er hatte das merkwürdig beklemmende Gefühl, als setze ihm jemand Unsichtbares ein Messer an die Brust und wäre kurz davor zuzustoßen.
"Ja, Herrin! Ja! Ich habe verstanden." Beschwichtigend senkte er das Haupt.
"Gut." Leise wie ein Flüstern trug der Wind ihre Antwort zu ihm herüber. Langsam hob sie ihre Hände und schob die Kapuze zurück.
"Er will ihn um jeden Preis tot wissen..." Ihre Augen bohrten sich in Traians und musterten ihn mit einem durchdringenden, ernsten Blick.
"Wie du es anstellst ist dem Amator gleich, nur, mach es gründlich! Und vor allem, bring dem Herrn das zurück, was ihm gestohlen wurde. Bring das Luramentum nach Hause!"