"Bitte lieber Gott, lass alles gut gehen und schenk mir ein gesundes Baby!" Ein kleines Stoßgebet konnte nicht schaden. "Darf ich noch meine Mutter anrufen und ihr Bescheid sagen?" - "Ja natürlich dürfen sie das, aber dann werden wir ihr Handy verwahren, denn wir müssen jetzt mal sehn wie es mit ihnen steht." Das Bett mit Silvia wurde in ein relativ kleines Zimmer geschoben, das gar keinen Krankenhaus-Eindruck machte. Abgesehen von einigen kleineren Geräten und einer großen Aparatur auf einem Wagen, die sie Wehenschreiber nannten war kaum medizinisches Gerät vorhanden. In der Ecke stand noch ein Ultraschallgerät. Man schien in der Geburtenstation Wert darauf zu legen, dass die werdenden Mütter Stress abbauen indem sie in möglichst heimeligen, privat anmutenden Zimmern niederkommen konnten. Silvia telefonierte kurz mit Mama, die ihr alles Gute wünschte. Silvia hatte gewusst, dass sie nicht kommen konnte, weil sie Vater nicht einfach alleine lassen konnte, aber insgeheim hatte sie doch auf ein kleines Wunder gehofft...
Sie musste einige Formulare unterschreiben und Fragen beantworten. Dann schien es los zu gehen. Erste Wehen traten auf, Frau Scheller hatte nun sterile Einweghandschuhe übergestreift. "Nicht erschrecken, ich werde jetzt fühlen, wie weit der Muttermund sich schon geöffnet hat. Das ist vielleicht ein wenig unangenehm, aber es tut nicht weh!" Die Hebamme strahlte Erfahrung und Ruhe aus, was Silvias natürliche Nervosität etwas minderte. "Das sieht ja schon gut aus. Da wird sich wohl bald einmal etwas tun. Die Wehen setzten bereits ein. Aus einem der angrenzenden Zimmer vernahm man nun Schreie, was Silvia zusammenzucken ließ. "Keine Sorge Frau Weber, unsere südländischen Patientinnen neigen dazu, Ein Wenig zu übertreiben. Sie verfluchen auch lauthals ihre Männer wegen dem Schmerz, aber das ist bei denen so üblich. Davon sollten sie sich nicht einschüchtern lassen. Ich werde ihnen jetzt eine Dauernadel setzen, damit wir einen Wehentropf anhängen können. Ah, da kommt Herr Doktor Feller. Er wird sie untersuchen." Eine der jungen Frauen, die sie vorhin mit der Hebamme empfangen hatten, hatte offenbar den Arzt geholt. Er stellte sich vor und begann, Silvia zu untersuchen. "Es liegt nicht gut!" sagte er. "Aber das muss nichts heißen, Frau Weber, es kann sich immer noch drehen. Frau Scheller, wir machen noch einmal Ultraschall." Die Hebamme rollte das Gerät zum Bett. Der Doktor nahm ein Gleitgel zur Hand. "Nicht erschrecken, das ist jetzt ein Bisschen kalt!" Er verteilte das Gel auf ihrem ballonartigen Bauch und begann, mit dem Ultraschallkopf zu untersuchen.
Der Doktor bedeutete der Hebamme, sie solle sich das ansehen. "Ja, das könnte Komplikationen geben. Wenn es sich falsch dreht, wickelt es sich in die Nabelschnur..." Frau Weber, es wäre möglich, das wir einen Kaiserschnitt machen müssen. Dazu müssen wir sie noch über die Narkose aufklären und über die Operation und sie müssen sich damit einverstanden erklären."
Silvia hatte das Gefühl, ein Eisenband lege sich über ihre Brust. "Was heißt das Komplikationen. Es hat doch immer alles gepasst! Ich war bei allen Untersuchungen!" - "Beruhigen sie sich! Ich erkläre ihnen jetzt genau, was Sache ist, sagte der Doktor, der gerade ihren Bauch vom Gel befreit hatte. "Das verhält sich so, dass ihr Kind sich noch nicht in Geburtslage gedreht hat. Normalesweise bringen wir am Kopf einen Sensor an, der seine Herztöne mißt und warten auf den natürlichen Geburtsvorgang, aber das ist in diesem Fall nicht möglich und ohne diese Überwachung sollten wir nicht allzulange warten müssen, bis zur Niederkunft. Also werde ich versuchen, das Kind zu drehen. Wenn mir das nicht gelingt, werden wir operieren." - "Aber was war das mit der Nabelschnur?" - "Wenn sich das Kind selbst dreht, könnte es sein, dass es sich in der falschen Richtung umdreht und sich in die Nabelschnur wickelt. Das wollen wir verhindern, weil wir ohne Sensor seine Vitalfunktionen nicht messen können. Aber sie können sich beruhigen. Das ist nicht selten und um solchen Dingen vorzubeugen, haben wir sie ja untersucht. Ich verspreche ihnen, dass alles was uns möglich ist für sie getan wird. Unterschreiben sie bitte für den Fall, dass wir schnell operieren müssen." Sie unterschrieb im Liegen auf einem Klemmbrett. Sie hatte große Angst um ihr Kind, aber es blieb ihr nichts, als dem Arzt zu vertrauen. "Ich werde jetzt versuchen, das Kind zu drehen. Das wird etwas unangenehm sein. Ah, eine Wehe! Das warten wir noch ab... So, Jetzt aber..." Er sollte recht behalten. Es war wirklich unangenehm. Doch Silvia war von Anfang an klar gewesen, dass eine Geburt kein Spaziergang ist. Wenn nur dem Kind nichts passierte...
"Es hilft nicht! Frau Scheller, rufen sie ein Team zusammen, wir müssen operieren. Frau Weber, glauben sie mir, wir tun alles für sie!" Er zog eine Spritze auf und stach damit in den Schlauch vom Wehentropf. Ihr wurde plötzlich ganz warm, es rauschte in ihren Ohren und flimmerte vor ihren Augen und schließlich gingen die Lichter aus...