Leise legte sich der Abend über die Ländereien Belletristicas. Nahezu geräuschlos zog ein Schwarm Zugvögel über den Himmel in die Ferne davon. Alles wirkte friedlich, majestätisch und still.
Ein gotteslästerliches Fluchen durchbrach jedoch jäh die abendliche Stimmung und erschütterte beinahe das Dach des Atriums, in dem sich das Volk Belletristicas zum Zeitvertreib traf.
»Oh doch, ich trage sehr wohl Röcke!«, polterte Katzy, die zierliche Künstlerin mit den Katzenohren, und stampfte undamenhaft mit dem Fuß auf den gläsernen Fußboden des Saales, der beinahe eine exakte Kopie des Versailler Spiegelsaales war. Sie starrte den Mann ihr gegenüber finster an, der nur schmunzelte.
»Du hast den angebracht und deswegen muss ich jetzt immer Hosen unter meinen Röcken tragen!«
»Mich interessiert nicht, was Mädchen unter ihren Röcken haben. Von mir sind nur die Spiegel an den Wänden. Der am Boden muss von einem Ferkel stammen, der glotzen will«, entgegnete der Mann mit den langen Haaren und zuckte mit den Schultern.
»Gut, dann hast du ja auch nichts dagegen, wenn ich ihn zerstöre, oder?« Katzy grinste wie ein Wolf, zog von irgendwoher eine Spitzhacke hervor und schwang diese, bevor der Vampir ihr gegenüber etwas dagegen unternehmen konnte.
Klirrend drang das Metall in das Glas ein und Risse breiteten sich wie ein Spinnennetz rund um das entstandene Loch aus.
»Bist du des Wahnsinns fette Beute, du Verrückte? Einen Spiegel zerschlagen? Das bringt Pech«, rief der Mann und blickte sich gehetzt um, damit rechnend, dass jede Sekunde etwas passieren würde. Er presste sich förmlich an die verglasten Wände.
»Was, wenn deswegen der Kronleuchter runterkommt?«
»Warum sollte er?«, fragte Katzy. »Es ist ja dein Kronleuchter, aber mein Pech!«
»Bist du doof? Pech hat doch nichts mit Besitz zu tun!«
»Ah, da passiert schon nichts.« Katzy hackte weiter auf den Spiegel ein, während andere Bewohner Belletristicas den Saal betraten.
»Was macht sie da?«, fragte Felix, der Flauschbär vom Dienst, verwundert.
»Unglück über uns alle bringen!«, keuchte der Vampir in der Ecke.
»Feigling!«, feixte Katzy.
»Sieht lustig aus.« Felix nahm auf einem Sessel in der Ecke Platz und sowohl der Vampir als auch der Flauschbär wandten die Köpfe um, als sich die Tür ein weiteres Mal öffnete und Meg, die dunkle Lichkönigin, gewandet in ein dunkles Gewand und Umhang, den Saal betrat. Man bekam stets das Gefühl, dass das Licht im Raum dunkler wurde, wann immer sie eintrat.
»Hallo, Megan«, kam es von den beiden Männern und diese nickte huldvoll, als es plötzlich einmal laut knirschte und ein ohrenbetäubendes Scheppern und Klirren zu hören war. Der Boden bebte und das Glas der Wandspiegel erzitterte.
Der Kronleuchter war, wie als hätten sie es heraufbeschworen, einfach von der Decke gefallen und hatte Katzy unter sich begraben.
Ein erschrockener Schrei ging durch die Leute im Saal. Felix sprang auf und rannte sofort raus, um Verbandszeug zu holen, während Meg unheimlich zu grinsen begann und der Vampir sich in der Ecke krümmte, weil der Geruch von Blut sich in dem Raum ausbreitete.
»Ugh ...«, keuchte er und Felix, inzwischen mit Sachen beladen, die für ein ganzes Krankenhaus gereicht hätten, sah ihn misstrauisch von der Seite an.
»Hast du Hunger, Phobos? Hast du etwas damit zu tun?«, fauchte der Flauschbär und deutete auf den Scherbenhaufen, den Meg bereits zur Seite räumte, um die matschigen Überreste herauszusuchen.
»Bist du verrückt?!«, knurrte der Vampir den anderen Mann an und hielt sich die Hand vor den Mund, um seine Fangzähne zu verbergen. »Ich bin nicht hungrig! Ich bin ein verdammter Vampir, das ist meine Natur!«
Felix zog nur eine Braue hoch und eilte der Ruine des Kronleuchters entgegen. Verwundert, doch nicht weniger schockiert, blieb er stehen und starrte darauf.
»Ich helf' dir, Katzy ... ich ... was ist passiert? Wo ... wo ist sie hin? Sollte da nicht viel mehr sein?«
Megan hockte vor den Scherben. »Sie hat wohl instinktiv die Gestalt verändert. Da ist Fell. Sie war eine Katze, als der Leuchter runterkam.«
Phobos, inzwischen an den Geruch gewöhnt, ging auf die beiden zu. »Und ... was machen wir jetzt? Sie ist Katzenpastete. Wie erklären wir das?«
Felix, der total emotional war, schniefte. Meg jedoch grinste nur. Phobos war aufgrund des Geruchs bleicher als sonst.
»Das bekomme ich wieder hin. Ich bin Nekromantin, schon vergessen?«
»Du willst Katzy als einen deiner hirnlosen Zombies wieder auferstehen lassen?«, fragten Felix und Phobos wie aus einem Mund.
»Also dass mein Gehirn so schwarz ist, wenn es mal nicht mehr im Kopf ist, hätte ich ja nicht gedacht«, fistelte eine Stimme dazwischen und alle, bis auf Meg, erschraken und sprangen förmlich im Halbkreis, um hinter sich zu sehen. Ein sehr unmännlicher Schreckenslaut entfuhr ihren Mündern.
Katzy schwebte einen halben Meter über dem Boden in der Luft, etwas durchscheinender als sonst und irgendwie unordentlich, aber sie grinste wie ein Honigkuchenpferd.
»Hey Baby«, schnurrte Meg und sammelte, ohne den geringsten Hauch von Ekel, die Überreste der Katze in eine Schale. »Ich bekomm dich wieder hin und danach bist du so gut wie neu. Ach was, du bist besser!«
»Cool«, freute sich Katzy und amüsierte sich etwas über die kalkweißen Gesichter von Phobos und Felix. Der Flauschbär schien zu realisieren, dass seine Mullbinden, Pflaster und Druckverbände ihr im Moment nicht helfen würden und ließ resignierend alles fallen. Er seufzte und guckte angewidert auf die zermatschte Katze.
»Und du bekommst das hin, Meg?«
»Ihr werdet sie nicht wieder erkennen«, murmelte die Lich und begutachtete die erhaltenen Organe. Sie zerdrückte mit einem teuflischen Grinsen das kleine Herz und Katzy japste.
»Was machst du denn da?«
»Ich gebe dir etwas Besseres«, murmelte Meg nur, erhob sich und trug die Schüssel mit dem Kadaver aus dem Spiegelsaal.
»Komm Baby. Du wirst staunen, wenn du mein Labor siehst. Ihr, Jungs, bleibt hier. Ihr kotzt sonst nur!«
Stunden vergingen, es könnten auch Tage gewesen sein, in denen weder Felix noch Phobos noch irgendein Belletristicaner Meg zu sehen bekam. Fragen kamen auf, wo Katzy geblieben war. Die blutigen Spuren hatten Felix und Phobos unter Schüben von Ekel und Brechreiz beseitigt, den kaputten Kronleuchter hatte der Graf stillschweigend - und mit dreifacher Aufhängungssicherung - ersetzt und der vermaledeite Unglücksspiegel war vom Boden entfernt und gegen geschmackvolle Fliesen ausgetauscht worden.
Mit unter den Nägeln brennender Neugier und Ungeduld warteten die beiden jeden Moment darauf, dass die Lichkönigin wieder aus ihrem dunklen Schloss auftauchte und ihr nekromantisches, teuflisches Zombie-Katzen-Ergebnis präsentierte.
»Ob sie es hinbekommt? Vielleicht hat sie es nicht geschafft und ... traut sich nicht, es zu sagen?«
Phobos schwenkte ein Glas mit rubinrotem Wein und sah dem Flauschbären dabei zu, wie er bereits den dritten Muffin auf dem Tisch zerbröselte, ohne ihn wirklich zu essen. Wenn er nervös war, dann kochte oder backte Felix. Der Spiegelsaal sah aus, als würden sie ein Bankett für tausend Leute geben wollen.
»Du glaubst ernsthaft, dass sich Meg etwas nicht traut?!«
»Nein ... eigentlich nicht, aber ... Katzy... wenn sie sie nicht mehr hinbekommt, dann ...«
»Dann haben wir einen Geist im Spiegelsaal. Ich hab ihr gesagt, sie soll das Unglück eines Spiegels nicht unterschätzen.« Der Vampir seufzte und sah sonderbar unzufrieden aus. Diese Warterei machte sie alle wahnsinnig. Lange würden sie von den anderen Belletristicanern nicht mehr verheimlichen können, was hier geschehen war. Würde bekannt werden, dass einfach mal so der Kronleuchter von der Decke gefallen war, würde nie wieder jemand das Atrium betreten!
Seufzend schwiegen die beiden wieder und Felix beschmierte die Tischplatte mit dem Topping eines Cupcakes, als die Tür aufging und Meg, huldvoll und elegant wie eine Königin, den Raum betrat. Das Licht flackerte wieder einmal und sie zog einen wehenden Umhang hinter sich her.
Die beiden Männer sprangen neugierig auf.
»Und?«, brüllte Felix ihr fast entgegen. Er hatte Katzy mehr als jeder andere vermisst und hatte, trotz des vielen Kuchens, den er genascht hatte, augenscheinlich an Gewicht verloren vor lauter Sorge.
Meg lächelte teuflisch süß, wie immer, und schlug mit einer Spur von königlichem Hochmut die Augen nieder, um schließlich zu nicken. Sie machte eine Handbewegung und hinter ihr stürmte eine elegante schwarze Katze in den Spiegelsaal. Sie blieb neben Meg sitzen und starrte die beiden Männer aus funkelnden blauen Augen heraus an. Das Fell war makellos und glänzte, doch etwas war dennoch anders.
Die Katze grinste und zeigte lange, spitze Eckzähne. Als sie den Rücken durchstreckte, breitete sie pechschwarze Fledermausflügel aus und kicherte.
»Ich habe etwas von Phobos' Blut verwendet, um ihre Auferstehung zu ermöglichen, nachdem ich den Körper wiederhergestellt hatte. Deswegen hat sie diese Zähne. Sie muss Blut trinken. Und die Flügel ... Katzy meinte, das wäre cool. Ist es nicht so, Baby?«
»Tooooootal!«, fiepste die kleine schwarze Katze und grinste zähnebleckend. Sie umschmeichelte schnurrend Felix' Beine, der fast heulte, und hüpfte dann auf Phobos' Schoß, um von da aus ungeniert die zerbröselten Muffins zu fressen.
Meg nahm ebenfalls in einem Sessel Platz. »Sie hat einen ungezügelten Appetit, wie alle Wiedererweckten. Und sie kann keine menschliche Gestalt mehr annehmen. Also ... muss wohl jemand sie bei sich aufnehmen ... ihr ein Körbchen hinstellen. Und jede Menge Fressen.«
Katzy leckte sich breit grinsend das Mäulchen sauber. »Ich bleib dann bei Phobos. Sein Butler mag mich«, kicherte sie, fraß sich ungebremst durch das gigantische Buffett, das Felix in seiner Nervosität aufgebaut hatte, und die anderen seufzten erleichtert auf, dass letztlich doch irgendwie alles gutgegangen war.
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