"Echt hübsch euer Zimmer"
"Hübsch?", Celles lehnte an der Tür des Zimmers, das sie mit Saphira teilte. Es war das größte Zimmer im oberen Stockwerk und heute Nacht würden Sessy und Sassy ebenfalls hier schlafen.
"Ja, hübsch.", Sessy drehte sich zu ihr um, "Was hast du dagegen, wenn ich das sage?"
"Es klingt so unehrlich."
"So meine ich es ja auch. Oder etwa nicht, Sassy?"
"Ja. Ich finde es auch ganz nett", gab Sassy ihren Kommentar dazu ab und hob mit spitzen Fingern ein schmutziges T-Shirt vom Boden auf, "Ich hoffe ja doch, euer Bett ist gemütlich."
"Nein, Eure Hoheit. Wir haben selbstverständlich noch nie die Laken gewechselt und das Stroh unter unseren Rücken modert fröhlich vor sich hin", schoss Celles zurück und trat einen Schritt vor. Sie hatte es satt. Seit der Ankunft der Zwillinge äußerten sich beide zu allem, was sie sahen, mit abfälligem Tonfall, als seien sie Prinzessinnen. Das war schlimmer noch als Vanessa, die sich ansonsten wie eine Königin aufführte und sich nicht die Hände schmutzig machen wollte. Anfangs war sie noch in Ordnung gewesen, aber kaum war mehr Ruhe im Landhaus eingekehrt, hatte sich die wahre Natur des Mädchens offenbart, das an keinem Spiegel vorbeigehen konnte. Erst am Morgen hatte sie Celles und Saphira dazu überredet, einen Zauber an ihr auszuprobieren, um ihre violetten Haare so blond zu machen, wie die von Finn. Bis auf angesengte Haarspitzen und ein paar Flecken, die Pyrofera nachträglich entfernen musste, da Vanessa sich weigerte, jemals wieder zu ihrer lilanen Haarpracht zurückzukehren, hatte die Aktion ziemlich gut funktioniert.
"Pass auf, wohin du dein Gift spuckst, oder ich beiße dich!", drohte Sessy und prallte Brust und Brust mit Celles, die noch etwa einen halben Kopf kleiner war, zusammen.
"Könnt ihr leiser fertig streiten?", murrte Saphira von ihrem gepolsterten Sessel, in den sie sich mit einem Buch verkrochen hatte, "Wenn ihr schon wen beißen wollt, dann nehmt Vanessa. Vielleicht hilft ihr das gegen ihre Eitelkeit."
"Wohl kaum", Sassy tippte sich gegen die Lippen und ließ sich aufs Bett fallen, "Ah! Ich denke, ich werde hier schlafen."
"Nur über meine Leiche!", Celles stieß Sessy beiseite und stürzte sich auf den im Bett liegenden Vampirzwilling, der sich lang auf ihrem Bett ausstreckte.
Erschrocken über den Angriff, rollte sich Sassy weg, doch Celles war schneller gewesen und hatte sie grob an den Haaren gepackt. "Das ist mein Bett! Du machst dich hier nicht breit!", knurrte sie und versuchte Sassy mit aller Kraft Richtung Boden zu stoßen. Sassy wand sich unter Celles Fäusten und Tritten. Ihr schossen die Tränen in die Augen und sie schrie auf.
Sessy war mit einem Satz über Celles, packte diese, um sie herunterzuziehen. Die Rothaarige wehrte sich erbittert und fluchte, als sie aus dem Bett fiel und hart am Boden aufschlug.
"Zwei gegen einen! Das ist unfair!", fauchte sie und rieb sich den rechten Ellenbogen, der eine unglückliche Begegnung mit einer losen Diele gemacht hatte und nun eine Schramme trug, die ein wenig blutete.
"Genug jetzt!", Saphira war aufgesprungen, hatte ihr Buch wütend auf den Stuhl gepfeffert und trat neben ihre Schwester, um ihr beim Aufstehen zu helfen, "Am Ende tut sich noch jemand richtig weh. Was schaut ihr so belämmert?"
Was Celles und Saphira nicht wahrnehmen konnten, die Zwillinge von Zephyr und Sherine jedoch schon, war der Duft, den das bisschen Blut an Celles' Ellenbogen verströmte. Wie hypnotisiert starrten zwei tiefblaue Paar mit erweiterten Pupillen auf das Mädchen, das sich leise schimpfend den Arm rieb. Von einer unsichtbaren Macht gelenkt, schossen beide, einen Satz nehmend, nach vorn, denn für sie, die der Blutrausch übermannte, war dort keine Freundin mehr, keine Celles. Nur noch Beute.
"NEIN!", Saphiras Stimme gellte durch den Raum und Celles versuchte sich mit einem Sprung zur Seite aus der Ziellinie zu retten, als ihnen blitzschnell bewusst wurde, was hier vorging. Doch es war schon zu spät. Sessy und Sassy hatte jeweils einen Arm von ihr zu fassen bekommen, drängten sie gegen die Wand und gruben ihre Zähne in ihr Fleisch. Celles schrie auf vor Schreck, Schmerz, aber vor allem Panik. Saphira schlug die Hände vor den Mund. Ein weiterer Schrei wurde durch ihren eigenen Schrecken erstickt.
Gleich würde sie Zeuge sein, wie ihre Schwester vor ihren Augen leer getrunken wurde. Sie schluckte und konnte den Blick nicht abwenden.
Doch dann passierte etwas, mit dem keiner gerechnet hatte: Sassy wandte sich als erste ab und spukte angewidert aus. Ihr Zwilling tat es ihr eine Sekunde später nach. "Bah!", schnaubte sie, "Du schmeckst eklig! Voll widerlich, wie ein Teufel! Ihr seid Teufel!"
"Echt grauenvoll", Sassy streckte ihre Zunge raus, lockerte den Griff um Celles' Arm in dem Moment, da sie sich dessen bewusst wurde und wischte an ihrer Zunge herum, als könnte sie den Geschmack abkratzen.
"Fürchterlich, ich glaube, ich muss kot- ..." , weiter kam Sessy nicht. Ihre Augen verdrehten sich, bis nur mehr das Weiß zu sehen war, dann kippte sich um. Einen Augenblick verwundert über diese Reaktion, folgte auch Sassy.
Celles presste sich schwer atmend gegen die Wand. Das Adrenalin, das durch ihren Körper rauschte, verdrängte den Schmerz, den die beiden Bisswunden ausstrahlten, ehe sie sich verschlossen.
Sekundenlang starrte sie einfach nur auf die beiden am Boden liegenden Vampire, ebenso wie Saphira, die noch immer die Hände auf ihren Mund presste.
"Das hätte auch schiefgehen können", grummelte Pyrofera und reichte den Töchtern Zephyrs ein Glas Wasser, "Wirklich schief. Ihr hättet Celles aussaugen können. Bitte lernt, euren Blutdurst unter Kontrolle zu kriegen!"
"DAS ist deine einzige Sorge? Ihr Blut ist abscheulich! Was ist falsch mit ihr?!", fauchte Sassy und griff sich an den Kopf. Er brummte noch und vor ihrem geistigen Auge zuckten Bilder, die sie nicht wirklich zuordnen konnte. Sie könnte aber schwören, dass sie eine jüngere Saphira in einem gesehen hatte.
"Woran liegt das, Tante?", Vanessa ließ sich an der Bettkante nieder. Sessy und Sassy lagen beide in dem großen Bett von Saphira und Celles hockte mit Saphira auf ihrem Bett. "Ist Saphiras Blut dann auch so, verzeih, eklig?"
Pyrofera seufzte leise auf und holte eine Phiole aus ihrer Tasche. Darin schimmerte eine rötliche Flüssigkeit. "Probiert das mal."
"Was ist das?", Sessy griff nach der Phiole und machte den Stöpsel ab, schnupperte daran. Sie spürte augenblicklich das Jucken ihrer längeren Eckzähne. "Willst du testen, ob wir euch alle zerfleischen, oder was wird das für ein schräges Experiment?", sie stopfte rasch den Stöpsel wieder zu, "Und ja, ich nehme an, dass Saphira genauso schmeckt, immerhin sind sie Schwestern."
"Probiert es!", forderte Pyrofera erneut auf, "Es ist mein Blut. Ich bin Ladiras Schwester. Als wir vorher wegen der Schreie reinkamen und ich sah, was los ist, kam der Gedanke in mir auf, dass es am Blut des Dunklen liegen könnte."
"Bäh! Der schmeckt sicher nach Teufel!", kommentierte Sassy und verzog angeekelt über die Vorstellung das Gesicht. Ihr Zwilling öffnete die Phiole erneut und setzte es an ihre Lippen an, um zu kosten. Dann reichte sie es weiter. "Schmeckt normal", erklärte sie und ließ die Zunge über die Lippen streichen, "Viel besser als Cels."
"Dann liegt es wohl wirklich an ihrer Herkunft", nickte Pyrofera und nahm die Phiole wieder an sich, "Sein Blut ist also genauso verseucht wie er selbst und das gesamte Geschlecht des schwarzen Throns von Elensar."
"Klasse!", schnaubte Celles, "Dann sind wir zumindest vor Vampirbissen sicher, weil unser Vater so ein Ekelpacket ist. Das ist wirklich toll..."
"Freu dich!", Sassy seufzte, "Ich will meine Zähne zumindest nie wieder in einem eurer Hälse versenken. Niemals! Und sicherheitshalber auch in keinem anderen in diesem Raum. Wer weiß, welche Eltern die beiden Blondschöpfe hier haben!"
Vanessa hob die Augenbrauen: "Ich heiße Vanessa, schon vergessen? Ich bin ein Ziehkind von Ladira und Pyrofera. Meine Mutter war eine Elensarian mit Wurzeln aus den Unterlanden."
"Dämon", kam es von beiden Zwillingspaaren unisono.
"Ich will es gar nicht erst probieren ... ", Sessy schüttelte heftig den Kopf, "Lieber lege ich mich jetzt schlafen und versuche das zu vergessen und auch, dass ihr Teufel seid."
"Teufel ... ", Pyrofera erhob sich schmunzelnd und ging zur Tür, "Das gefällt mir. Ich denke, ich werde das ab jetzt zu euch sagen. Ihr seid Teufel, ihr Kinder des Dunklen. Gute Nacht nun und damit ihr es gleich wisst: Kein Wort zu euren Eltern, Vampire!! Morgen früh haut ihr wieder ab nach Ägypten und kommt das nächste Mal erst, wenn die Zeiten besser sind."
"Das kann noch ewig dauern!"
"Das sollte kein Problem sein, solange wir davor nicht umgebracht werden, oder?"