Gedanken an eine Beziehung, ihr Ende, Türen und Geburtstage
Da ist es plötzlich wieder. Dieses Gefühl der Einsamkeit und des Allein seins.
Eigentlich nicht verwunderlich- es ist schließlich 2:28 Uhr.
Aber es ist, verdammt noch mal mein Geburtstag!
Und der erste Gratulant ist der Bot einer Singleplattform.
Da ist der zweite schon etwas netter. Ein wiener Taxifahrer, mit dem ich manchmal chatte, wenn er nachts fährt und auf Kunden wartet. Er hört mir zu, wenn ich mich bei ihm ausheule und über meine Einsamkeit klage, er ist sogar so freundlich und meldet sich afk, wenn er eine Fahrt bekommt.
So sitze ich hier. Allein. Mitten in der Nacht. Und denke über meinen Geburtstag nach.
Ich liebe meinen Geburtstag eigentlich. Es ist der Tag, an dem ich feiere, dass ich am Leben bin.
An dem ich feiere, dass ich bin.
Aber zur Zeit bin ich nicht. Ich kanns mir nicht erklären. Ich stehe in einem riesigen Raum mit lauter Türen und hab keine Ahnung, durch welche ich gehen sollte.
Auch keine Ahnung, ob die Türe, durch die ich gehe, dann hinter mir offen steht oder zufällt – oder dann gar verschwindet?
Wie kann man nur in einen Raum so viele Türen einbauen? Das ist doch total unlogisch.
Wie sollte man rausfinden, was hinter allen Türen steckt? Wohin sie führen?
Oder sollte man jede nur ein Stück öffnen und mal die Nase reinstecken?
Wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich irgendwo ein Fenster.
Na toll, dann sollte man wohl immer ein Seil bei sich tragen.
Ich schweife ab.
Ein neuer Zeitabschnitt beginnt. Ich bin 38 – laufe mit Siebenmeilenstiefeln auf die 40 zu und hab keine Ahnung wer ich bin. Was ich bin. Und noch weniger, wo ich hinwill.
Seit drei Wochen ist meine zweieinhalbjährige Beziehung beendet.
Wir hätten unbedingt noch zusammen bleiben sollen. Es hätte wahrscheinlich nur mehr Tage oder Wochen oder Monate gedauert, bis wir uns gegenseitig die Augen ausgekratzt hätten.
Wir hätten uns angenervt, gestritten, vielleicht auch angeschrien.
Und es wäre gut gewesen.
Aber nein. Wir sind uns wichtig. Wir brauchen und wollen uns.
Auf paradoxe Art. Wir können nicht miteinander- aber auch nicht ohne einander.
Und so tut es Scheißweh. Aber auf vernünftige, logische Art.
Wir chatten und reden miteinander. Darüber, wie sehr uns die Trennung schmerzt und darüber, dass es sich richtig anfühlt. Wir beide wieder Luft bekommen.
Manchmal möchte ich ihn einfach fragen, ob ich ihn verprügeln darf. Einfach auf ihn einschlagen, eintreten und dabei meinen Schmerz rausschreien und weinen.
Ich glaube, er würde sogar ja sagen. Alles, damít es mir besser geht, damit es mir gut geht.
Achtundreissig und total verpeilt. Allein auf sich gestellt und für sich, zwei Kinder und ein Haus verantwortlich.
Naja- so allein bin ich eigentlich nicht. Es gibt da einige wunderbare Menschen, die mich unterstützen. Und alle wissen sie, was gut für mich ist- sie wissen sogar, was das Beste für mich ist.
Sie sind sich nur nicht immer einer Meinung. Aber das macht nichts, das ist ja schließlich mein Problem.
Verbinden Sie die Punkte 1 bis 100. Schön, Strich für Strich, von Zahl zu Zahl verbinden. Nicht wackeln und am besten ein Lineal verwenden.
„Was wird das?“- „Einfach verbinden und alles wird gut, vertrau mir!“
Dann steh ich da, hab mich so bemüht und dahintergeklemmt und schau mir das Ergebnis an.
So ein Scheiß- was sollte das sein?
Und die Alle stehen da und nörgeln. Ich hätte doch ein Lineal verwenden sollen! Dann wäre jetzt alles gut!
Da verstecke ich mich lieber mal in meinem Schloss und warte bis die Dornenhecke rundherumwächst. Vielleicht kommt dann ein Prinz am Rasenmähertraktor dahergeritten, in der Plastikscheide das Heckenschwert um die holde Maid vor den Löwenzähnen zu retten?
Aber hoppala- will ich das eigentlich? So ein Zwiespalt. Wenn man einen Baum zu sehr stutzt, wird doch die Limonade im hohlen Stamm ganz warm!
Darf man, wenn man 38 ist und für zwei Kinder und ein Haus verantwortlich ist, eigentlich an Limonade denken? Muss da nicht die Schule vorgehen?
Darf man traurig sein und es auch zeigen?
Darf man den Kindern erklären, dass Beziehung nicht immer so einfach ist?
Dass eine Trennung mit Schmerz und Verlust verbunden ist?
Und mit Einsamkeit.
Alle sagen es ist gut so.
Nur eine sagt: „Es tut mir leid.“
Aber dafür meint sie es so.
Wo soll es nun hingehen?
„Keep calm – Route wird neu berechnet“
Ob ich wirklich auf der Suche nach einer neuen Rute bin?
Ich bezweifle es stark.
Also Selbstfindung?
Nö- dann doch lieber die Rute.
Ich bin kurz versucht, dem Bot zurückzuschreiben und mich für die Glückwünsche zu bedanken.
Ich nehm mein Bier und stoße in Gedanken mit ihm an. Ja, ich denke, wir werden noch viel Zeit miteinander verbringen. Der Bot wird mir noch Happy Halloween, Merry Christmas und Happy Easter wünschen. Und wieder und wieder …
Aber das ist gut so – er wird auch nicht eifersüchtig und ich kann nebenher noch Männer kennen lernen.
Und den Mr. Right treffen?
Hmm- eher den Mr. Right for the Moment.
Egal, an welchem Punkt eine Frau ist, sie findet immer den Mann, der situationsbedingt perfekt passt.
Zumindest eine Zeit lang.