4.
Ich war froh dass ich sie wieder mit nehmen konnte, denn ich wollte unter keinen Umständen, dass sie allein irgendwo auf der Straße übernachtete. Sie hatte mir zwar immer noch nicht erklärt warum sie Drogen mit sich herum trug, aber sie würde schon noch so weit werden. Mit jedem Wort das sie zu mir sagte verstand ich sie ein bisschen mehr und ich hoffte sie würde mir nach und nach vertrauen. Langsam aber sicher musste ich mir eingestehen dass ich mehr als Mitleid für sie empfand, aber sie war offenbar noch verstörter als sie zugab. Erst einmal wollte ich nur da sein und ihr eine Übernachtungsmöglichkeit bieten, das war das Mindeste was ich tun konnte. Als sie wieder in unserer WG war, beobachtete ich verstohlen wie sie sich ein bisschen aus ihrer Verkrampfung löste und schon das ließ mich schmunzeln. Aber auch das zeigte einem wie an- und abgespannt sie wirklich war. "Willst du was essen oder trinken?" fragte ich nachdem ich ihr gezeigt hatte wo sie die Tasche abstellen konnte. "Nur Wasser bitte." "Ok hier. Ich geh noch arbeiten, du kannst ja schon in Joons Zimmer gehen." Sie nickte nur und verschwand hinter der Tür. Viktor hatte ich schon im Club Bescheid gesagt und so setzte ich mich wieder an Robs Video. Eigentlich fehlten nur noch ein paar Details, aber trotzdem verhedderte ich mich wieder in der Arbeit und ich verlor die Zeit aus den Augen. Irgendwann nach Mitternacht hörte ich auf einmal ein dumpfes Geräusch aus Joons Zimmer. Sofort stand ich von meinem Stuhl auf um nachzusehen was das Mädchen gemacht hatte, aber als ich langsam die Tür öffnete, saß sie nur zusammengekauert auf dem Boden vor dem Bett und zitterte ganz leicht. "Hey, hey," ich stürzte auf sie zu, aber sie zuckte zurück. "Alles ist gut, du bist in Sicherheit!" Ganz vorsichtig legte ich ihr einen Arm um die Schultern und hielt sie fest. Sie starrte die ganze Zeit vor sich hin und ich bemerkte, wie ich ihr so nahe war, dass sie so dünn war, dass der übergroße Pulli, den sie zum Schlafen trug, sie fast verschluckte. Da ich bemerkte, dass sie mit den nackten Beinen auf dem kalten Boden Lag, zog ich die sie zurück auf die Matratze und schlang die Decke um uns. Nach einer Weile in der wir einfach nur still da saßen, entspannte sie sich wieder und lehnte ihren Kopf ganz leicht an mich. Nach noch ein paar Minuten war sie wieder eingeschlafen und ich kippte sie sanft wieder ins Bett. "Gute Nacht." flüsterte ich und ging wieder in mein Zimmer.
Am nächsten Morgen wurde ich geweckt weil jemand auf meiner Bettkante saß, es war sie. Ich setzte mich auf und fragte:"Konntest du noch mal schlafen?" "Ja Danke, und es tut mir leid dass ich dich aufgeweckt habe. Sowas passiert mir eigentlich nicht, ich war wohl irgendwie gestresst." "Nein, Nein ich war sowieso noch wach, ist schon ok." "Gut ähm dann wird ich mal gehen.." "Nein du musst was essen, wieso willst du immer weg? Ich will dich zu nichts drängen, aber auch nicht dass wieder abhaust." "Ich weiß auch nicht, ich will dir einfach nicht zur Last fallen, du hast doch auch so schon genügend zu tun, deine ganzen Fans erwarten das von dir, ich will dich nicht ausnutzen." "Aber das tust du nicht! Ich mag meine Arbeit, aber das heißt nicht, dass ich an Youtube gebunden bin, ich kann immer noch tun was ich will." "Aber ich bin das nicht gewöhnt, das klingt jetzt traurig, aber das ist ok, ich brauche niemanden, der mich bemuttert." Sie wirkte wieder so unglücklich, dass es weh tat, auch wenn sie sich große Mühe gab das zu verstecken. " Das will ich nicht, ich will nur, dass es dir gut geht!" "Aber warum, verdammt nochmal?" fragte sie fast weinend. "Ich bin ein einziger Fehler und dann kommst du und änderst in zwei Sekunden alles, was siehst du bitte in mir, dass du dauernd versuchst mir zu helfen?" "Ich werd dir sagen was ich in dir sehe," ich griff nach ihrer Hand. "Du bist wundervoll, egal was du selbst von dir denkst. Und du schaffst das, ich helfe dir, ob du willst oder nicht." "Aber du weißt nicht wobei du mir helfen willst, du siehst doch wie es mir geht! Vielleicht muss ich am Ende dann dich retten." "Hör auf." "Womit denn?" "Daran an dir zu zweifeln und immer wieder Gründe zu finden warum es nicht funktioniert, denn das tut es!" "Das kannst du ni," " Doch das kann ich!" flüsterte ich jetzt fast, dann wischte ich ihr die Tränen von den Wangen, nahm ihr hübsches Gesicht vorsichtig in meine Hände und küsste sie auf den Mund. Sie wirkte erst überrascht, aber dann küsste sie mich auch und schlang ihre Arme um meinen Hals. Er dauerte nur Sekunden und hatte nichts spektakuläres wie wir da so auf meiner Bettkante kauerten, aber für mich, für uns waren es Stunden und es explodierte ein kleines Feuerwerk im Hintergrund. Als sie sich von mir löste, sah sie mich einfach nur aus großen, dunklen Augen an und lächelte endlich wiedeR. "Danke, für alles. Aber ich kann nicht sofort von vorn anfangen. Ich muss zumindest meine alten Verbindungen abbrechen, sonst zieht es mich irgendwann wieder zurück, wie beim letzten Mal." "Das versteh ich, aber lass mich dir dabei helfen." "Es tut mir leid, du kannst nichts tun. Ich muss jetzt los, aber ich komme wieder, ok?" "Und woher weiß ich, dass dir nichts passiert?" "Ich kann schon noch einen Tag auf mich selbst aufpassen, ich lass auch mein Sachen hier, das ist alles was ich hab, ich bin spätestens heute Abend wieder da." "Na schön, beeil dich." "Ist gut."antwortete sie und ich war froh, dass sie mit einem Lächeln ging.
Als ich aus Jus Haustür trat, war ich glücklich und verwirrt. Ich wusste nicht mehr was ich denken sollte, Ju hatte mich einfach geküsst und etwas war in mir zersprungen, etwas wie eine Wand, die mich von ihm und den Rest der Welt getrennt hatte, war weg und ich bereit mich zu lösen, das Einzige was ich noch nicht wusste, war wie ich es Luck und den anderen sagen sollte. In dem halben Jahr im Heim, war ich von meiner Vergangenheit völlig abgeschottet worden, aber auf meinem Handy hatten sich hunderte Nachrichten angesammelt und seit meinem 18. Geburtstag hatten mir schon diverse Typen aufgelauert und versucht mich einzuspannen. Man kannte mich, das war immer ein Vorteil gewesen, der sich jetzt zum Schlechten wandelte. Ich musste ein für alle Mal klar machen, dass ich aus der Szene raus war. Vielleicht war es leichtsinnig zu denken ich könnte sofort alles hinter mir lassen und ein perfekts Leben anfangen, aber was hatte ich zu verlieren? Nichts hielt mich irgendwo, weshalb ich jeden Tag jemand andres sein konnte, wenn ich nur wollte, genausogut wie ich einfach allem ein Ende bereiten konnte. Im Moment wusste ich nicht richtig wieso ich diesen Weg einschlug, möglicherweise weil ich nichts besseres zu tun hatte. Es klang komisch, aber in Grunde war mein Leben nur noch willkürlich, ein Spielball in der Schlucht, von fremden Größen geleitet und von niemandem beachtet.. Jedenfalls tauchte ich als erstes wieder in der Halle auf. Nachdem ich dort aber alles durchsucht und nur noch die Plastikvorhänge gefunden hatte, beschloss ich mein Glück am Hauptbahnhof zu versuchen, wo ich auch fündig wurde. In einer Ecke drückten sich ein paar von Lucks Freunden herum und rauchten. "Hey Prinzessin, schön dich wieder zu sehen, wieso frägst du denn Steve nach Jobs, ich bin auch noch da!" begrüßte mich Jeff, ein großer Typ mit kurzen roten Haaren. "Ich suche nur mal wieder nach Luck, hat ihn jemand von euch gesehen?" "Ja, ich glaube er ist am Nordausgang irgendwo." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren lief ich in diese Richtung und fand in dort auch in einer Gruppe seiner Leute stehen. "Hey kann ich kurz mit dir reden?" fragte ich gleich. "Da bist du ja endlich, was gibt’s?" Wir entfernten uns ein Stück von den anderen und ich versuchte ihm zu erklären:"Luck hör zu, ich werde aufhören, nimm das zurück." Verdeckt zog ich die ungefähr 40 Euro und die restlichen Tütchen und drückte sie ihm in die Hand. "Gut ich hab auch noch anderes Zeug für dich, wo ist das Problem?" "Du…du verstehst das nicht, ich steig aus, ich will das nicht mehr, das alles." "Aber woher kommt denn das jetzt? Was ist los mit dir, dass du deine Meinung von gestern auf heute änderst?" "Es ist gar nichts mit mir los, ich will nur ganz einfach nichts mehr dem hier zu tun haben!" "Nach allem was ich für dich getan habe, kommst du jetzt auf die Idee, dass du ´anständig´ werden willst?! Denkst du, du kommst einfach so davon?, er packte mich grob am Arm, so hatte ich ihn noch nie erlebt" "Geht´s noch?" ich riss mich los."Ich bin dir rein gar nichts schuldig, ich hab dir immer alles zurück gegeben was ich mir genommen habe." "Ja und? Du gehörst immer noch hier hin und hast genauso viel getan wie ich, du kannst mich, uns alle jetzt nicht allein lassen!" "Was hab ich denn bitte für deine Drogenscheiße getan? Du hast das immer alles geleitet nicht ich, also übernimmst du auch irgendwann die Verantwortung und zwar ohne mich!" Ich drehte mich um und ging wobei Luck mir noch ein letztes ´das wirst du bereuen´ hinterher rief. Aber ich war wie erlöst von der Last die er mir über die lange Zeit auf die Schultern geladen hatte und musste mich jetzt damit auseinander setzten wie es mit Julien weitergehen sollte. Als erstes würde ich ihm wohl sagen müssen wie ich hieß. Aber was würde dann passieren? Ich hatte weder Geld noch eine Wohnung, also quasi keine Perspektive und Ju kannte ich erst seit zwei Tagen ich konnte auf keinen Fall bei ihm einziehen, geschweige denn sein Geld ausgeben! Trotzdem würde ich wohl nicht umhin kommen erst mal bei ihm unterzukommen während ich nach Arbeit und einer neuen Bleibe suchte und das würde nicht leicht werden. Dort war es immer einfach gewesen für ein bisschen Einsatz eine ausreichende Bezahlung zu bekommen, aber ich hatte fast keine Ahnung wie es normalerweise ablief. Natürlich war da immer noch mein Vater und seine kleine Autowerkstatt, doch er war mit Abstand die letzte Person an die ich mich wenden wollte. Erstens war eigentlich früher nie genügend Geld für uns beide da gewesen, zweitens hatte er nie die Rolle eines fürsorglichen Vaters übernommen und nach dem Heim auch nie versucht Kontakt zu mir aufzunehmen. Unsere letzte Begegnung war schon ein paar Wochen her und da war ich dann so schnell wie möglich verschwunden. Ehe ich mich versah stand ich wieder vor Jus Wohnungstür, zwar bohrten Lucks Worte immer noch in meinem Hinterkopf, doch ich war jetzt froh dass ich bis auf Weiteres auf Ju zählen konnte. Das Einzige, an dem ich noch zweifelte, war der Kuss. Für mich war das so plötzlich gewesen und ich musste schon die ganze Zeit daran denken, wie ich mir genau das in dem Heim wie so ein verrücktes Fangirl gewünscht hatte, als hätte ich keine anderen Probleme. Und jetzt, an einem weiteren Tiefpunkt meines Lebens, tauchte dieser perfekte Mann, mit den tiefschwarzen Haaren und den einfühlsamen Augen plötzlich wieder auf und mein vergessener Traum erfüllte sich. Mir war nur noch nicht klar ob und wie es weiter gehen sollte. Natürlich war schon diese kleine zarte Berührung unglaublich gewesen, aber wir waren aus zwei komplett unterschiedlichen Welten, er hatte eine ihn liebende Familie, Freunde und eine Karriere, ich dagegen noch nicht einmal einen Ausgangspunkt von dem ich neu anfangen konnte. Es war aussichtslos, ganz zu schweigen wie Julien davon dachte. Vielleicht, ja sogar wahrscheinlich, hatte er Mitleid und das vorhin war nur ein dummer Ausrutscher gewesen und es war bescheuert zu glauben aus dieser Sache könne etwas werden. Außerdem durfte ich Ju in nichts mit hinein ziehen, wenn also Luck oder einer der anderen ihre Drohungen war machten, musste ich den Kontakt abbrechen, auch wenn er der erste und einzige Mensch war wegen dem ich es überhaupt geschafft hatte die Brücken hinter mir abzureißen. Auch wenn wir uns nach dem hier nie wieder sähen, würde er das Beste bleiben, das mir jemals passiert war. Als ich auf die Klingel drückte, ertönte gleich der Türöffner und ließ mich hinein. Im zweiten Stock stand Ju schon erwartungsvoll im Türrahmen "Und? Alles gut gelaufen?" "Ja alles ok." beruhigte ich ihn."Aber wir müssen reden." Er nickte nur und führte mich in sein Zimmer. "Ist es wegen dem, dem Kuss?" "Nein, nicht direkt, es ist wegen allem. Ich weiß nicht wohin aber ob du willst oder nicht, ich kann mich nun mal wirklich nicht von die unterhalten lassen!" "Das nicht, aber du kannst hier bleiben solange du willst, ich verlange nichts dafür." "Na gut, ich nehme dein Angebot an, aber nur solange Joon noch weg ist, für vier reicht die Wohnung wirklich nicht. Und dann ist da noch das zwischen uns. Was ist das?" "Ich weiß es noch nicht, aber das ist nicht schlimm, wir werden schon sehen wohin es führt." "Ok wenn du meinst,, antwortete ich erleichtert, dann nahm ich mir ein Herz, umarmte ihn und flüsterte ihm:"Danke für alles" ins Ohr. Ich fühlte sein Lächeln und wie seine Hände über meinen Rücken fuhren. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, so an seine starke Brust gedrückt zu stehen, den Kopf in seinem violetten Pandapulli vergraben, wo mir sein männlicher, aber nicht so aufdringlicher Duft in die Nase stieg. Als ich von ihm abließ, sah er mir tief in die Augen und drückte dann seine Lippen auf meine. Ich erwiderte den Kuss erst vorsichtig, dann selbstbewusster, er umfasste meine Taille und ich fuhr ihm durch die Haare. In meinem Bauch explodierten alle kitschigen Schmetterlinge auf einmal und ich wollte in diesem Moment nirgens wo lieber sein als hier und nichts lieber tun als bei ihm zu sein. Für den Bruchteil aller Sekunde war mir das Wichtigste, nämlich Ju, klar vor Augen. Ich wusste ganz genau, dass alles egal war solange er da war und mich küsste. Doch so berauschend das war, so schnell stürzten alle meine Probleme wieder auf mich herein und damit auch die Erkenntnis, dass mich ein schöner Augenblick nicht rettete. Sofort wollte ich Ju wieder irgendetwas vorjammern, aber er legte mir nur seinen Finger auf die Lippen und sagte "Nein du wirst jetzt nichts sagen, außer worauf du Lust hast! Willst du essen gehen oder was bestellen?" Lächelnd antwortete ich "Bestellen klingt gut, nur Pizza oder so." "Ok ich ruf gleich an, was magst du?" "Schinken bitte, wo habt ihr was zu trinken?" "Im Kühlschrank, Gläser sind im Hängeschrank rechts, ich will nur Wasser." Ich schenkte uns zwei Gläser ein und wartete in seinem Zimmer bis er mit telefonieren fertig war."Hey," er ließ sich neben mir aufs Bett fallen "Willst du mir erzählen was du heute Vormittag gemacht hast?" Betreten schaute ich auf die schwarze Bettdecke und antwortete zögernd "Ich hab alles geregelt, ich bin endgültig raus und ich hoffe das haben die verstanden." "Das hoffe ich für sie." erwiderte Ju und ich wusste nicht ob wie ernst er es meinte. ;Und was machen wir heut noch?" wechselte ich das Thema. "Was du willst. Ich hab Netflix." "Ähmm hast du auch GTA oder sowas?" "Ok das war die bestmögliche Antwort!" Er lachte, holte diverse Videospiele und wir zockten bis die Pizza endlich kam. Jetzt krümelten wir sein Bett voll und redeten über Gott und die Welt." "Und was steht in nächster Zeit so an? Bis zur Longboardtour dauert es ja noch ein bisschen oder?" "Ja das tut es, jetzt gerade mach ich erst mal mit HeyJu weiter und nächste Woche fangen wir mit dem Musikvideo zu BellaLuna an." "Wow, weißt du ich hab mich schon seit deiner EP gefragt, wen du mit der Frau meinst." "Ach da habe ich an niemand bestimmtes gedacht, aber vielleicht bekommt sie ja noch eine Bedeutung." antwortete er und setzte dabei ein sarkastisches Machogrinsen auf "Du bist doof." sagte ich und boxte ihn gegen den Arm. Er boxte zurück und ein paar Sekunden später lagen wir ineinander verknotet auf der Matratze und lachten, wobei wir die Schachtel mit den restlichen Pizzen auf dem Boden verteilten. Um den Moment perfekt zu machen, krabbelte ich zu ihm und lachte "Fe, mein Name ist Fe" "Wow Hi Fe ich bin Julien, schöner Name übrigens!" "Du bist immer noch doof." "Nein nein, der ist echt schön." sagte er, zog meinen Kopf auf seine Brust und strich mir durch die Haare. Ich schmiegte mich an ihn und schloss die Augen währen ich das Gefühl genoss. Nach einer Weile, in der wir einfach so da lagen, hörte ich Julien auf einmal ruhig und gleichmäßig atmen und ich fragte mich wann er gestern ins Bett gegangen war und wie müde er gewesen sein musste, dass er nach so kurzer Zeit sofort einschlief. Es war irgendwie süß ihn so völlig entspannt und losgelöst zu sehen. Lautlos setzte ich mich auf, zog die Decke über seinen Körper, holte meine Jacke und schloss leise die Wohnungstür hinter mir. Getrieben von der Ruhelosigkeit lief ich ziellos von Straße zu Straße von Haus zu Haus. Der kalte Wind bohrte sich in meine Klamotten, aber ich spürte das gar nicht, das einzige was ich fühlte war wie in meinem Inneren die Liebe, ich wusste dass es Liebe war, und die Sinnlosigkeit meines Daseins gegeneinander ankämpften. Es waren die gleichen Gedanken, Worte und Sorgen wie schon die letzten Tage, die verzweifelt nach Antworten riefen und einfach nicht locker ließen. Mein Verstand stellte mir auch die immer gleichen Fragen über meine Zukunft. Ich war längst erschöpft, viel zu ausgelaugt um mich den langwierigen Herausforderungen eines Neuanfangs zu stellen und es war ja süß, dass Ju versuchte mich abzulenken, egal wie klein seine Gesten waren, aber es brachte mir rein gar nichts. Jedem schönen Moment folgte zwangsläufig das schlagartige Katapult zurück in die kalte Wirklichkeit. Das hielt ich auf Dauer nicht aus, auch wenn das bedeutete, dass ich Ju nicht ertragen konnte, wenn es so war, war es so. Ich ertrug mein verdammtes Leben nicht mehr, das war der Punkt. Der Einzige der mich am Selbstmord zweifeln ließ, war Ju, andererseits er würde schon klar kommen, er hatte ein perfektes Leben, er musste sich um nichts Sorgen machen. Danach konnte er mich nach ein paar Wochen vergessen und ich würde zu einem nach und nach verblassenden Fleck auf seinem Weg werden, unscheinbar und kaum noch zu sehen. Mir wurde klar, dass ich 18 war und nichts erlebt hatte, an was sich eine Volljährige erinnern können sollte, stattdessen hatten sich mir in diesen Jahren die Abgründe der Menschheit aufgetan, und ich hatte alles gesehen, was man niemals sehen sollte. Es reichte schon zu wissen, dass diese Erinnerungen ganz hinten in meinem Kopf schlummerten um bei mir einen Würgereiz auszulösen und ich fragte mich was aus dem Leben geworden war, das eigentlich für mich bestimmt gewesen war. Der Verlust meiner Mutter hatte es mir mit elf entrissen und einem andere Kind gegeben. Mich hatte er von meiner geraden Lebenslinie ins Aus geschupst und dort wie ein Tierkadaver im Dreck verrotten lassen. Er hatte auch nur vom Rand aus zugesehen als mich die falschen Leute mit den falschen Absichten dort fanden, mich mitnahmen und mich schließlich mit den falschen Momenten und den falschen Erinnerungen zeichneten. Die Narbe an meinen Rippen war nicht etwa von einem Fahrradsturz oder einem Fall vom Baum, sondern von einem Typ der mich vor kurzem auf der Straße überfallen hatte, die blau-gelben Hämatome an meiner Hüfte von einem Mann, der versucht hatte mich zu vergewaltigen und die dünnen, weißen Linien auf meinen Unterarmen und Schenkeln waren ganz bestimmt nicht die Kratzer einer Katze oder eines Hundes den ich als Haustier hielt. Sie allesamt waren nicht richtig, sie machten mich schmutzig und würdelos und falsch. Sie zerstörten langsam aber sicher meinen Glauben, meine Hoffnung und meinen Willen. Ju würde in dem allem untergehen und nicht wieder auftauchen, das war ich nicht wert. Das einzig richtige war ihn aus allem rauszuhalten, das war das einzige Gute das ich noch tun konnte bevor ich endgültig ging. Ein Schlussstrich musste gezogen werden, ich auf der einen Seite, er und das Leben auf der anderen. Aber dazu durfte ich ihn nicht mehr an mich heran lassen, ich musste ihm wiederstehen und gehen, wenigstens dafür musste ich einmal in meinem ganzen Leben stark sein, für ihn.
Hey ich bin ja noch neu hier, deshalb verzeit mir bitte Fehler, das ist auch das erste Mal dass ich eine Story abtippe, sonst hab ich echt immer nur mit Füller geschrieben ;P Ok bis dann, ich versuche so oft wie möglich weiter zu machen.