5. Kapitel
Das "untote" Bio Tantchen
Wir besprachen anschliessend, was weiter geschehen sollte. Die anderen, mein Mann und ich beschlossen, nochmals hinauf in die Schule zu gehen, um uns nach weiteren Zombies umzusehen und diese, wenn irgend möglich, ausser Gefecht zu setzen, ohne sie jedoch zu schwer zu verletzen, oder gar umzubringen. Denn wir hatten immer noch die Hoffnung, dass sie vielleicht zu retten waren. Wir mussten einfach zuerst herausfinden, was diese Bewusstseinsveränderungen herbeigeführt hatte. Mein Mann und ich waren froh, etwas Hilfe zu haben.
Zusammen gingen wir, nachdem wir uns mehrmals vorsichtig umgeblickt hatten, in die Werkstatt und bewaffneten uns mit allerlei Gerät, dass uns die Zombies vom Hals halten sollte. Rubius tauschte, seinen eher unpraktischen Sonnenschirm, gegen eine Spitzhacke, Karl seine Stuhlbeine gegen eine Schaufel, Mina und Elina bewaffneten sich mit je einer Gartenkralle und mein Mann und ich nahmen beide eine Mistgabeln zur Hand. Falls wir in ernsteste Bedrängnis kommen sollten, nahm David noch einen Tessiner Gertel (eine Art Sichel, jedoch mit einer etwas weniger gebogenen Spitze) in seiner Werkzeugtasche mit, die er sich umband und ich trug zusätzlich meinen Pfeffer- spray und ein Messer bei mir. Ausserdem behielt Mina ihren Hammer, den sie sich in den Gürtel steckte und Elina nahm neben ihrer Schere noch eine Spraydose mit Feuerzeug mit, welches sie alles in einer weiteren Werkzeugtasche (die sonst für die Fensterreinigung gebraucht wurde) unterbrachte, die sie um den Bauch trug. Zusätzlich bewaffnete sie sich ebenfalls mit einem Messer. Karl trug in seinem Gürtel ausserdem eine kleine Gartenhacke und Rubius einen zweiten Tessiner- Gertel, ebenfalls in seinem Gürtel. Zudem hatten alle einige Tücher, Schnüre und Kabelbinder bei sich, um die Zombies ruhig zu stellen. So waren wir gerüstet und verliessen die Wohnung durch den Nordeingang.
Remo wiesen wir an, hier zu bleiben und sich einzuschliessen. Er konnte uns auf unser Handy telefonieren, wenn etwas passierte. Jedenfalls war er in der gut befestigten Wohnung bestimmt am sichersten. Zuerst liess er uns gar nicht gern ziehen, doch er verstand dann auch, dass in dieser Krisenzeit, jede Hand gebraucht wurde. Er wollte am liebsten auch mithelfen, doch das erlaubten wir ihm natürlich nicht. Es war viel zu gefährlich.
Wir lauschten eine ganze Weile und blickten durch den Türspion, bevor wir es wagten, den Schlüsseln zu drehen und die Klinke herunterzudrücken. Ganz vorsichtig, alle ihre Waffen erhoben, öffneten wir die Tür dann, und vor uns lag die Treppe, welche hinauf ins Schulhaus führte. Keine Zombies in Sicht! Leise schlüpften wir, einer nach dem andern, angeführt von meinem Mann und Karl nach draussen und schlichen die Treppe hinauf. Wir horchten weiterhin angestrengt, ob wir irgendwelche Geräusche vernahmen, denn das Knurren, Seufzen und Schlurfen der Monstren, konnte uns dabei helfen, diese frühzeitig zu entdecken. Unser Plan war es, das Schulgebäude vollends abzuriegeln und alle Zombies im Haus ausser Gefecht zu setzen. Ein schwieriges, lebensgefährliches Unterfangen. Doch leider unumgänglich, wenn wir verhindern wollten, dass die Schule noch vollends überrannt wurde. Ausserdem mussten wir doch eine sichere Zuflucht schaffen für jene, welche es brauchten. Wir hatten ja sogar einen Luftschutzkeller, den wir wenn nötig einrichten konnten. Doch… zuerst mussten wir sicherstellen, dass dieser ebenfalls frei von Zombie- Musikern und anderen Zombies war. Immerhin befand sich ja auch der Übungskeller von Peters Band, gleich neben den Luftschutzräumlichkeiten.
So bewegten wir uns bis zum Äussersten angespannt, durch den vermeintlich ausgestorbenen Flur.
Wir gingen zuerst ins Lehrerzimmer. Sogleich, als wir dieses betraten, vernahmen wir jedoch einige unheilverkündende Geräusche! Wir atmeten tief ein und umfassten unsere Waffen fester. Irgendjemand schien sich da am Kühlschrank des Aufenthaltsraumes zu schaffen zu machen und… es klang nicht etwa wie ein Mensch! Ein Schmatzen und unwilliges Seufzen, drang an unsere Ohren. Die Männer gingen voraus und schielten um die Ecke neben den Schulpostfächern. «Es ist… Viktoria…» flüsterte Karl, so leise er konnte.
Natürlich kannten alle Viktoria Grünkraut, eine braunhaarige Frau Ende 50, welche ihrem Namen auch stets alle Ehre machte. Man kannte sie, als sehr naturverbunden und eher alternativ. Sie war eine kreative Teilzeitchaotin und arbeitete oft im Schulhausgarten. Bei ihr kam nur Bio- Kost auf den Tisch und nachhaltige Energien in die Steckdosen. Sie war handwerklich geschickt und konnte ausserdem sehr gut pfeifen, was sie auch tat, wann immer es ging. Nun… ich hörte sie gerne pfeifen, denn auch ich sang und pfiff manchmal gerne bei der Arbeit vor mich hin.
Aber die Essens-Reste ihre Bio- Kost, welche sie jeweils im Kühlschrank des Lehrerzimmers hinterliess, hatten uns und unserem Reinigungsteam schon oft den einen oder anderen Schauder über den Rücken gejagt. Das Problem an sich war ja nicht die Bio- Kost selbst, aber dass Viktoria sie sehr oft vergass und wir die Überreste davon dann, bei der jährlichen Kühlschrank- Grundreinigung, meistens für sie entsorgen mussten. (das es von ihr war wussten wir immer, weil stets Bio draufstand und oft der Name Grünspan… äh Grünkraut, darauf gekritzelt war) Denn Frau Grünkraut lebte oft frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Genauso handhabte sie es auch bei einigen andren Dingen, was ihr im Hauswart- Almanach den Namen Bio Tantchen mit Teilzeit-Chaoten-Allüren eingebracht hatte. Ansonsten war an ihr nicht viel auszusetzen, wir mochten sie meistens, nur ab und zu nicht so sehr.
Doch wie auch immer, das Bio Tantchen schien es nun also tatsächlich auch erwischt zu haben! Doch wie wir sie vorfanden, war schon eher schräg. Sie kauerte vor dem Kühlschrank, all ihre Dosen mit den Essenresten, die sich im Laufe des Jahres wieder angesammelt hatten, um sich herum aufgereiht. Sie öffnete eine nach dem andern und wollten den, bereits grösstenteils zu einem weissgrünen Brei gewordenen Inhalt, essen. Es wirkte sehr grotesk… äusserst grotesk… grotesker als alles, was wir bisher zu Gesicht bekommen hatten und das war nun wirklich eine ganze Menge mittlerweile.
Wir verzogen ziemlich entsetzt unsere Gesichter und schauten einander an. Man merkte an den Bewegungen von Viktoria, der klaffenden Wunden an ihrem Hals und dem blutüberströmten Bio- Baumwollblüschen, dass sie trug, dass sie eindeutig ein Zombie war. Ein ziemlich Hungriger noch dazu, dem jedoch diese ganze Bio Grütze nicht wirklich zu schmecken schien. Sie warf die Büchsen und Kartone, immer sogleich nach dem Kosten des Inhaltes, wieder knurrend von sich, was natürlich eine ziemliche Schweinerei verursachte. Eine Schweinerei, welche mir und meinem Mann unter anderen Umständen einen entsetzten Aufschrei entlockt hätte.
Nun aber, hatten wir wahrlich andere Sorgen als ein schmutziger, mit schimmligen Essenresten bedeckten Spannteppich... Denn Viktoria Grünkraut hatte uns bemerkt und ein bedrohliches Flackern erschien nun in ihren dumpfen, dunklen Augen… Zähnefletschend und knurrend wandte sie sich uns zu…
«Wir müssen sie schnellstmöglich ruhigstellen!» rief Karl. «Ja, hilf mir mal!» erwiderte mein Mann und griff nach einem der bunten Stühle im Lehrerzimmer, mit vier stabilen Stahlfüssen. Er bedeutet Karl mit anzupacken und zusammen bewegten sie sich mit je einem der Stühle auf Viktoria zu. Sie wollten sie damit zu Boden werfen und sie dort festhalten. Doch Viktoria gebärdete sich wie eine Wilde und wollte sich auf uns stürzen. Wir andren richten die langstieligen Waffen auf sie und drängten sie, so gut es ging, zurück. Ganz ohne dass wir unserem Bio- Tantchen einige Blessuren beibrachten, klappte es nicht, aber wir bemühten uns, sie so gut es in der gegenwärtigen Situation möglich war, zu schonen. Karl und David hielten sich ihre Klauen und Zähne mit den Stühlen vom Leib und das war ziemlich anstrengend. Schweiss perlte bereits auf ihrer Stirn.
«Schnell werft ihr eins der Tücher über den Kopf! » brüllte mein Mann, «damit sie sich beruhigt! » Ich packte ein Tuch und warf mich von der Seite auf das Bio- Tantchen. Ich umwickelte ihren Kopf mit dem Stoff und sogleich wurde sie ruhiger und wir konnten sie zu Boden ringen. Mit einem der Stühle, hielten wir sie am Ort und Elina und Mina fesselten ihr die Hände mit Kabelbindern. Das Tuch banden wir Viktoria mit einer Schnur am Hals fest, so dass sie aber nicht erstickte. Obwohl … vielleicht war sie ja schon tot... oder untot... was auch immer. Doch… egal! Jedenfalls war sie jetzt ruhig gestellt und liess sich sogar von uns in einen kleinen Nebenraum bringen, wo wir sie dann an einem Heizungsrohr festbanden, die Tür abschlossen und diese mit einem Holzscheit noch zusätzlich sicherten, dass mein Mann vorausschauend wie er war, bei sich trug ;-) Der erste Zombie war also überwältigt, was uns doch ziemlich stolz machte. Es konnte weitergehen...