Branka verabschiedete sich. Selina und ich begleiteten sie hinaus. Ein roter Benz SLK stand da offen da und wartete auf sie. "Du hast ihn immer noch?" fragte ich. Ich hatte ihr den Wagen vor etwa zehn Jahren gekauft, als sie noch studierte. "Na klar! Der ist unverkäuflich! Ich liebe dieses Auto. Nicht zuletzt, weil es von dir ist, Michael. Ich habe jedes Service machen lassen und ich behalte ihn. Im Winter fahr ich gar nicht damit, ich hab noch einen Polo, weißt du, damit der nicht so viele Kilometer machen muss." - "Das freut mich, dass du so daran hängst!" - "Ich hänge ja auch an dir, mein Großer!" Sie winkte noch einmal und fuhr ab. "Ich könnte lange hierbleiben mit dir und Mel!" meinte Selina. "Ihr lebt hier eine Harmonie, als kämst du von hier." - "Weißt du, Schatz, diese Leute haben mich sicher zum Teil geprägt, mir eine Richtung gegeben. Ich war in der Pubertät und Jugend eigentlich nur bei Ihnen. Ich ging nur noch zum Schlafen heim. Mirko und Mira haben mich sicher geformt. Ich habe sie respektiert als Eltern und sie waren auch so, wie man sich Eltern wünscht. Es gab nie auch nur ein lautes Wort zwischen uns. Wir behandelten uns immer alle mit Respekt. Und so bin ich auch erfolgreich geworden, weil ich ihre sympatische Art übernommen habe, weil ich mich bei ihnen immer wohl fühlte. Aber wir haben ja noch die ganze Woche. Ich freue mich schon auf Mirko."
Wir gingen wieder zu Mira und Mel. "Michael, Selina, sie hat Oma zu mir gesagt!" Mira strahlte. "Stört es dich?" fragte ich scheinheilig. "Aber nein, Micha! Sie hat gefragt, wann Opa nach Hause kommt!" - "Na, ich bin mal gespannt, wie der das sieht!" Selina und ich hatten im Vorfeld darüber diskutiert, da Melina ja so gesehen kein Großeltern hatte, ob sie nicht Mirko und Mira als solche haben und auch so nennen sollte, zumal sie uns ohnehin näherstanden als meine eigene Mutter. Ich legte auch keinen Wert darauf das Melina mit Mutter Kontakt hätte, im Gegenteil, ich würde sie von ihr fernhalten! Für Mira war es natürlich eine große Freude und ich ging davon aus, dass auch Mirko stolz sein würde auf sein "Enkelchen".
Dem war auch so. Mirko kam kurz nach sechzehn Uhr und freute sich sichtlich über unsere Anwesenheit. Er hatte Selina schon bei ihrer ersten Begegnung ins Herz geschlossen und mochte sie sehr. Als Melina ihn dann auch noch mit den Worten "Hallo Opa" begrüsste fragte er Mira sofort: "Hast du das gehört, Mira? Opa sagt sie! Zu mir!" - "Ich weiß! Sie hat mich schon gefragt, wann denn Opa endlich heimkommt!"
Nach dem allgemeinen Begrüßungstrubel erklärte mir Mirko, dass ihnen seit ich das Hauskraftwerk installiert habe, viel mehr Geld bliebe. Man spüre es an allen Nebenkosten, Vom Duschen, Heizen, Kochen, natürlich vor allem an der Stromrechnung. Auch das Boot laufe wie eine Rakete und ginge mit der Elektromaschine viel beser und ruhiger als vorher. Seine Freunde hätten alle gerne so einen Antrieb und fragten ständig, wo man so was bekäme.
"Das ist schon gut so, dass nur der (heimliche) König von Porec einen Montarantrieb im Boot hat. Dein Boot soll auch was Besonderes bleiben, findest du nicht, Mirko?" - "Ha, mir ist das gerade recht, wenn ich denen um die Ohren fahr!" Schließlich nahm er mich ein Wenig zur Seite. "Mira hat mir erzählt, das Renate Krebs hat! Sie kommt zu euch in die Klinik?" - "Sie soll nicht schlechter behandelt werden, als alle Anderen auch, Mirko. Das entspräche nicht unserer Einstellung. Weder Selinas, noch meiner. Auch wenn es mir lieber wäre, ich hätte sie nie mehr gesehen. Nichts desto trotz will ich nicht so tief sinken wie sie, die es nie verwunden hat, die Abtreibungsfrist um zwei Tage zu versäumen..." Mirko lehnte sich ein Wenig zurück und sah mich ungläubig an. "Du weißt davon?" - "Ich habe damals unfreiwillig euer Gespräch mitbekommen! Und ich stimmte dir im Geiste voll zu, als du sagtest: "Ich hab dir ja gesagt, das sie ein dummes Luder ist, Mira!" Aber es hat mir die Entscheidung leichter gemacht, Horsts Angebot anzunehmen, der mir ein lieber, guter Mentor war. Weh getan hat mir die Trennung von euch, ja! Aber die Trennung von Mutter war keine Trennung. Wenn ich an den Wochenenden ins Dorf gekommen bin, bin ich nur zu Bertie und Gerd gegangen und zu euch. Ich sah Mutter das letzte Mal, als ich achtzehn war und mein Zeug abholte, beziehungsweise den Rest davon, den sie noch nicht verscherbeln hatte können. Es ist meine Pflicht innerhalb meiner Möglichkeiten für Bedürftige da zu sein und ich werde unsere Kliniktüren nicht vor Renate Montar verschließen, aber ich lege nicht den geringsten Wert darauf, meine "MUTTER" zu sehen. Ich habe Eltern. Eltern, zu denen mein Kind Opa und Oma sagen kann! Das hab ich mir mein Leben lang gewünscht, Mirko, und ich bin stolz darauf, dass sie es zu euch sagt!" Mira und Selina hatten alles mitgekriegt. Selina kam zu mir und fasste mich am Oberarm. Ich hatte ihr nie von Mutters verhinderter Abtreibung erzählt. "Ich auch!" sagte sie. "Ich bin auch stolz darauf, dass meine Tochter solche Großeltern hat. Und besonders stolz bin ich auf meinen Mann, der seine Hilfe auch Renate Montar zubilligt, auch wenn es eine Größe verlangt, die nicht jeder hat. Du hast sie Michael...