Das traf sie hart. Sie wollte den Personenschutz, den Michael angeordnet hatte auf keinen Fall, damit der Erpresser nicht abgeschreckt wurde und nun hatte sie ihre Tochter alleine gelassen, während dieser gekommen war. Und: Michael hielt vermutlich die Bilder in Händen. (Die es ja eigentlich gar nicht geben konnte) Dabei hatte sie noch zu ihm gesagt: "DU wirst bedroht!" Selina ging in den Salon zu Max. "Was wissen wir?" - "Der Attentäter heute morgen war ihr Vater, den ich aus meiner Polizeitätigkeit kenne. Das dürfte seine letzte Handlung als konzessionierter Detektiv gewesen sein. Er glaubte anscheinend, dass du noch zu Hause wärst, als Michael weg fuhr. Der Überfall durch die Beiden sollte angeblich eine Ablenkung von ihm sein, damit er in der Klinik Keinem Security über den Weg liefe, wenn er zu dir käme. So stellen es jedenfalls jetzt seine Tochter und ihr Freund dar, um einer Strafverfolgung wegen versuchter Entführung und Räuberischer Erpressung zu entgehen..."
Ich war ehrlich unglaublich enttäuscht. Mag sein, dass meine Vorsicht nervt! Aber dass Selina mir das verschwiegen hatte... Ich fand in ihrem Büro die Schlüssel für ihren GTI, in dem sich auch der Kindersitz befand. "Komm Melina, wir fahren mit Mamis Auto heim."
Selinas Handy läutete erneut. Sie ging hinaus. "Ja?" - "Ich bins, Ines! Was hast du denn angestellt. Sel? Michael saß da wie ein geschlagener Hund" - "Ich hab ihm verschwiegen, dass ich auch bedroht werde, um ihn nicht noch mehr zu beunruhigen. Damit er die Vortragsreihe nicht hinschmeißt um bei uns zu bleiben. Ich fürchte nur, er wird das anders sehen. Und dass ich Mel ohne Aufsicht ließ, ist unverzeihlich! Ich weiß nicht, wie ich ihm das erklären soll! Der Erpresser war tatsächlich bei meiner Tochter und ich war nicht da, verstehst du, Ines. Das ist in Michaels Augen, das Schlimmste was ich tun konnte. Und dabei hab ich ihn noch geschimpft, wegen des Personenschutzes. DU bist bedroht habe ich gesagt und hatte ihm verschwiegen, dass ich auch bedroht werde. So tief hab ich noch nie in der Bredouille gesteckt!"
Ich setzte meinen kleinen Sonnenschein in den Kindersitz und stieg dann ebenfalls in Selinas GTI. Bewusst gemütlich fuhr ich nach Hause. Als ich Melina losgeschnallt hatte ging die Haustür auf und Selina stand in der Tür. Melina lief auf sie zu und Sel hob sie hoch, so wie ich eine Stunde zuvor. Ein Paar Tränen liefen über ihr Gesicht. "Mami weinst du?" - "Ist schon gut, Melina! Du bist da und es ist gut." Selina hielt ihre Tochter fest und ich hatte den Eindruck, dass sie jetzt erst erkannte, wie leichtfertig sie unsere Kleine alleine gelassen hatte, wo sich doch jener Mann angemeldet hatte, der ihr die Fotos bringen wollte. Er sehe das nicht als Erpressung hatte er am Telefon gemeint. Es sei nur fair von ihm, sie ihr vor den Medien anzubieten! Das dürfe ihr schon etwas wert sein! Mit Melina auf dem Arm wartete sie auf mich. Sie sah mir mit ihren verweinten Augen ins Gesicht. Aber sie sagte nichts. Kein Wort des Bedauerns oder irgendwas. Vermutlich erwartete sie von mir einen Anstoß für ein Gespräch. Ich war stinksauer. Ich sagte nur. "Deine Tochter hat dir was mitgebracht! Etwas das sie mir nicht geben darf, weil ER sie sonst holt! Wenn ich das sagen darf..." Ich ging an ihr vorbei hinauf in den Salon. Ich legte den GTI-Schlüssel auf den Garderobenkasten und setzte mich in den großen Lederlehnstuhl. Die beiden kamen auch die Treppe herauf. Max war inzwischen mit den Tätern zur Polizei, die auch schon nach dem Detektiv fahndete. Selina sniefte hin und wieder und schien darauf zu warten, dass ich etwas sage. Maria klopfte an der offenen Salontüre. "Maria, wie geht es unserem Patienten?" - "Er hat Schmerzen, aber das ist wohl normal. "Selina kann ihm bestimmt etwas Linderung verschaffen." Sie stand auf, ging zu mir, legte wortlos den Brief auf meinen Schoss und verließ den Raum in Richtung Dienstwohnung. Melina kam sofort zu mir, um mir zu erklären, dass der Brief Mama gehöre, was ich natürlich zur Kenntnis nahm. "Du bist sehr gewissenhaft, mein Schatz! Das ist eine gute Eigenschaft." - "Michael?" -"Ja, Maria?" - "Ihre Frau leidet!" - "Ich weiß, Maria! Ich auch! Ich wünschte sie hätte das Problem mit mir gemeinsam angegangen. Stattdessen macht sie mich lächerlich, weil ich Angst um sie habe! Sie haben ihr Verhalten heute selbst erlebt. War das wirklich meine Selina?" - "Ja, Michael, sie wollte nur ihren Sorgenberg verkleinern. Verstehen sie nicht? Sie hatte Angst, sie würden die Vortragsreihe platzen lassen aus Sorge um sie..." - "Und wenn? ich weiß meine Prioritäten selbst zu setzen. Voraussetzung ist natürlich deren Kenntnis!" - "Michael, sie dürfen nicht glauben, dass ich Partei für Selina ergreife! Ich möchte damit nur sagen, dass ich auch jede Sorge von ihnen fernhalten würde, wenn ich das könnte und sie glaubte, sie könnte es... Ich verstehe sie beide und ich leide mit ihnen, wenn sie Knatsch haben. Entschuldigen sie bitte, Michael, es steht mir natürlich nicht zu..." Sie drehte sich verlegen um und ging. "Maria!" rief ich ihr nach. "Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen! Ich weiß ihre Loyalität uns gegenüber zu schätzen! Danke!" Sie lächelte zaghaft und ging zu Georg.