Es war ein langer und anstrengender Tag. Er saß in der Uni und lernte. Er lernte fürs Leben, für die Zukunft, für seinen späteren Alltag und wusste dabei nicht warum. Er machte sich auf den Heimweg und sehnte sich nach dem Gefühl anzukommen. Er sehnte sich danach, die Tür hinter sich zuzumachen, um seine Seele auf der Couch zur Ruhe zu legen und sie unbeobachtet und unbewertet so sein zu lassen, wie sie ist.
Auf dem endlos scheinenden Weg dachte er nach, wie weit es noch war und bemerkte, dass er es vergessen hatte. Er fragte sich, wann er sein Ziel verloren haben musste und suchte orientierungslos in der dunklen Nacht nach seinem Zuhause. Er trug seinen Rucksack auf den Schultern. Ein Rucksack, der sich so leer anfühlte, wie er selbst. Ein Rucksack, der sich so schwer anfühlte, wie die Welt.
An einer Straßenlaterne wartete ein Freund und er lächelte. Automatisch hoben sich seine Mundwinkel als Antwort, weil er es schon so oft geübt hatte. Sein Freund ging neben ihm und der Rucksack wurde voller und leichter zugleich. Sie schlenderten zusammen. Das Heimkommen verschob sich lachenderweise nach hinten.
Immer noch ziellos kamen sie an einer Straßenecke vorbei. Strahlend schaute seine Mutter die beiden an. Als er zur anderen Straßenseite blickte, sah er seinen Vater. Es gab kein Lächeln aber seine Eltern gingen zusammen mit ihm weiter, jeder auf seiner Straßenseite. Er lief in der Mitte, in der er von den Straßenlichtern durchleuchtet genauestens von beiden Seiten beäugt wurde. Sein Freund war nicht mehr da. Jeder Schritt wog dreimal so schwer. So wie der Rucksack, den er nun wieder alleine trug.
Als er mitten auf einer Kreuzung stand, blickte er in die Augen seiner Frau. Ihre Augen, deren Blicke ihn bereits umarmten, summten eine Melodie für ihn. Er schloss seine Augen und verlor sich langsam in dem Lied, das für seine Seele sang. An der linken und rechten Wange spürte er ihre Hände und er fühlte sich nicht mehr leer. Während er den Rucksack kaum noch wahrnahm, stieg in ihm plötzlich eine Unruhe auf. Ein immer größer werdender Drang weiter zu gehen. Der Drang wurde immer einnehmender, immer lauter und schlug so die hypnotisierende Melodie mit unrhythmischen Trommelschlägen aus seinem Ohr.
Er nahm seine Frau an die Hand und lief. Er lief immer schneller und schwitzte bereits so stark, dass er die Hand seiner Frau fast verlor. An der vor ihnen liegenden Straßenlaterne wartete wieder sein Freund. Er musste die beiden überholt haben. Er grübelte, wie sein Freund so viel schneller sein konnte als er. Sie liefen zu dritt geradeaus und trafen wieder auf seine Eltern. Unverständlich blickte er sie an. Er hatte sie doch hinter sich gelassen. Sie hielten ihn alle auf, deswegen erreichte er sein Zuhause nicht.
Er musste alleine weiter, musste endlich ankommen. Ungeduldig und endgültig verabschiedete er sich von seiner Frau, seinem Freund und seinen Eltern. Mit einem Anflug von Panik hastete er einsam los. Panik davor nicht anzukommen. Ohne zu wissen, dass er die ganze Zeit im Kreis lief. Ohne zu wissen, dass er seinen Radius nur noch größer machte. Ohne zu wissen, dass sein Zuhause in der Mitte lag.