Ein Schatten hatte sich in seinen letzten Jahren über seine Gestalt gelegt. Das schwarze Nichts trug er immer mit sich herum. Sein Lächeln hatte man ihm schon lange genommen. Seine Person war sehr schwerfällig und perfektionistisch. Wenn er sprach, schien er die Worte auszuspucken. Er wollte immer alles loswerden.
Auch wenn sie an seiner Schulter lehnte, war sie es, die ihn stützte.
Sie betraten den Raum. Dieser Raum, der mit all seiner Gemütlichkeit und Geräumigkeit prahlte. Die große Unordnung der Farben, der Positionen der Gegenstände, der vielen Bilder an den Wänden und den Schriften auf den Tischen waren so heimatlich, dass die Beiden sich beschämt zurückzogen, als wären sie in eine intime Szene hineingeplatzt. Gedanken lagen überall im Raum verstreut, hier lag ein Leben begraben.
Sie wunderten sich darüber, dass ein trauriger Mensch, noch so viel Freude hinterlassen hatte.
Warum hatte er sich in diesem Reichtum an Lebendigkeit so leer gefühlt ?
Lorena stiegen die Tränen in die Augen, sie konnte Gefühle nicht einfach so wegschmeißen.
Beide atmeten tief ein und greifen nach den billigen Plastiktüten. Jeder Handgriff fühlte sich an wie Aufgeben. Sie war immer noch der Meinung das man gute Dinge nicht beseitigen sollte, schließlich gab es doch viel zu Wenige. Doch er zwang sie oft zu Dingen, die sie nicht wollte. Die Musik fehlte ihr schon so lang. So lang, dass die das Tanzen schon verlernt hatte.
Ihr war es wichtig, das die Dinge für sie Bedeutung gewannen. Doch mit deren Verlusten konnte sie nicht umgehen.
Das Foto mit dem klugen Gesicht wog schwer in ihren Händen. Sie hatte es von dem Kamin genommen, auf der Suche nach Etwas. Nun ist das Bedürfnis zu Finden verschwunden und es existiert nur noch dieses Bild in seinem kastanienroten Rahmen, mit dem Mann, der ihr all die Jahre so vertraut gewesen war. Die Tränen liefen ihr nicht über das Gesicht, nur ein tiefes Bedauern drückte auf ihrer Brust, ihm kein anderes Leben geschenkt zu haben.
Sie spürte die Ungeduld, die von Tom ausging. Ihr Trauern dauerte ihm zu lange, er wollte nur diese Wohnung ausräumen und verschwinden.
Im Alltäglichen war sie nicht gut und die Pflichten vertrieben ständig ihre Ruhe.
Als sie fertig waren, bot sich ihnen der Raum nackt und schutzlos an, so dass kein Mensch es mehr darin aushalten konnte. Es fühlte sich an, wie ein Abschluss mit etwas Großem. Am Meisten tat es ihr Leid, dass sie die Musik verbannt hatten, die er so sehr geliebt hatte. Immer wenn der Tag sich einem Ende neigte, fühlte sie sich leichter. Umso weniger möglich war, desto weniger brauchte sie sich entschuldigen.
Der Tag schien zu hell durch die Fenster hinein. Er beleuchtet ihre Taten und Leonora fühlte sich nur schlechter durch diese Schutzlosigkeit.
Egal wie viel schweres Schwarz sie trug, es füllte die Leere in ihr auch nicht aus. Das Licht erschien ihr an diesem Tag aggressiv und unpassend. Sie hatte eines Angst einmal nicht mehr reden zu können, weil man ihr die Worte genommen hatte. Allmählich verstand sie warum Niemand wegrannte, ihre eigenen Füße würden den Boden nie verlassen können. Ihr Zuhause fühlte sich nicht mehr heimisch an, seitdem sie alles geordnet hatte. Leute, die sortieren haben zu wenig Phantasie. Sie wurde traurig über ihre eigene Spießigkeit. Dieses Leben schmiegte sich an sie und um strich ihre Beine, es ging ihr doch gut, es gab keinen offensichtlichen Grund sich zu beklagen. Der alte Mann hatte alles mitgenommen und doch alles in ihr zurückgelassen, was ihn ein Leben lang gequält hatte.