Wie es geschah
Heute sollte es geschehen. Ich wollte es und würde es geschehen lassen.
Ich stand im Badezimmer und schaute mein Gesicht an. Ich blickte mir selber in die Augen, ich fragte mich, was ich sehe. Das Braun meiner Augen war tief und unergründlich. Lange stand ich so.
Ich verließ das Badezimmer und ging ins Wohnzimmer zurück. Bei meinem Eintreten stand er auf und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Ich sagte nichts, ging weiter ins Schlafzimmer. Ich stand einen Augenblick still, dann begann ich, mich auszuziehen. Schließlich lag alles zu meinen Füßen. Einen Augenblick zögerte ich, dann hob ich die Sachen auf und legte sie auf die andere Hälfte des Doppelbettes. Man sah sofort, auf welcher Seite er schlief; auf der Nachtschrankkonsole lag eine Armbanduhr, ein Perry Rhodan Roman, eine Packung Taschentücher und ein Fettstift. Ich sehe es heute noch vor mir. Im Zimmer war es kühl, es war Februar. Ich schlüpfte nackt zwischen die Laken, sie fühlten sich angenehm an auf meiner Haut.
Ich blickte auf, er stand in der Tür. Nur eine kleine Lampe brannte noch, ihr milder Schein erreichte mich nicht mehr. Er trat ans Bett, setzte sich und knipste die Leselampe an, ich blinzelte. Er lächelte leise und bog sie von mir weg, jetzt lag mein Gesicht wieder im Schatten. Er stand auf und begann sich auszuziehen. Ohne Scheu sah ich ihm zu. Zuerst das Hemd, seine Brust war kräftig, aber nicht zu kräftig, und mit dichten, dunklen Haaren bedeckt. Bei diesem Anblick schauerte ich leicht zusammen und schaute weg. Als ich wieder aufblickte, war er nackt. Ich schlug die Bettdecke zurück und er kam zu mir. Seine Haut war kühl und trocken. Ich glitt in seine Umarmung und rieb meine Wange an seiner. Seine Augen fragten mich etwas. Als Antwort schmiegte ich mich noch enger an ihn.
Seine Hände wanderten über meinen Körper, kleine Schauer rieselten mir über den Rücken. Ich wurde mutiger und schickte auch meine Hände auf Erkundungsfahrt.
Unsere Küsse wurden heftiger, gieriger, schneller. Mir war, als kennte ich mich nicht mehr, ich spürte den uralten Instinkt der Menschheit in mir.
Ein kleiner, kurzer Schmerz, ein guter Schmerz, da er von ihm kam, jetzt waren wir für kurze Zeit eins, es gab nur noch uns beide, alles versank, wurde unscharf um dann umso klarer zu werden.
Dann war es vorbei. Lange hielten wir uns, still und zärtlich. Jetzt war seine Stirn feucht, ich spürte Salz auf meinen Lippen, als ich sie mit meinen Lippen berührte.
Die Nacht umarmte uns beide und schickte uns dem neuen Tag entgegen.
Ich wache auf, komme langsam an die Oberfläche des Bewusstseins. Ich drehe mich um und schaue in das Gesicht des Mannes, der ruhig an meiner Seite schläft.
Es ist ein anderes Gesicht als das vor vielen Jahren, als ich ein Mädchen war und Frau wurde und mich einreihte in den Reigen aller, die dies erfahren durften.
Manchmal bedaure ich, dass ich dies nicht mit ihm erlebte, mit ihm, der mein Ehemann ist.
Aber dann denke ich mir, vielleicht wäre ich dann nicht die, die ich bin und würde ihn nicht lieben, ihn, den ich jetzt liebe und immer lieben werde.