Endlich war ich da!
Ich stellte den Motor meines Autos ab und zog den Schlüssel aus der Zündung. Der Parkplatz vor mir war leer. Klar, wer kommt denn auch auf die dumme Idee um 8Uhr morgens an einem Samstag die Uni zu besuchen. Uni war vielleicht nicht das richtige Wort. Ich betrachtete die alten Gebäude mit ihren spitzen Türmen und den grauen alten Mauern. Keine Uni sondern eher Hogwarts. Naja, eine liebliche Version von Hogwarts, denn es schlängelte sich Efeu an den alten Ziegeln hinauf und irgendwie sahen diese Gebäude ziemlich niedlich aus.
Ich stieg aus meinem Wagen und unterdrückte ein Gähnen. Schnell schnappte ich mir meine Tasche und lief schnurstracks zur Infostelle. Ich staunte nicht schlecht als ich die ebenfalls ziemlich alten Treppen hinter mir ließ und eine große helle Halle mich empfang. Als ich meine Sonnenbrille abnahm, musste ich ein paar mal blinzelte bis meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnten. Es schien als wäre hier alles aus Marmor und so langsam zweifelte ich daran, dass das hier mein Campus sein sollte. Eigentlich sollte mich das nicht wundern, denn für so viel Geld, welches man hier für ein Studium zahlte, müsste man eigentlich einen Butler auch noch haben.
Hinter der schweren Holztür befand sich die Infostelle. Es war ein nettes kleines Büro mit fünf Schreibtischen und fünf älteren Damen. Sie lächelten mir alle freundlich zu. Eine davon nahm mich in Empfang und ging mit mir meinen Studienplan durch. Nach zirka einer dreiviertel Stunde verließ ich dieses imposante Gebäude wieder, bevor ich mich wieder in meinen Wagen begab, blieb ich kurz stehen und sah mich nochmals um.
Hier gefiel es mir definitiv!
Ich verstaute die unzähligen Folder, welche mir Ingrid, ich glaube das war ihr Name, von der Infostelle mitgab in meiner Tasche und machte mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Ja, Cora, meine beste Freundin und ich würden unsere eigene Wohnung beziehen. Das war hier nichts unübliches, denn auf dem Campus gab es keine Unterkünfte für Studenten. Es gab nur ein Verbindungshaus, das der Eagles, aber dieses war nur für Jungs. Abgesehen davon, dass der Name der Verbindung ziemlich dämlich war, waren es die besagten Mitglieder bestimmt auch.
Cora war schon gestern angekommen, doch ich war noch einen Tag länger zuhause geblieben da meine Tante aus Frankreich zu Besuch war. Cora's Bruder Cam kam ins 3 Semester und war auch ein Mitglied der Eagles. Die beiden waren meine besten und so ziemlich einzigen Freunde, nicht weil ich schüchtern oder ein graues Mäuschen war, um Himmelswillen. Nein, ich besaß ein sehr forsches und lockeres Mundwerk und sagte jedem meine Meinung, ob er sie hören wollte oder nicht. Damit kamen nicht viele klar, aber Cora und Cam mussten mit mir aufwachsen, sie hatten also keine andere Wahl.
Nach einer 15 minütigen Autofahrt kam ich endlich an unserem Wohngebäude an. Es war deutlich moderner als das Campus-Gelände, aber nicht unbedingt schöner. Ein simpler Betonbau eben. Ich checkte meine Nachrichte, da Cora mir Hilfe beim hinauftragen meiner Sachen anbot, doch sie meldete sich nicht und war auch nicht erreichbar. Also schnappe ich mir eine Tasche und ließ den Rest im Kofferraum meines Wagens.
Im Treppenhaus roch es nach Alkohol und Zigaretten, hier wohnten bestimmt auch eine Menge anderer Studenten, aber das störte mich nicht. Als ich völlig erschöpft den 6. Stock erreicht hatte, fragte ich mich warum zum Teufel ich nicht den Fahrstuhl genommen hatte. Gerade als ich an unserer Wohnungstüre ankam und klingeln wollte, wurde die Tür ruckartig aufgerissen.
„Sooooooophia", schrie meine beste Freundin und stürmte auf mich zu.
Sie umarmte mich wild und drückte mir unzählige Küsse auf die Wange, doch auch das störte mich nicht, denn ich vermisste sie wirklich schlimm. Hinter ihr kam ein breitgebauter junger Mann aus der Türe, welchen ich fast gar nicht mehr erkannt hätte. Na gut, das war gelogenen, aber ich sah Cam das letzte Mal vor einigen Monaten. Ich pfiff anerkennend und zwinkerte ihm zu.
„Na sieh mal einer an... Ganz schön groß geworden, Cam."
Er schüttelte nur lächelnd den Kopf gab mir ebenfalls einen Wangenkuss und nahm mir meine Tasche ab.
„Frech wie eh und je, meine Kleine."
Ich tätschelte nur seine Schulter und schenkte ihm ein schuldiges Grinsen. Ich kam seiner Aufforderung nach und gab ihm meine Autoschlüssel, damit er mein restliches Zeugs raufbringen konnte. Cora nahm mich währenddessen in den Schwitzkasten und zog mich in die Wohnung.
Meine beste Freundin leistet tolle Arbeit, bei der Gestaltung unseres neuen Reiches. Sie liebte es Dinge neu zu gestalten, zu verändern, zu verbessern. Manchmal dachte ich, Cora besaß den Drang aus allem das Beste herauszuholen. Die meisten würde das als Charakterstärke sehen, ich nicht. Wahrscheinlich, weil ich mich mit so ziemlich allem abfand, wie es eben gerade war. Es war nicht so, dass mir alles gleichgültig war, aber positives Denken war einfach nicht meine Stärke.
Anders war das bei Cora. Sie strahlte förmlich vor Optimismus und steckte damit den ein oder anderen auch an, nur mich nicht. Naja, selten zumindest. Deswegen entschloss sie sich Psychologie zu studieren, sie war fest entschlossen Menschen zu helfen das Beste aus sich zu machen. Sie wollte den Leuten helfen, in jeder Lebenssituation. Ich bewunderte sie dafür, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass ich der Grund für die Entscheidung ihrer Berufswahl war.
Sie würde mich zu ihrem ersten und größten Projekt machen. Ich würde es zulassen, weil ich sie liebe, als beste Freundin, aber auch als sei sie meine eigene Schwester. Sie wollte mir immer schon helfen und das tat sie auch, jeden Tag seit dem es passiert war. Cora erkannte nicht, welche wichtige Stütze sie in meinem Leben war. Ich bekam oft Angst sie würde selbst daran zerbrechen, weil sie mich nicht retten konnte. Genau aus diesem Grund ließ ich mir helfen, von ihr zumindest. Ich war ihr so dankbar, denn sie und ihre Familie waren die einzig wichtigen Bestandteile in meinem Leben.
Ich lebte nun seit 12 Jahren bei den Collins. Nach dem es passiert war, zögerten Cora's Eltern, Michel und Nancy, keine Sekunde und nahmen mich bei ihnen auf. Cora und ihr Bruder Cam waren und würden immer meine besten Freunde bleiben, sie waren sogar wie richtige Geschwister für mich. Keinen Tag ließen sie mich daran zweifeln kein Teil der Familie Collins zu sein, ich gehörte für sie dazu. Diese vier Menschen waren alles was ich noch hatte und dafür würde ich ihnen ein Leben lang dankbar sein.
Die neue Wohnung war hell und modern eingerichtet. Wenn man eintrat stand man in einem langen Flur, gleich rechts davon gelangte man ins Wohnzimmer, welches in sanften hellen Farben eingerichtet war. Den Flur entlang gab es noch drei weitere Räume, nämlich die Küche, Cora's und mein Zimmer. Sie bekam zwar nur einen Tag Vorsprung, doch ich musste zugeben, meine beste Freundin leistet tolle Arbeit. An den Wänden hingen schon Unmengen an Fotos von uns beiden, vom Sandkasten bis hin zum High School Abschluss.
Mein Zimmer war noch ziemlich leer, denn bis auf die Möbel, welche wir schon im Voraus bestellten befand sich nichts darin. Sofort nahm ich mein riesen Bücherregal aus Eichenholz unter die Lupe, es war ein Prachtstück. Das Holz schien so alt aber doch so neu und durch die vielen Verschnörkelungen sah es ziemlich schick aus. Heute Abend würde es voller Bücher sein und noch viel wunderschöner aussehen. Alleine bei diesem Gedanken fühlte ich mich hier schon wohl. Aus meiner Tasche zog ich mehrere Bilder von meinen Eltern und platzierte sie auf meinem Nachtisch. Nach dem ich kurz überlegte, was ich wohl alles in diesem Bett machen würde, krümmte ich die Nase, nahm die Fotos und stellte sie auf die Fensterbank neben dem Bett.
Nachdem Cora mir noch den Rest unseres neuen Reiches zeigte, ging ich erst einmal unter die Dusche. Auch das Badezimmer war ziemlich schick eingerichtet, so unscheinbar das Wohnhaus von Außen auch aussah, unsere Wohnung war fabelhaft. Kaum war ich fertig stürmte Cora auch schon wieder in mein Zimmer und teilte mir mit, dass Cam uns in einer Stunde abholte um mit ihm und seinen Freunden frühstücken zu gehen.
Diese Stunde nutzte sie mir ausführlich über die heißen Typen am Campus zu erzählen und ich hörte ihr gespannt zu. Ich würde mich zwar nicht als kleines Flittchen bezeichnen, doch wenn ich Spaß wollte, dann bekam ich ihn immer und dazu brauchte ich keine großartigen Gefühle für jemanden. Das würde hier wohl genau so laufen.
Wir machten uns fertig und fuhren mit dem Lift hinab. Draußen wartete Cam schon mit zwei anderen Jungs. Wow... nicht schlecht.
Der eine besaß blondes gelocktes Haar, so eine richtige Surfer-Mähne, war breit gebaut und sonnengebräunt. Der Andere, dunkelbraune fast schwarze kurze Haare und funkelnd grüne Augen, sein Körper schien dem seines Freundes um nichts nachzustehen. Alle drei grinsten uns zu und ich konnte förmlich spüren wie Cora neben mir rot wurde. Als wir bei ihnen ankamen stellte Cam uns vor.
Blonder Schnuckel... Alex.
Brauner Schnuckel... Luke.
Nachdem ich beiden die Hand gab, sah ich anerkennend zu Cam.
„Also wenn das mit deinen heißen Freunden so weitergeht, dann kommen wir ja gar nicht mehr zu unserem Abschluss", sagte ich keck zu Cam, währenddessen ich seine Freunde musterte.
Die beiden wurden ziemlich schnell rot und rissen die Augen auf. Nur der Blonde kicherte leise vor sich hin, der andere befand sich glaub ich in einer Schockstarre.
„Kannst du dich einmal zusammenreißen, bitte?!" flüsterte Cora mir verlegen zu und ich entschuldigte mich belustigt bei ihr. Es schien so als würde einer von den beiden ihr Interesse wecken, denn normalerweise war Cora nicht so schüchtern.
Ich tippte auf Luke. Blond war nicht so ihr Ding, meins eigentlich auch nicht, aber heeey.