Nach unserem Kampf verabschiedete sich Kijan, mit der Entschuldigung, noch einiges zu tun zu haben. Auch ich hatte zu tun, denn der Soldat wartete tatsächlich schon auf mich.
"Tut mir leid, dass du warten musstest."
"Kein Problem, ich hab es genossen, den Kampf zu beobachten. Ich hoffe, dass ich irgendwann auch mal so gut bin wie ihr beide."
"Wenn du genug dafür trainierst sicher."
"Dafür sind wir ja hier. Ich bin übrigens Vyras." Er lächelte mich freundlich an und ich fragte mich, was ihn wohl dazu gebracht hatte, sich Kijan anzuschließen. So jung wie er aussah.
"Sav. Aber das weißt du sicher schon." Ich lächelte zurück. "Was genau soll ich dir denn eigentlich zeigen?"
"Den Umgang mit verschiedenen Waffen." Das sollte kein Problem werden.
Ich führte ihn zum Waffenlager und ließ ihn einige Waffen aussuchen, deren Techniken ich ihm beibringen sollte. Seine Wahl fiel auf Axt, Bogen und Kampfstock. Alles Waffen, mit denen ich schon mehr als einmal kämpfen musste.
"Hast du eine der Waffen schon einmal in der Hand gehalten? Oder sogar damit gekämpft?"
"In der Hand gehabt ja, aber nicht wirklich damit gekämpft."
"Dann fangen wir bei null an, was nicht unbedingt schlecht ist, so haben wir wenigstens nichts, was wir langwierig korrigieren müssen."
Wir nahmen uns jeder eine Axt und ich zeigte ihm an einer der Strohpuppen alles, was er wissen musste, bevor er anfing. Ich verbesserte ihn immer wieder, doch er erwies sich als sehr williger Schüler und es machte mir Spaß ihm ein Teil meines Wissens zu lehren.
Es erinnerte mich ein bisschen an das Training mit meinem kleinen Bruder. Ich hoffte wirklich, dass es meiner Familie gut ging.
Er wurde schnell sicherer, was sich auch an seiner Haltung zeigte. Allerdings zeigte sich während der Stunden auch, dass er noch mehr Kraft in seinem Oberkörper brauchte. Ich fragte ihn, wie das Kijan den Soldaten das Kämpfen beibrachte und erfuhr, dass man, noch bevor man aufgenommen wird einen kleinen Test absolvieren musste. Danach folgten drei Monate harten Trainings. Alles, was man bis dahin nicht gelernt hatte oder nicht konnte, musste man sich entweder selbst beibringen oder sich von anderen beibringen lassen, sofern sie es konnten.
Doch nur wenige hatte tatsächlich wirkliche Erfahrung mit solchen Sachen. Alle, die es nicht schafften, sich weiter zu entwickeln und ihre Fähigkeiten selbst zu verbessern endeten im nächsten wirklichen Kampf auf Leben oder Tod sehr wahrschienlich unter den Toten. Ich versprach Vyras, ihn weiter zu bringen - ich wollte nicht, dass er so endete. Er erinnerte mich zu sehr an meinen kleinen Bruder, als dass ich es zulassen könnte. Auch wenn er schon einn paar Jahre älter als er war.
Wir verbrachten mehrere Stunden in der Höhle, bis sich bei uns beiden der Hunger meldete und Vyras mir versprach jeden Tag so lange zu üben, was ich ihm gezeigt hatte, bis er vor Müdigkeit umfiel. Das nächste Training war in drei Tagen.
Nach dem Essen trennten sich unsere Wege. Ich wollte mich kurz ausruhen, bevor es in ein paar Stunden mit dem Elitetraining weiter gehen würde.
Und mit meinem Kampf. Ich wusste nicht, in welcher Verfassung der Gefange sein würde, ob er überhaupt kämpfen konnte und wer er war. So gesehen war ich tatsächlich ein wenig aufgeregt.
In meiner Höhle angekommen ließ ich mich auf mein Bett fallen. Die Stelle meiner Verletzung tat nicht sehr weh, aber ich war erschöpfter, als ich es eigentlich sein sollte.
Während ich den heutigen Tag in meinem Kopf erneut abspielte, ertappte ich mich dabei, dass ich tatsächlich ein wenig enttäuscht darüber war, das Kijan nicht hier war und beschloss, ihm einen Besuch abzustatten.
Vorher machte ich mich noch ein bisschen frisch und hoffte, nicht allzu vielen Männern zu begegnen. Wenn er tatsächlich beschäftigt war, würde ich sofort wieder umkehren, aber mein Körper zwang mich schon fast dazu, jetzt zu ihm zu gehen.
Also machte ich mich auf den Weg. Zum Glück lag seine Höhle in Richtung des Waffenlagers, sodass man nicht sofort Schlüsse daraus ziehen konnte, in welche Richtung ich ging. Obwohl ich selbst nicht einmal richtig wusste, warum es so schlimm war, wenn wir zusammen gesehen wurden. Was wollten die Soldaten schon tun? Was sollten sie mit dieser Information anfangen?
Trotzdem hielt ich es für angebrachter, wenn nicht jeder wusste, was zwischen mir und Kijan ablief, was auch immer es war.
Inzwischen hatte ich seine Höhle erreicht und lauschte zuerst einmal ob ich Stimmen von drinnen hören konnte, was nicht der Fall war.
Langsam und leise ging ich hinein und fand Kijan über einem Haufen Blätter sitzend. Er sah tatsächlich sehr beschäftigt aus.
"Ich glaub ich sollte wieder gehen", sagte ich nicht gerade intelligent und fragte mich, wie ich wirklich glauben konnte, herzukommen wäre eine gute Idee. In den letzten Tagen hatte mein Verstand sich eine Pause gegönnt - das musste ich schleunigst ändern.
"Bleib ruhig, ich wollte mich sowieso gleich auf den Weg machen und nach dir sehen. Wie geht's dir? Hält der Kleber?"
"Na gut, aber ich will dich auf keinen Fall bei wichtigen Dinge stören. Bis jetzt hält alles, ich hoffe, dass wird sich im Laufe des Tages nicht ändern." Ein wenig nervös und hibbelig trat ich von einem Fuß auf den anderen. Ich war tatsächlich hibbelig, aber nicht wegen seiner Anwesenheit, sondern wegen des bevorstehenden Kampfes. Meine Neugier, wie der Gefangene wohl aussehen mochte warziemlich groß. Kijan stapelte einige Akten übereinander und erhob sich von seinem Stuhl. Langsam kam er auf mich zu und blieb erst stehen, als sich unsere Körper fast berührten. Dann lehnte er sich langsam nach vorn, legte seine Hände an meine Wangen und sah mir in die Augen. Ich rührte mich nicht das kleinste Stück und atmete seinen Duft ein. Dann schloss ich meine Augen und wartete darauf, dasser mich küsste.
Und das tat er. Seine Lippen berührten meine so sanft wie noch nie und erweckten eine Seite von mir, die ich seit langer Zeit begraben hatte. Ich ließ die Gefühle zu, die durch meinen Körper strömten - zu lange hatte ich sie schon unterdrückt, doch jetzt sprudelten sie aus mir heraus.
Kijan gab mir meine menschliche Seite wieder. In den letzten Jahren war ich ohne es zu merken zu einer Art Maschine geworden, doch jetzt fühlte ich mich lebendiger als je zuvor.