"Hoffentlich kommt bald mal jemand, ich glaub ich hab ein Loch, da wo sonst mein Magen ist", witzelte Yaro.
"Hoffentlich."
Meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt angekommen. Seit gefühlten Ewigkeiten wurden wir nun schon in dieser dämlichen Höhle fest gehalten, ohne zu wissen warum. Wenn nicht bald jemand kam um uns zu erklären warum wir hier waren, würde ich an Langeweile sterben.
Seit Stunden schwiegen wir nun schon, keiner hatte mehr Lust irgendwas zu sagen.
Wir hatten uns über vieles unterhalten, vor allem aber über unsere Kampfausbildung, Waffen, unsere Kindheit und unsere Familien.
Yaro war, wie ich, halb auf der Straße groß geworden. Unsere Familien waren, wie die meisten, arm und lebten am Rand des Verhungerns. Sie wohnten in stinkenden Vororten der größeren Städten, in der Hoffnung es irgendwann bis dort hin zu schaffen und aus ihrem bisherigen Leben zu entfliehen. Für die meisten blieb es allerdings nur eine Hoffnung.
Yaro hingegen hatte es geschafft. Er hatte einen Platz in der Elitekampfeinheit des Kaisers bekommen, seine Familie konnte sich von seinem ersten Lohn ein Haus in der Hauptstadt leisten und lebte seitdem im Luxus. Yaro trainierte mit den besten Krieger des Landes. Er war einer der besten Krieger des Landes. Alles nur, weil er bei einem Straßenkampf von einem Krieger verhaftet wurde.
Aus dem kleinen, halb verhungerten Dieb, war ein reicher, muskulöser Krieger geworden, der im Dienst des Kaisers stand. Seine Familie war regelmäßig zu Festen des Kaiser eingeladen.
Meine Familie dagegen, lebte immer noch am Rand der Gesellschaft und konnte von solchen Festen nur träumen. Mein kleiner Bruder versuchte sie durch zubekommen, wenn ich gerade nicht in der Nähe war. Ich hatte ihn angelernt, wie man sich verteidigte und den reichen, verzogenen Leuten das Geld aus der Tasche stahl. Wie man wertvolle Dinge von wertlosen unterschied und wo man am besten versuchte zu stehlen. Er war zwar noch nicht annähernd so gut wie ich, aber in ein paar Jahren ist er vielleicht so gut, dass er auch zur Eliteinheit berufen wird. Damit hätte meine Familie ausgesorgt. Für mich war es nie eine Option zur Einheit zu gehören, dazu war ich viel zu aufmüpfig. Ich richtete mich nicht gern nach anderen Leuten, schon gar nicht, wenn sie schon ihr ganzes Leben lang reich und verzogen waren und sich einbildeten alles von der Welt zu wissen, nur weil sie ihre Eliteschule besucht hatten. Ich machte schon immer mein eigenes Ding, nach meinen Regeln. Wenn ich einen Auftrag bekam, erfüllte ich ihn, egal von welcher Seite er kam. Aber sobald sich die Möglichkeit ergab irgendwo noch mehr Profit raus zuschlagen, tat ich es. Ich musste es tun, nur so konnte ich dafür sorgen, dass meine Familie überlebte.
Ich war die beste Diebin unserer Stadt. Niemand konnte mir das Wasser reichen. In illegalen Straßenkämpfen hatte ich schon Elitekämpfer besiegt. Noch nie hatte mich einer von denen geschlagen.
"Hey, ihr Idioten. Wer auch immer uns hier festhält, lasst uns endlich frei, wir verhungern hier drin", schrie Yaro in die Richtung, in der das Licht lag.
"Glaubst du wirklich, dass wissen sie nicht?" fragte ich sarkastisch.
"Keine Ahnung, aber ich glaube ich verhungere gleich."
"Tust du nicht."
"Oh doch."
Himmel war Der nervig!
Anscheinend musste er schon eine lange Zeit nicht mehr hungern. Mein Magen dagegen, war nie richtig voll.
"Gebt uns wenigstens was zu Essen, wenn ihr uns schon nicht frei lasst, obwohl Freiheit unser Recht ist."
Ich verdrehte die Augen.
Argumentierte er jetzt wirklich mit dem Gesetz?! Hatten die bei der Einheit ihm das Hirn raus genommen? Als ob das Gesetz hier irgendjemanden interessierte!
Wie strohdoof war der Typ eigentlich?!
"Hast du denn keinen Hunger?" fragte er mich.
"Man gewöhnt sich dran."
"Bekommst du nicht jeden Tag drei Mahlzeiten?"
????????????
"SAG MAL LEBST DU EIGENTLICH AUF DEM MOND??? Bist du so unterbelichtet wie du redest??? Da ich nicht in der Einheit trainieren und meine Familie Geld nicht wie Heu hat: NEIN, BEKOMME ICH NICHT!!! Niemand der auf der Straße lebt! Man ist froh wenn man wenigstens EINMAL am Tag IRGENDWAS zum essen hat!" Es reichte. Bevor ich verhungert würde ich mich eher noch umbringen, wenn ich nicht bald hier rauskäme. Wie kann man, wenn man selbst auf der Straße gelebt hatte, sowas glauben?
"Aber es werden doch seit Monaten Lebensmittel für Leute zur Verfügung gestellt, die sich keine leisten können."
"HERRGOTT!!! Kann man wirklich so naiv sein?!?", dachte ich laut, ohne eine Antwort zu erwarten. "Die Lebensmittel reichen maximal für zwei dutzend Leute, damit sie nicht verhungern. Dort leben aber mehr als ZweiTAUSEND. Die Menschen prügeln sich darum, damit ihre Kinder nicht VERHUNGERN müssen!" Ich war wirklich stinkwütend!
Yaro hingegen sah mich nur mit großen Augen an.