MAX
Ich hatte die dritte Nacht hintereinander schlecht geschlafen. Unter meinen Augen sah man keine Augenringe sondern Schützengräben. Als ich mich heute Morgen im Spiegel ansah, war ich versucht die Antifaltencreme meiner Mutter zu benutzen, doch ich entschied mich dagegen – bin ja kein Mädchen.
Übellaunig saß ich auf meinem Platz und war von allem und jedem genervt. Daniel schmiss sich auf den Sitz, der neben mir noch frei war. „Na Herzblatt?!" Ich ignorierte ihn. „Immer noch schlechte Laune?" Er bekam ein Schnauben als Antwort. „Maaaan. Seitdem du dich mit Tom gestritten hast, bist du sowas von unerträglich." Genervt drehte ich mich zur Seite. Der Typ ging mir gerade tierisch auf den Geist. „Man ihr Pussis. Gebt euch einen Kuss und habt euch wieder lieb." Mein Herz schlug etwas schneller. Ein Kuss war ja genau das Problem. „Hast du nichts Anderes zu tun als mich vollzulabern?" Daniel seufzte. „Nach der Schule ist Training. 17Uhr fängt es an. Du hast zu erscheinen. Vielleicht hilft dir das ja, dich abzuregen." Nun sah ich ihn doch an und musste lächeln. Yeah. Ein paar ordentliche Tritte gegen das runde Leder sollten wirklich helfen. Und da Tom eh nicht da war, musste ich auch keine Rücksicht nehmen...
„Hey und noch was." Daniel betrachtete mich nervös. Eine untypische Verhaltensweise. So kannte ich ihn gar nicht. Ich sah in fragend an. „Also nun..."
„Ja?" Er sah unruhig zu der Gruppe Mädchen am Fenster. „Beim Flaschendrehen..." Mein Magen zog sich zusammen. „Du und Marie...also...Es ist ja so ein offenes Geheimnis, dass du in Marie verknallt bist und so..." Ich atmete tief durch. Puh. Es ging um Marie und nicht um Tom. Daniel schien aber meine Reaktion missverstanden zu haben und dachte anscheinend, dass ich wütend war. „Es ist einfach so passiert. Ich wollte gar nicht...und sie auch nicht...und eigentlich wollte sie ja Tom und ich als dein Freund..." Von seinem Gestotter bekam ich langsam Kopfschmerzen. „Jetzt drück dich doch mal klar aus." Das hatte mir am frühen Morgen noch gefehlt. „Wir sind zusammen." Ich hörte auf, meine Schläfen zu massieren und wollte mich auf das folgende Gefühlschaos wappnen. Doch nichts passierte. Nichts! Kein beschleunigter Herzschlag, kein „ins schwarze Loch fallen", keine Tränen. Nichts. Überrascht über meine eigene ausgeglichene Gefühlslage sah ich Daniel verdutzt an. „Ähm...schon in Ordnung." Er sah nicht weniger überrascht aus, als ich mich fühlte. „Wirklich? Okay?! Ich dachte, dass du mich jetzt schlägst oder so..." Langsam schüttelte ich den Kopf. Darauf hatte ich jetzt nun wirklich keine Lust. Daniel schien ein riesiger Stein vom Herzen zu fallen, denn er grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Ehrlich, ich bin total erleichtert. Hab mir seit Tagen eine Platte gemacht. Boah! Ich könnte dich knutschen." Doch stattdessen schlug er mir mit der Faust unsanft auf den Oberarm, grinste weiter, stand auf und ging beschwingt zu den Mädchen. Ich musste lächeln. Sein Gang sah echt doof aus. Die Tür öffnete sich wieder. Automatisch blickte ich hin und mein Puls beschleunigte sich kurz. Lukas trat ein und mein Herzschlag normalisierte sich wieder, obwohl ich ein bisschen enttäuscht war, dass es nicht Tom war. Nein, halt! Erleichtert. Erleichtert!
Ich sollte mir ernsthaft überlegen mal zum Kardiologen zu gehen. War ja nicht normal, dass mein Herz so unregelmäßig schlug. Lukas setzte sich neben Andrea. Langsam drehte ich mich zu den leeren Platz neben mir. Wenn Tom heute doch erscheinen würde, müsste er sich zu mir setzen. Wieder schlug mein Herz schneller. Kardiologe. Morgen würde ich mir gleich einen Termin machen. Dann klingelte es zum Unterricht. Von Tom keine Spur. Nun fehlte er schon den vierten Tag. Herr Kruse schrieb eine Formel an, deren Lösungsweg er aufzeigte. Ich langweilte mich jetzt schon. Nach Chemie war Mathe mein Lieblingsfach. Unser Mathelehrer stellte eine neue Aufgabe. „Maximilian. Komm bitte vor und schreib deinen Lösungsweg auf." Ich nickte und ging zu der Tafel. Im Gegensatz zu den anderen Fächern, störte es mich nicht, vorne zu stehen. Ohne Zettel lief ich zur Tafel und fing an, den Anderen die Lösung vorzurechnen. Gerade wollte ich die Endlösung aufschreiben, als sich die Tür öffnete. Tom betrat das Klassenzimmer. Ich verharrte mitten in der Bewegung und starrte ihn an. Er trug eine schwarze Jeans, die an den Knien zerrissen war, ein weißes enganliegendes Shirt und eine schwarze Lederjacke. Die dunkle Sonnenbrille konnte das Hämatom am linken Auge nicht ganz verdecken und die Oberlippe war auf der einen Seite aufgeplatzt, schien aber wieder zu verheilen. „Scheiße was...?!", rief ich laut aus. Sofort wurde es unruhig in der Klasse. Ich ging einen Schritt auf ihn zu. Wer hatte ihm das angetan? Wut kochte in mir hoch. „Herr Schuster. Erscheinen Sie auch noch? Im Unterricht wird keine Brille getragen." Tom entfernte die Brille und sah mich an. Er sah schlimm aus. Wirklich schlimm. So blass hatte ich ihn noch nie gesehen. Die Haut um sein Auge leuchtete in Regenbogenfarben und er biss sich auf die Unterlippe. Ich schluckte. Mein Herz beschleunigte sich und ich ballte meine Hände zu Fäusten, um den Drang zu widerstehen, zu ihm zu laufen und ihn zu berühren. Komm doch mal wieder runter! Was sollte denn das jetzt? Ich holte tief Luft und schloss für eine Sekunde die Augen, um mich zu beruhigen. Als ich sie wieder öffnete, lief Tom gerade weiter zu seinem Platz. „Ruhe jetzt! Lassen Sie ihn doch erst ankommen. Ruhe! Maximilian, schreiben Sie die Lösung bitte auf." Doch mein Kopf war leer. Ich spürte nur noch diese unglaubliche Wut und ein Gefühl, welches ich nicht recht beschreiben konnte. Traurigkeit? Angst? Verzweiflung? Du weißt ganz genau was es ist. Klappe! Ohne eine Lösung an die Tafel zu schreiben, setzte ich mich wieder auf meinen Platz. Ich starrte auf meinen Block, der gerade furchtbar interessant aussah. Den irritierten Blick unseres Lehrers ignorierend, versuchte ich mein rasendes Herz zu beruhigen. Man...ich hätte mich selbst schlagen können. Toms Nähe war mir so unglaublich bewusst und dieses verdammte Herz schlug einfach nicht langsamer. Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in meine Hände. „Schon gut Maximilian. Die Lösung kann ja jedem entfallen." Sehr gut. Er münzte meine Reaktion auf die Rechnung. Hoffentlich machten das alle anderen auch. Ich schielte zu Tom. Er hatte seine Brille wieder aufgesetzt. Mensch, der musste ganz schön angepisst sein. Normalerweise verhielt er sich den Lehrern gegenüber immer korrekt. Ich lehnte mich nach hinten und überkreuzte meine Arme vor der Brust. Schulstühle waren echt unbequem. Meine Beine stellte ich locker auf, wobei sie etwas zur Seite fielen. Dabei berührte mein linkes Bein das von Tom und es fing dort an zu kribbeln, wo er es berührt hatte. Automatisch sah ich zu ihm und stellte fest, dass er auch in meine Richtung sah. Zufall! Schnell drehte ich meinen Kopf zur Tafel. Mein Atem ging schneller und ich versuchte mich zu beruhigen. Ich spürte, dass Tom mich beobachtete und fühlte mich unter seinen Blicken regelrecht nackt. Jeden seiner Atemzüge, jede Bewegung nahm ich unglaublich bewusst war. Warum fühlte ich mich nur so? Tom holte tief Luft. Auch er lehnte sich nun zurück. Mit seinem Oberkörper neigte er sich in meine Richtung. „Max, ich..." Doch weiter kam er nicht. Als er mich mit seiner Schulter berührte und ich seinem Atem an meinem Ohr spürte, absolvierte mein Bauch eine Volldrehung. Ich fühlte mich wie im freien Fall – und es fühlte sich gut an. Verdammt. Das sollte es doch aber nicht.
Ich sprang so schnell auf, dass mein Stuhl nach hinten kippte. Alle drehten sich zu mir um und verfolgten mich mit ihren Blicken, als ich den Klassenraum verließ. Ein letztes Mal drehte ich mich um und sah zu Tom, während ich die Türklinke berührte. Doch das war ein Fehler. Als er mich mit einem verletzten Blick ansah, fühlte ich mich einfach nur beschissen. Er dachte bestimmt, dass ich in hasste. Jedoch war es nicht Hass, der mich in die Flucht trieb. Was der genaue Grund war, wollte ich mir gar nicht genau definieren.
Ich ging auf Toilette und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Mir war schlecht und ich hatte das Gefühl heulen zu müssen. Warum löste seine Nähe nur sowas in mir aus? Schließlich war ich nicht in ihn verliebt. Er war ein Kerl. Genau wie ich. So etwas empfanden Kerle nicht füreinander – jedenfalls ich nicht.
Toms blaues Auge kam mir in den Sinn und seine aufgeplatzte Lippe. Mit meinem Fingern strich ich mir über meine eigenen Lippen und sofort waren sie wieder da. Die Erinnerungen an den Kuss, seine Lippen, die meine berührten und die vorsichtige Annäherung seiner Zunge. Mit voller Kraft schlug ich gegen die Fliesen neben dem Spiegel und heulte vor Schmerzen auf. Die Haut an meinen Knöcheln war aufgeplatzt. Fasziniert sah ich das Szenario an. Vorsichtig streckte ich meine Finger, die bedrohlich knackten. Kurz durchzog mich Schmerz, den ich aber als gute Ablenkung begrüßte. Alles war mir willkommen, was mich auf andere Gedanken brachte. Ich musste raus hier! Meine rechte Hand puckerte, doch ich versuchte das Gefühl zu ignorieren. Draußen lief ich über den leeren Schulhof zu dem Platz, wo wir sonst alle standen. Ich lehnte mich an die Wand und sackte zu Boden. Scheiß Tag. Langsam und stetig tropfte das Blut meiner Hand zur Erde. Ein Schatten fiel auf mich und ich sah nach oben. Marie nahm vorsichtig meine Hand und verband sie provisorisch mit Taschentüchern. Sie setzte sich wortlos neben mich und legte meine Hand in ihre. So saßen wir einige Minuten nebeneinander und hingen unseren Gedanken nach. Ich betrachtete unsere ineinander gelegten Hände. So lange hatte ich mir das gewünscht und jetzt brachte es nicht einmal mehr mein Herz in Unruhe. „Als Tom das erste Mal ins unsere Klasse kam, hatte ich mich sofort verknallt." Sie atmete tief durch. „Sein Aussehen, diese melodische Stimme und dass er Klavier spielt..." Sie seufzte. „Doch ich kam an ihn nicht heran. Selbst einen Zettel, auf dem ich geschrieben hatte, wie toll ich ihn fand, ignorierte er." Schlagartig fiel mir wieder die Szene vom Anfang des Schuljahrs ein. An diesem Tag glaubte ich, dass ich mich in sie verliebt hatte. „Ich versuchte immer an ihn heran zu kommen, aber das klappte nie. Du warst ja immer bei ihm." Ich versteifte mich. Wollte sie damit irgendwas andeuten? „Lass mich bitte ausreden." Marie sah mich mit großen Augen an und ich nickte. „Bei meiner Geburtstagsfeier wollte ich dann ganz offensiv sein. Ich dachte, dass...wenn er mich erst einmal geküsst hätte... Und dann sein Vorschlag euch beide zu küssen...Und dann war er weg." Sie holte tief Luft, um sich zu sammeln. „Ich war ziemlich verletzt, als er mich einfach stehen gelassen hatte und ich war wütend auf dich, weil du das bekommen hast, was ich wollte." Na toll. Marie war sauer auf mich, obwohl sie Schuld an der ganzen Situation hatte. Nun wurde ich sauer. Hätte sie nicht den Kuss gefordert, wäre es nie zu dieser Sache gekommen. Ich hätte sie einfach weiter angehimmelt und mir nie Gedanken darüber gemacht, warum mich Tom so verwirrte. „Ich habe ziemlich geheult und Daniel hat mich gefunden. Nachdem ich ihm alles erzählt hatte, blaffte er mich an und erzählte mir, dass du was von mir willst. Wir saßen im gleichen Boot. Du warst verletzt und ich auch. Ehrlich, ich hätte nie gedacht, dass du was von mir willst. Und naja...Daniel und ich haben uns danach immer wieder getroffen. Wir sind glücklich. Doch ich habe ein schlechtes Gewissen und Daniel erst. Er macht sich tierisch Gedanken." Plötzlich stand sie auf und tigerte hin und her. „Er hatte sich so gefreut, dass du so relaxed reagiert hast, aber anscheinend war das nur Schein." Sie blickte auf meine verletzte Hand. Ich folgte ihrem Blick und dann machte es Klick. Marie dachte, ich sei wegen Daniels Geständnis ausgerastet. „Marie..." Erneut fing sie an, unruhig hin und her zu laufen. „Marie!" Nun hatte ich ihre Aufmerksamkeit. „Ihr müsst euch keine Gedanken machen. Das mit meiner Hand hat nichts mit euch zu tun. Ich freue mich für euch. Wirklich." Sie sah mich skeptisch an. Vorsichtig entfernte ich die Taschentücher von meiner Hand und betrachtete die verletzten Stellen. „Daniel hat recht. Ich war total in dich verschossen. Bis vor kurzem habe ich gedacht, dass das sogar Liebe ist." Ich stand auf und ging nah zu ihr. Vorsichtig nahm ich ihre Hand. Sie war so zart und zerbrechlich. Dann sah ich ihr in die Augen und war wieder einmal erstaunt, wie ruhig mich die ganze Situation ließ. „Ich glaube, Liebe ist viel mehr als das, was ich für dich empfunden habe. Liebe lässt einen durchdrehen, verzweifelt sein, hoffnungsvoll, glücklich und traurig. Liebe sollte dich erfüllen und dazu bringen, die verrücktesten Sachen zu machen." Marie lächelte und entgegnete: „Ich glaube, dass Liebe bedeutet füreinander da zu sein, wenn es schwierig wird. Ein Versprechen darauf sich zu beschützen." Ich musste an Tom denken, der mir damals versprochen hatte, für mich da zu sein. „Liebe sorgt dafür Herzklopfen zu haben, immer an ihn zu denken und jedes Mal an die Klassentür zu schauen, in der Hoffnung er ist es." Irgendwie fühlte ich mich ertappt. Aber nein. Meine Situation konnte ich nicht mit Maries vergleichen. „Doch der wichtigste Anhaltspunkt war der Kuss. Nachdem mich Daniel geküsst hat, war ich komplett durch den Wind. Er ist normalerweise so gar nicht mein Typ, aber ich musste immer und immer wieder an den Kuss denken. Das hat mich verrückt gemacht. Doch als er mich dann noch einmal küsste..." Sie wurde rot und lächelte verlegen. „Du weißt schon..." Ich lächelte sie an. „Ich hoffe, dass du öfters so lächelst, wenn du an ihn denkst. Das steht dir." Schnell zog ich sie an mich heran und umarmte sie. „Bleibt immer so glücklich." Marie sah mich verschmitzt an. „Wann bist du denn so erwachsen geworden?" Ich lachte und es tat so unglaublich gut. Es knackte hinter mir und ich drehte mich um, während Marie versuchte an mir vorbei zu sehen.
Tom stand da. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und er atmete schwer. „Tut mir leid. Ich wollte nicht stören.", brachte er gepresst hervor. Sofort drückte ich Marie von mir weg, welche nicht verstand, was da gerade zwischen uns passierte. Wie auch. Mir ging es ähnlich. „ Tom, ich..." Ohne mich aussprechen zu lassen, drehte er sich um und ging weg. Ich wollte ihm schon hinterher laufen, doch besann mich eines Besseren. Was sollte ich ihm schon sagen? Es ist nicht so, wie es aussieht?! Als ob ihn das überhaupt interessieren würde.
Mein Herz raste wie wild und ich fühlte mich erwischt, obwohl ich gar nichts gemacht hatte. Scheiße! Verdammt...
„Deine Hand..." Ich sah aus den Gedanken gerissen zu Marie. „...da ging es gar nicht um Daniel und mich." Betreten sah ich auf meine Füße. „Ich hatte gedacht, dass irgendwas passiert sein musste, weil du dich so aufgeregt hast. Ich dachte...dass..." Ihre Augen wurden groß. „Seid ihr ein Paar?" Schnell blickte ich mich um und schüttelte den Kopf. Keiner war zu sehen. Ich erklärte ihr, dass wir kein Paar wären, doch Marie ließ es nicht dabei. „Aber du willst was von ihm." Energisch schüttelte ich meinen Kopf. „Aber...Aber.."
„Ist dir schon mal aufgefallen, dass Tom ein Kerl ist?!", sagte ich schärfer als beabsichtigt. Sie sah mich verständnislos an. „Und?" Ich wollte noch etwas sagen, doch sie unterbrach mich. „Es ist doch egal, für wen dein Herz schlägt. Und wenn er dich auch liebt..."
„Er liebt mich aber nicht. Und ich liebe ihn nicht. Wir sind beide Kerle. Lassen wir das Thema." Ich hörte selbst die Verbitterung in meiner Stimme.
Die nächsten Stunden vergingen im Schneckentempo. Tom ignorierte mich komplett und auch ich war nicht gerade auf ein Gespräch erpicht. Mit dem Klingeln zum Unterrichtsschluss, sprang ich auf und lief los. Ich schaute nicht nach links und nach rechts, denn ich wollte nur noch nach Hause. Dort angekommen stand meine Mutter gerade in der Küche. „Hi Schatz. Hunger?" Ich antwortete nicht, rannte hoch in mein Zimmer, schnappte mir meine Fußballsachen und verließ mit einem Bin beim Training das Haus. Noch drei Stunden bis zum Training.
Der Tag wurde immer schlimmer. Was dachte Tom wohl jetzt von mir? Wie kam Marie darauf, dass wir ein Paar waren? Ich schüttelte den Kopf. Nicht darüber nachdenken.
Als ich ankam zog ich mich schnell um und rannte auf den Platz, aber ich war nicht allein. Jemand drangsalierte den Ball, als ob es um sein Leben ging. Ich seufzte. Von allen Menschen musste ausgerechnet Tom hier üben...
Ich hatte jetzt zwei Möglichkeiten – fight or flight. Abhauen und so tun als hätte ich ihn nicht gesehen oder hingehen und über meinen eigenen Schatten springen. Ich sprang.
Tom hatte mich mitbekommen. Dies bemerkte ich durch die Tatsache, dass er kurz Inne hielt und tief durchatmete, bevor er weiter gegen den Ball trat. Mit klopfendem Herzen rannte ich im lockeren Dauerlauf auf ihn zu. „Der Ball kann nichts dafür. Willst du nicht lieber einen richtigen Gegner?" Tom musterte mich und sein Blick verriet mir gar nichts. Irgendwie verunsicherte mich das, da ich sonst immer ein Gespür dafür hatte, was in ihm vorging. „Ich werde aber keine Rücksicht nehmen", brachte er emotionslos hervor. „Das will ich hoffen." Ich weiß nicht, wie lange wir gegeneinander spielten, doch wir gönnten uns nichts. Es war als projizierten wir unsere ganze Anspannung und die ganzen unausgesprochenen Worte in diesem Duell. Mir lief der Schweiß meinen Rücken hinunter und ich atmete schnell. Gerade war ich im Ballbesitz, als Tom dazwischen rutschte. Ich stürzte über seine Beine und überschlug mich ein paar Mal. Wütend sprang ich auf und ging auf ihn zu. „Was sollte das denn?" Ich schuppte ihn. „Lass das!", zischte er mich an. Doch das sah ich gar nicht ein. Enorme Wut brodelte in mir und ich war kurz vorm Explodieren. Wieder schuppte ich ihn, weil es die bessere Alternative war, als ihm eine rein zu hauen. „Ich habe gesagt du sollst das lassen!" Er stieß mich so stark gegen die Schultern, dass ich rückwärts auf dem Rücken landete. „Arrh!" Ich sprang auf und stürzte mich auf ihn, was in eine handfeste Rauferei ausartete. Tom bekam meine Handgelenke zu greifen und rollte mich auf den Rücken. Seine Knien drückten schmerzhaft auf meine Oberschenkel. Egal wie sehr ich versuchte ihn von mir runter zu stoßen – es funktionierte nicht. Schwer atmend lagen wir nun da. Zuerst funkelten wir uns nur böse an, aber je länger wir in dieser Position verharrten desto mehr änderte sich das ganze emotionale Gefüge. Toms Blick wechselte zwischen Verunsicherung, Trauer und etwas, was ich nicht recht zuordnen konnte. Mein Herz fing an unregelmäßiger zu schlagen. Tom war mir so nah, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Er biss sich auf die Unterlippe und mein Blick blieb daran hängen. Langsam rutschte er von meinen Oberschenkel, was Erlösung und Fluch zugleich war. Zwar ließ der Schmerz nach, jedoch gab es plötzlich keinen großartigen Abstand mehr zwischen uns. Sein Griff um mein Handgelenk wurde lockerer. Jetzt hätte ich ihn leicht von mir stoßen können, doch ich rührte mich nicht. Mein Herz drohte mir aus meinem Brustkorb zu springen und mein Mund wurde trocken. Mein Verstand kämpfte gegen mein Gefühl. Während mein Gehirn mir versuchte klar zu machen, dass das alles nur Zufall war und nichts bedeutete, versuchte mein Herz mich davon zu überzeugen, dass ich Tom viel mehr brauchte, als ich zugeben wollte.
Im inneren Kampf gefangen spürte ich plötzlich, wie er mit seinem Daumen hauchzart über die Haut meines Handgelenks strich. Alle meine Sinne waren geschärft. Tausende Raketen stiegen in meinen Bauch hinauf und ich bekam Angst. Wenn schon diese kleine Berührung so intensiv wirkte, wie würde es sich dann anfühlen, wenn Toms Hände ganz andere Bereiche meines Körpers erkunden würden? Das Kopfkino, welches ich dann hatte, überraschte mich so sehr, dass ich stöhnend meine Augen schloss. Warum passierte das nur immer? Das war doch nicht normal?! Wieso dachte ich an sowas? Und warum, verdammt noch mal, fühlte sich das hier so gut an? Ich seufzte und hätte mir am liebsten den Mund zugeschlagen, was jedoch nicht ging, da mich Tom ja immer noch festhielt. Als ich langsam wieder meine Lider öffnete, blickte ich in fast schwarze Augen. Für einen kurzen Augenblick war ich eingeschüchtert, weil es so aussah, als ob er mich gleich mit Haut und Haar auffressen wollte. Wenn mein Hals nicht so ausgetrocknet gewesen wäre, hätte ich bestimmt wie ein nervöses Mädchen gekichert.
Nun streichelte er auch mein anderes Handgelenk und ich bekam über den ganzen Körper Gänsehaut. Mein Atem ging schneller und erneut seufzte ich auf. Auch wenn es falsch war, fühlte es sich dennoch gut an. Wie konnte das sein?
„Warum tust du mir das an?"
Toms Stimme war nur ein Raunen und kurzzeitig überlegte ich, ob ich mir die Frage nur eingebildet hatte. Dann bemerkte ich, dass er mit seinem Gesicht immer näher kam. Mein Herz flatterte und mein Atem ging nur Stoßweise. Ich wusste, wenn er mich jetzt küssen – und es sah verdammt danach aus – aufhalten würde ich ihn nicht. In Gedanken fühlte ich schon seine Lippen auf meine, spürte seine warmen Hände meinen Körper erkunden. Warum wollte ich ihm nur immer so nah sein? Nur noch wenige Zentimeter trennten ihn von seinem Ziel, als das Blut, welches bis dato mein überreiztes Hirn versorgte, zwei Etagen tiefer rutschte. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht, als sich ohne Vorwarnung meine Hose zu spannen begann.
Im Nachhinein war ich erstaunt, wie schnell Reflexe funktionierten. Vor lauter Panik, dass Tom meine Erregung spüren würde, stieß ich ihn von mir. Dies geschah mit solcher Kraft, dass er unsanft auf seinen Rücken landete. Ich sprang auf meine Füße und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Im Augenwinkel sah ich, dass sich Tom erhob und das Gras von seiner Kleidung klopfte. Mein ganzer Körper schrie innerlich und in diesem Moment hasste ich mich selber. Ich hasste mich dafür, was ich Tom zumutete und vor allem hasste ich mich für das, was ich fühlte. „Es tut mir leid." Diese 4 Wörter brachte ich noch hervor, bevor ich los rannte.
Außer Atem stand ich vor der Umkleidekabine. „Ich bin so blöd, so blöd, so blöd!" Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen die Wand geschlagen. Meine Erregung war wieder abgeklungen und tiefe Scham erfüllte mich.
Kurz nach mir erschien Tom. Wortlos ging er vorbei, um dann wenige Minuten später umgezogen neben mir stehen zu bleiben. Er reichte mir eine Tüte mit Sachen und einen Fußball. „Sag bitte dem Trainer, dass ich nicht mehr komme." Mein Herz begann zu schmerzen. Dieses verfluchte, lebensnotwendige Organ. „Warum?"
„Max...ich kann das nicht mehr."
„Was meinst du?"
„Du...ich... es tut weh und du merkst es nicht mal. Weißt du überhaupt, was du mir antust? Jedes Mal, wenn du mich von dir stößt? Du redest nicht mehr mit mir. Ignorierst mich. Und dann bist du mir plötzlich so nah. Ich kann das einfach nicht mehr. Wir sollten das mit unserer...Freundschaft...lassen. Vielleicht hört es dann auf."
Bevor ich etwas entgegnen konnte, drehte er sich um und ging. Ein Schritt. Zwei Schritte, bis er nicht mehr zu sehen war.
Die Tage vergingen und es wurde immer kälter. Mein Innerstes schien sich dem Wetter anzupassen. Grau, kalt und nervend. Zwar sah ich Tom und er grüßte mich auch freundlich, doch seine distanzierte, fast geschäftliche Art und Weise, mit der er mir entgegen trat, versetzte mir stetig einen Hieb. Er fehlte mir. Er fehlte mir unglaublich. Sein Lachen, seine Stimme und seine Fähigkeit, immer zu wissen, was in mir vorging. Mein Gott...so hatte ich noch nie empfunden. Weder für Marie oder sonst noch irgendeinen Menschen. Ich träumte jede Nacht von ihm und spürte beim Erwachen die Tränen, die mir mein Gesicht entlang liefen. Was war das für ein Gefühl? Freundschaft? Nein. Für keinen Freund empfand ich so intensiv. Liebe? Mein Magen drehte sich, obwohl mir der Gedanke immer öfters im Kopf umher spukte. Würde mein Vater davon wissen... Eiskalt lief es mir den Rücken entlang. Ausgerechnet ich, der seit seiner Kindheit anhören musste, wie unnormal Homosexualität sei, zweifelte nun daran, ob eine Frau das war, was ich wollte.
Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und öffnete meine Playlist. Naja, von Liste konnte ich nicht wirklich sprechen, da es immer das gleiche Lied war, welches ich rauf und runter hörte. Durch die Nacht. Ich hörte es kurz nach dem Aufstehen, in der Schule und danach.
Mein Vater regte sich über mein Verhalten der letzten Tage wahnsinnig auf und ich konnte den Schlägen nur aus dem Weg gehen, weil meine Mutter Frühschicht hatte. Auch sie merkte mein verändertes Verhalten, doch ich wollte und konnte mit ihr nicht darüber reden.
„Max... bitte. Was ist los?" Wieder einmal probierte sie es.
„Nichts."
„Irgendetwas muss doch passiert sein. Du bist doch sonst nicht so."
„Wie bin ich denn???" Ich fauchte sie an. Ihre hochgezogene Augenbraue war Antwort genug.
„Mensch Max. Egal was es ist. Kläre es. So geht das nicht weiter und es wird nicht besser werden, wenn du dich hier einkapselst und jeden ausschließt." Das war leichter gesagt als getan...
Nun war schon wieder Freitag. Die elenden Tage reihten sich aneinander und auch wenn ich durch Tom in dieser ganzen Gefühlsmisere steckte, war er mein einziger Lichtblick. Immer wieder beobachtete ich ihn heimlich in der Schule. Er sah auch nicht gerade euphorisch aus und ich bemerkte seine Augenringe, die immer dunkler wurden. Ich seufzte, als sich in den Moment Marie neben mich setzte. „Hey."
„Hey."
„Du siehst scheiße aus."
„Danke. Ich fühl mich auch so." Sie lächelte mich mitfühlend an. Dann schob sie mir einen mehrfach gefalteten Zettel hin und stand wieder auf. Verdutzt sah ich ihr hinterher. Was war denn das gerade? Der kleine Zettel lag derweil einsam auf meinem Tisch. Schnell sah ich nach links und rechts, doch niemand schien unsere kurze Unterhaltung mitbekommen zu haben. Ich kaute auf meiner Unterlippe, während ich den Zettel versuchte auseinander zu falten. Als ich es dann endlich geschafft hatte, bemerkte ich, dass etwas darauf geschrieben war. Ein Satz. Rede mit ihm.
Dieser eine Satz ließ mich nicht mehr los. Es war genau das, worum ich mich die ganze Zeit versuchte zu drücken. Mit ihm reden. Doch ich wusste, wenn es mir je wieder besser gehen sollte, dann musste ich genau dies tun.
Am selben Abend lag ich im Bett und starrte an die Decke. Mein Gehirn war vom vielen Grübeln erschöpft. Mein Kopf war schwer. Mein Herz frustriert. Ich war im Ungleichgewicht und wenn mich jemand ins Lot bringen konnte, dann nur Tom... Verdammt. Ich würde das jetzt endlich klären!
Der Regen war eiskalt, doch das machte mir nichts aus. Mein ganzer Körper glühte regelrecht und mein Herz raste. Ich hatte Panik. Nichts als nackte Angst. Was würde ich tun, wenn mir Tom die Freundschaft kündigte...obwohl...das war ja eigentlich schon geschehen. Ich war so ein Arsch! Egoistisch. Engstirnig! Naiv! Mir fielen noch mehr passende Wörter ein, doch schon hatte ich mein Ziel erreicht. Christins Auto stand nicht da. Anscheinend war sie wieder unterwegs. Mein Blick ging zu Toms Zimmer. Es brannte Licht. Ein greller Blitz leuchtete auf und sofort donnerte es. Mit zitternden Händen stand ich vor der Haustür. Mein Atem ging viel zu schnell und mein Puls donnerte erbarmungslos in meinen Schläfen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich diesen verdammten Schlüssel in das Loch gefummelt hatte. „Für Notfälle" hatte Tom damals gesagt. Na wenn das mal kein Notfall war...
Ich zog die Schuhe aus, obwohl ich wusste, dass es eh nichts bringen würde. Innerhalb von Sekunden bildete sich unter mir eine Regenpfütze durch meine durchnässten Sachen. Sorry Christin.
Ich ging die Treppe zu Toms Zimmer hoch. Unterwegs wollte ich mich meiner Jacke entledigen, die ich aber gar nicht trug. Wieder einmal war ich total überstürzt losgelaufen. Plötzlich bekam ich Zweifel. War das wirklich eine gute Idee? Was sollte ich denn überhaupt sagen? Hey, tut mir leid, dass ich so ein Arsch gewesen bin, aber mir geht unser Kuss nicht mehr aus dem Kopf und seitdem befürchte ich, dass ich schwul bin!? Meine Hand berührte die Türklinke. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Ich schloss die Augen und öffnete langsam die Tür. „Komm schon" Ich erstarrte in der Bewegung. Eine Frauenstimme und eine, die ich nur zu gut kannte. „Lass mich in Ruhe Annabell." Vorsichtig öffnete ich die Tür noch ein wenig weiter.
Tom saß auf dem Sofa. Seine Arme waren verschränkt, sein Blick kühl. Annabell stand vor ihm. Sie trug ein hautenges Top und eine schwarze Jeans, die ihre langen Beine betonten. Ihre Haare trug sie offen und sie fielen ihr in geschmeidigen Locken ins Gesicht. Eins musste man ihr lassen. Sie ließ sich von Toms Blick definitiv nicht beeindrucken. Was sollte ich denn jetzt machen? Auf der einen Seite müsste ich mich zu erkennen geben und auf der anderen Seite wollte ich genau dies nicht tun. Ich wollte wissen, was da abging. Als Annabell dann anfing ihr Top langsam und selbstbewusst über ihren Kopf zu ziehen, konnte ich gar nichts mehr machen. Ich war wie in Schockstarre und hörte mein Blut in den Ohren rauschen.
Tom sah sie seufzend an. „Wir haben uns getrennt", sagte er schlicht. Jeder andere Mann wäre vermutlich beim Anblick von Annabells wohlgeformten Brüsten in diesem schwarzen Spitzen-BH durchgedreht. Ihr Schlafzimmerblick sprach Bände, als sie langsam auf Tom zuging und sich zwischen seine Beine kniete. „Das ist mir bewusst Schatz", säuselte sie. Ihre Stimme war belegt und alles an ihr schien puren Sex zu verströmen. „Aber ich will dich. Jetzt." Ihre Hände wanderten unter sein Shirt. Unbewusst schob ich die Tür noch ein bisschen weiter auf. Die ganze Situation wirkte auf mich so unreal. Geschah das wirklich?
Tom hielt sie in ihren Streicheleinheiten nicht auf, was sie scheinbar anstachelte weiter zu machen. „Ich weiß, dass es für dich schwierig ist. Aber Tom, für mich ist es das auch." Er nickte wissend und etwas traurig. „Komm zu mir zurück. Glaubst du, dass die ganze Sache eine Zukunft hat? Wir passen so gut zusammen. Wir sind das perfekte Paar. Jeder weiß das." Er holte tief Luft. Das stimmte. Zusammen sahen sie einfach fantastisch aus. „Denkst du nicht, dass ich das nicht weiß? Ich hatte das ja nicht geplant und nun müssen wir beide lernen mit der Situation umzugehen." Dann sah er ihr tief in die Augen. „Du bedeutest mir so viel." Ich bekam einen Kloß im Hals und mir wurde flau im Magen. „Niemand hätte es so aufgenommen wie du. Aber...ich kann...ich will nicht mehr mit dir zusammen sein. Ich würde doch nur heucheln. Dir Dinge vorspielen, die nicht da sind." Sie grinste dennoch anzüglich und glitt mit ihren Fingern zum Bund seiner Boxershorts, um ihn dann kurz unter seinem Bauchnabel zu küssen. Mir wurde noch flauer im Magen. Annabell wirkte so unglaublich reif, selbstsicher und willensstark. Alles, was ich nicht war. Doch Tom war genauso. Viel erwachsener als ich.
„Annabell!" Tom funkelte sie an. „Es ist doch nur Sex. Ich weiß, wir sind nur Freunde. Es muss doch nichts bedeuten." Er lachte verbittert. „Einfach nur Sex? Sagen das nicht eigentlich immer die Typen?" Sie leckte sich über ihre Lippen. „Komm schon. Vielleicht merkst du ja dann, dass deine Gefühle sich irren. Wir haben schon eine Weile nicht mehr miteinander geschlafen. Vielleicht..." Er schien über ihre Worte nachzudenken und musterte sie. An ihren Brüsten blieb er hängen und errötete leicht. „Ich...ähm...ich..." Er atmete tief durch und schloss die Augen. „Ich glaube nicht, dass ich bei dir....nun...." Da lief auch Annabell rot an. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und atmete schnell, bevor sie anfing zu brüllen. „Sag mal geht's noch? Bin ich auf einmal abstoßend geworden oder was?" Er schüttelte den Kopf. „Wieso dann? Du hattest doch sonst auch keine Probleme. Ist es weil ich keinen..." Sie hielt inne. Ihr Gesicht leuchtete purpurn. „Oh...ich verstehe." Tom sah beschämt zur Seite. „Damit kann ich natürlich nicht dienen." Ich drehte fast durch. Was ging denn da ab? Ich verstand kein Wort. Trotzdem war ich irgendwie erleichtert, dass er sie nicht wollte. Schnell schüttelte ich den Gedanken ab.
Annabell erhob sich anmutig und setzte sich dann neben ihn. „Es tut mir leid. Ich...Es ist hart für mich, wegen...sowas...eine Abfuhr zu bekommen." Ihre Stimmte klang brüchig. Tom sah sie mitfühlend an und streichelte ihr Gesicht. Diese intime Geste versetzte mir einen Stich. „Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich dich nehmen. Es wäre so viel einfacher. Aber..." Er sah unglaublich traurig aus. Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen und hätte gesagt Egal was ist. Wir bekommen das hin. Moment. Was? Natürlich als Freunde. Freunde waren immer für einander da. Und das waren wir doch. Freunde. Annabell sah ihn mit großen funkelnden Augen an. „Ich habe eine Idee, die dir bestimmt hilft. Wir schlafen miteinander und wenn du danach nichts für mich fühlst, lass ich dich in Ruhe." Tom wollte etwas entgegnen, doch sie kam ihm zuvor. „Mach die Augen zu." Fragend sah er sie an. „Komm. Vertrau mir. Ich würde dir nie weh tun. Schließ die Augen und stell dir vor..." Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. Tom schnappte nach Luft und sah sie mit großen dunklen Augen an. Egal, was sie ihm ins Ohr gesäuselt hatte – es funktionierte. Überrascht sah Annabell Richtung Shorts. Ich folgte ihrem Blick und sah es sofort. Seine Shorts spannte sich immer mehr zwischen seinen Beinen. Erst jetzt schien er es selbst zu bemerken und wollte seine Erregung bedecken. Doch sie hielt ihn ab. Annabell schluckte. „Schon gut. Das war ja so gedacht. Schließ die Augen und stell es dir vor." Tom tat, wie ihm gesagt wurde und lehnte sich zurück. Seine Augen waren geschlossen und die Hände zu Fäusten geballt. Ich merkte ihm sofort seine Anspannung an. Eigentlich dachte ich, dass Annabell nun glücklich über ihren Erfolg sein würde, doch sie wirkte nicht so. Ihre Schultern zitterten und sie sah aus, als ob sie gleich weinen würde. Ungläubig schaute sie zwischen Toms Schritt und seinem Gesicht hin und her. Regelrecht fassungslos schüttelte sie ihren Kopf. Warum reagierte sie so? Letztendlich hatte sie doch ihr Ziel erreicht. Dann straffte sie ihre Schultern und kniete sich zwischen seine Beine. Mein Herz schlug noch schneller. Was würde denn das jetzt werden? Vorsichtig zog sie ihm die Shorts aus und versenkte ihren Kopf zwischen Toms Beine. Er stöhnte auf. Annabells Kopf ging vor und zurück, verharrte kurz, um dann wieder fort zu fahren. Kleine Schweißperlen traten auf Toms Stirn und auf meine. Plötzlich tat sich auch in meiner Hose etwas und ich atmete überrascht tief ein. Die ganze Situation irritierte mich zutiefst. Tom atmete schwer und stöhnte, während es zwischen meinen Beinen rhythmisch zuckte. Annabell stoppte und fing an seinen Bauch zu küssen, während ihre Hand ihn weiter massierte.
Wut stieg in mir auf. Dieses Miststück. Er wollte das doch gar nicht. Wieso hatte sie das nicht respektiert und ihn irgendwelche Sachen zugeraunt? Jetzt lag er da, während sie...während sie... OH. MEIN. GOTT! Ich war eifersüchtig. Ich war tatsächlich eifersüchtig auf Annabell. Denn ich sollte an ihrer Stelle sein.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Tränen stiegen mir in die Augen. Mir wurde schwindlig und ich lehnte mich an. Blöd nur, dass es die Tür war und ich das Gleichgewicht verlor, als sie nachgab. So fiel ich in das Zimmer und konnte mich kurz vor dem Boden noch fangen. Annabell schrie vor Schreck auf, während Tom mich einfach nur fassungslos ansah. Er öffnete und schloss den Mund, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Und ich? Tja... Ich raffte mich auf, mit Tränen in den Augen und einem Herzschlag, der meinen Brustkorb zu sprengen drohte. „Max." Seine tiefe Stimmte, die meinen Namen flüsterte, war dann zu viel. Eine erste Träne lief über mein Gesicht. „'tschuldigung", war das Einzige, was ich raus brachte, während ich schon fluchtartig den Raum verließ. Mein Gesichtsfeld verschwamm. Irgendwie schaffte ich es die Treppe hinunter und wäre fast über Minka gestolpert, die pikiert maunzte.
Und dann rannte ich. Rannte, rannte und rannte. In der Zwischenzeit war es dunkel geworden, sodass ich kaum noch meine Hand vor den Augen sah. Ab und an erhellte ein Blitz meinen Weg, gefolgt vom Grollen des Donners. Als ich vom Rennen schon Blut schmeckte, stoppte ich. In der Torwartstellung versuchte ich wieder zu Atem zu kommen. Doch sobald ich stand waren meine Gedanken wieder da – genauso meine Tränen. Ich sackte auf den Boden und heulte. Heulte, heulte und heulte. Noch nie hatte ich mich so gefühlt. Verzweifelt, verwirrt und einfach unglücklich. Ich zog meine Knie an mich heran und umfasste sie mit meinen Armen. Dann ließ ich meinen Kopf darauf sinken und hoffte einfach, dass das alles nicht wahr sei.
Wie lange ich da saß, bevor ich wieder Gefühl in meinem Körper bekam, wusste ich nicht. Das erste, was ich spürte, war das kalte Regenwasser, welches mir den Rücken hinunter lief und danach meine Füße. Ich hatte meine Schuhe gar nicht erst angezogen. Langsam hob ich meinen Kopf und wischte mir die warmen Tränen ab, die einen harten Kontrast zu der Kälte bildete, die ich ansonsten verspürte. Wo war ich eigentlich? Ein Blitz erhellte kurz die Umgebung. Der Fußballplatz. Ich musste quer durchs Dorf und querfeldein gelaufen sein. Ich seufzte.
„Maximilian." Mein Herz setzte für einen Moment aus. Schlagartig fing mein Körper an zu zittern und ich lehnte meinen Kopf erschöpft auf die Knie, in der Hoffnung, dass er geht – das er bleibt. Ich schluchzte und hasste mich dafür. Tom legte mir seine Jacke um die Schulter, die so sehr nach ihm roch. Sein Geruch umhüllte mich wie ein schützender Umgang und ich atmete tief ein. Was tat ich da eigentlich? War ich etwa ein Mädchen, das den Duft ihres Kerls einatmen musste, um sich zu beruhigen? Doch verdammt noch mal – das Zittern hörte auf. Er setzte sich neben mich. Fast berührten wir uns und ich war mir seiner Nähe unglaublich bewusst. Lange Zeit sagte keiner ein Wort. Ab und zu holte Tom tief Luft, als ob er etwas sagen wollte – doch er schwieg.
„Tut mir leid, dass ich so ein Arsch gewesen bin. Ich...ich... Es ging mir ziemlich viel durch den Kopf." Er wollte etwas sagen, doch ich gebot ihm Einhalt. „Die Party bei Marie, das Flaschendrehen und...alles was danach folgte. Ich glaub, dass ich einfach überfordert war und ich hab es an dir ausgelassen. Es tut mir leid. Deswegen war ich heute Abend da, um mit dir darüber zu sprechen. Vor allem über eine Sachen die mich am Meisten beschäftigt." Ich dachte an den Kuss und wie verwirrt ich danach war. Ohne, dass ich es steuern konnte, liefen meine Gedanken zu Annabell. Wut stieg in mir auf. Ätzende Eifersucht beschlagnahmte meine gesamten Gedanken. Ich ballte meine Hand zur Faust. Am liebsten hätte ich irgendwo eingedroschen, nur um mich abzureagieren. „Max ich..." Tom fasste mich an die Schulter und sofort fing mein Herz an zu rasen. Mein Magen und alle Gedärme schienen einen Purzelbaum zu schlagen. An den Spruch „Schmetterlinge im Bauch", wehrte ich mich zu denken. Warum reagierte ich nur so auf ihn? Das war doch nicht normal. Er war ein Kerl, ein Kumpel. Nicht mehr! Ich sprang auf, denn ich brauchte Abstand zu ihm. So ging ich zu einem Baum und lehnte mich an. „Tut mir leid, dass ich vorhin so reingeplatzt bin. Ich wollte dir die Nummer mit Annabell nicht versauen." Ich hörte selbst, wie verbittert meine Stimme klang. So schloss ich die Augen und atmete tief durch. Reiß dich zusammen! „Du musst auch wieder zurück. Annabell wartet bestimmt noch. Ich werde mich jetzt auch los machen, bin komplett durchnässt." Noch einmal atmete ich tief durch, straffte meine Schulter, öffnete die Augen und erstarrte. Tom stand direkt vor mir. Ich schluckte. Regentropfen perlten sein Gesicht hinunter. Er war wunderschön. Das war er wirklich und so sehr ich es versuchte nicht zu denken, es funktionierte nicht. Ich sah auf seinen Mund. Dieser weiche, warme Mund und unwillkürlich leckte ich mir über meine Lippen. Meine Gedanken drifteten zurück zu unserem Kuss. Das Bedürfnis ihn jetzt an mich zu ziehen und es noch einmal zu erleben, zerriss mich förmlich. Ich hasste mich dafür – für die Schwäche, für die Gedanken und diesen verdammten Wunsch. Eine Träne lief über mein Gesicht und beschämt sah ich zur Seite. Was war denn nur los mit mir? „Maximilian, sieh mich an." Seine Stimmte vibrierte in meinem Inneren. Tom berührte vorsichtig mein Gesicht und drehte meinen Kopf zu sich. „Bitte, sieh mich an." Langsam öffnete ich meine Augen und blickte zu ihm. Er betrachtete mich mit einem Blick, der mich erröten ließ. Sein Atem ging schnell und ich hatte das Gefühl, als ob er mit sich kämpfen würde. Noch immer berührte er mein Gesicht und umfasste sanft mein Kinn. Mit seinem Daumen strich er vorsichtig über meine Lippen und als ob ihm bewusst wurde, was er da eigentlich tat, hob er entschuldigend die Hände. „Tut mir leid. Ich...ich sollte gehen." Er drehte sich um und ging einen Schritt von mir weg, zwei Schritte.
Schnell griff ich nach seinem Arm und hielt ihn fest. Bevor ich darüber nachdenken konnte, drehte ich ihn zu mir. Überrascht sah er mich an. Dann überbrückte ich die letzte Distanz zwischen uns, zog in an mich heran und küsste ihn. Mein Herz ging auf. Es fühlte sich so gut an, richtig. Das war es, was ich wollte – was ich brauchte. Vorsichtig löste ich mich von ihm. Ich öffnete die Augen und sah, dass mich Tom mit einem undurchdringlichen Blick betrachtete. Langsam wurde ich nervös. Hatte ich doch falsch gehandelt? Was dachte Tom jetzt von mir? Mein Herz schien zu verrutschen und die Euphorie des Kusses verschwand. Panik stieg in mir auf. „Tom...Ich...Es tut mir leid. Das war...das ist..." Doch bevor ich weiter sprechen konnte, griff er in meine Haare und zog mich zu einem erneuten Kuss zu sich. Zuerst berührten sich unsere Lippen vorsichtig, nahezu entschuldigend. Dann berührten sich unsere Zungen und jede Befangenheit war verschwunden. Es fühlte sich an, als seien wir Verhungernde und könnten uns gegenseitig durch diesen Kuss aufnehmen. Die ganze Anspannung der letzten Wochen entlud sich in diesem Moment. Tom wurde forscher. Jede Zurückhaltung hatte er abgelegt. Er drückte mich mit seinem gesamten Körper an den Baumstamm. Fordernd. Drängend. Verzweifelt. Ich stöhnte auf. Dies entlockte ihm ein tiefes Grollen, was mir durch den gesamten Körper ging.
Er löste sich von mir und betrachtete mich eindringlich. „Was machst du nur mit mir?" Ich lächelte verlegen. Mein ganzer Kopf schwirrte und ich hatte das Gefühl zu schweben.
Die nächsten Wochen erlebte ich wie im Rausch. Alles war schön. Der Regen war nicht kalt, denn Tom war bei mir, der mich wärmte. Der Unterricht war das erste Highlight des Tages, weil wir uns immer wieder wie zufällig berührten, wodurch mein Herz vor Aufregung zersprang. Ich war noch nie so glücklich. Endlich hatte ich das Gefühl angekommen zu sein.
Am liebsten hätte ich jedem von meinem Glück erzählt, doch in mir waberte eine kalte Angst, die jedes Mal größer wurde, wenn ich strahlend am Esstisch saß und in das skeptische Gesicht meines Vaters blickte. Sofort war jegliche Euphorie dahin und mir schnürte es fast die Kehle zu. Er durfte es nie erfahren. So führten wir heimlich eine Beziehung, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass Marie etwas wusste, da sie uns täglich grinsend beobachtete.
Es fühlte sich so gut an, wenn Tom bei mir war. Wenn ich am Wochenende bei ihm übernachtete erzählten wir Stunden lang über Gott und die Welt und schmiedeten Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Wenn dann meine Augen immer kleiner wurden und der Schlaf mich zu übermannen drohte, zog er mich immer eng an sich und sang mir etwas vor. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nie gedacht, dass uns irgendetwas trennen könnte...
„Ich wünsche dir frohe Weihnachten mein Schatz." Jetzt waren wir schon ein paar Monate zusammen und noch immer machte mein Herz einen Sprung, wenn er mich so nannte. Ich musste grinsen. Tom reichte mir einen Briefumschlag und kaute nervös auf seiner Unterlippe. Ich reichte ihm eine kleine Schatulle und war nicht minder nervös. „Auf drei?" Er nickte. „Eins, zwei, drei!" Gleichzeitig öffneten wir unsere Geschenke. Mir fiel die Kinnlade runter, als ich den Inhalt der Karte las. Tom stellte sich zu mir. Sanft umarmte er mich und gab mir einen Kuss auf die Schulter. Ich bekam Gänsehaut. „Wir verbringen Silvester in der großen weiten Stadt und feiern danach deinen Geburtstag. Kein Verstecken. Nur du und ich. Nur wir beide." Meine Hände zitterten und ich konnte den Text auf der Karte gar nicht mehr lesen, weil alles verschwamm. Ich stand auf und umarmte ihn dankbar. Womit hatte ich so viel Glück und diesen Mann verdient, mit dem alles möglich schien? „Hilfst du mir bei meinem Geschenk?" Vorsichtig hängte ich ihm das Lederarmband um. Eine feine silberne Platte war daran befestigt. Entfernte er das Armband, konnte er darunter eine Gravur lesen. „Sag niemals nie. T+M" Sag niemals nie. Das wurde zu unserem geflügelten Satz. Alles war möglich, solange man nie die Hoffnung aufgab.
Tom betrachtete lächelnd das Armband und gab mir einen Kuss. Sein Gesicht war leicht gerötet und ich wusste, dass er mit den Tränen kämpfte. Immer noch war es unglaublich zu beobachten, wie sehr er sich in meiner Nähe fallen lassen konnte, während er bei den Anderen immer unnahbar wirkte. Dann widmete er sich meinem zweiten Geschenk, welches mir ultra-peinlich, doch ein riesen Wunsch von ihm gewesen war. Es war ein schwarzer Bilderrahmen mit einem Foto. Das Selfie zeigte uns beide, wie ich ihm einem Kuss gab und er verschmitzt in die Kamera grinste. Wir liebten dieses Bild, weil es das pure Glück zeigte.
Mein Vater fand es zwar ein bisschen komisch, dass ich mit Tom einen viertägigen Ausflug machte, aber als ich ihm sagte, dass man so besser feiern und Weiber aufreißen könne, war er zufrieden. Volltrottel.
Diese vier Tage waren unglaublich. Wir turtelten händchenhaltend durch die Stadt und nutzten jede Gelegenheit, um uns einen Kuss zu geben. Besonders Tom blühte auf, dem die Geheimnistuerei ziemlich an die Nieren ging. Doch hier wollten wir nicht an zu Hause denken. Mitternacht von Silvester verbrachten wir auf dem Dach eines Hochhauses und beobachteten, eng umschlungen, das Lichtermeer der explodierenden Raketen. „Happy Birthday mein Schatz und ein schönes neues Jahr." Wir küssten uns und mein Herz schien gleichsam der umgebenen Raketen zu explodieren. Endlich 18 Jahre. Tom hatte schon im Oktober seine Volljährigkeit gefeiert und nun schien auch für mich die Freiheit zum Greifen nah.
Küssend knallten wir die Tür hinter uns zu. Umständlich zogen wir unsere Jacken aus und kicherten in Anbetracht dieser Situation. Gerade noch rechtzeitig erreichten wir das Bett, eh wir das Gleichgewicht verloren und schwer atmend auf die weichen Decken fielen. Ich wollte ihn. Jetzt. Sofort. Die ganzen Monate hatte ich gewartet. Auf der einen Seite, um ihm nicht das Gefühl zu vermitteln, dass unsere Beziehung rein körperlicher Natur war und auf der anderen Seite rein rechtlich, so blöd wie das klang. Ich hatte Angst, dass Tom Ärger bekommen würde, weil ich noch Minderjährig war. Dabei dachte ich stets an meinen Vater, der ja Anwalt war. Nie sollte dieser einen Angriffspunkt gegen Tom bekommen. Es war eine Qual für uns beide gewesen. Doch das war jetzt vorbei. Mit rasendem Herzen betrachtete ich den Mann unter mir. Er war mein und niemand würde uns trennen können. Tom zog mich zu sich heran und wir verschmolzen in diesem Kuss, der weit mehr versprach als alles, was wir bisher erlebt hatten. Seine Hände glitten unter meinen Pullover und fuhren meinen Rücken entlang. Ich stöhnte auf und entlockte dadurch meinem Freund ein tiefes Knurren. Atemlos löste ich meine Lippen von seinen und sah ihn an. „Ich liebe dich." Sein Lächeln brachte mein Herz ins Ungleichgewicht. „Ich liebe dich auch."
Wir erwachten kurz vor Mittag, eng umschlungen. Ich streckte mich genüsslich und schnurrte regelrecht. „Guten Morgen." Tom gähnte und lächelte. „Guten Morgen." Er gab mir ein Kuss auf die Stirn und stand auf. Kurz zuckte er zusammen. „Alles in Ordnung?" In meinem Tatendrang der letzten Nacht, hatte ich teilweise die Beherrschung verloren. Ich grinste anzüglich. „Alles gut. Ist nur ein bisschen ungewohnt." Er errötete und sofort fielen mir viele Dinge ein, die ihm noch mehr die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. „Irgendwie hatte ich mir das ein bisschen anders vorgestellt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du mich überfällst." Ich lachte herzhaft und sah ihm zu, wie er ins Bad tigerte. Als ich dann hörte, wie er die Dusche anstellte, beschloss ich, ihm einen Besuch abzustatten.
Die Tage vergingen viel zu schnell und wir mussten die Heimreise antreten. Wir versuchten optimistisch zu bleiben, waren aber viel zu realistisch dafür. So verbrachten wir die Zugfahrt lange Zeit schweigend und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Ich wollte nicht nach Hause...
Auch wenn wir uns in zwei Tagen schon wieder sehen würden, fühlte sich dies für mich wie eine Ewigkeit an. Seufzend stand ich vor meiner Haustür, als mein Handy vibrierte. Tom hatte mir eine Nachricht geschickt. Ich liebe dich. Sofort besserte sich meine Laune ein bisschen und ich öffnete die Tür. Sofort wehte mir der Geruch von Alkohol entgegen. Mein Vater stand vor mir und hatte anscheinend auf mich gewartet.