Staubpartikel tanzten wirr im Sonnenlicht, das durch ein Dachfenster in die kleine, unaufgeräumte Werkstatt fiel. Nur ein schmaler Tisch war von der Unordnung verschont geblieben. An ihm werkelte ein alter, gebeugter Mann an einer kleinen Spieluhr herum. Ununterbrochen murmelte er in seinen langen, grauen Bart hinein während er mit zusammengekniffenen Augen einzelne Zahnräder austauschte. Die Spieluhr war sein Meisterwerk und er konnte sie nicht einfach zu seinen anderen Werken legen, die langsam verstaubten und dem Zahn der Zeit zum Opfer fielen. Sie durfte nicht aufhören zu spielen, er musste sie wieder zum Laufen bringen. Musste!
Mühsam unterdrückte er das Zittern in den Händen, als er die letzten Federn und Zahnräder ersetzte. Ehe er die Abdeckung verschloss, überprüfte ein letztes Mal seine Arbeit. Mehrere Male drehte er sie in seinen Händen und betrachtete sie dabei. Die Zeit hatte sie nicht verschont. Ihre Farben waren schon verblichen und an manchen Stellen war das Metall schon angelaufen, aber sie funktionierte noch immer. Für ihn war sie immer noch so wunderschön wie am ersten Tag.
Ächzend setzte er setzte sich auf einen Stuhl, zog die Spieluhr auf, stellte sie auf den Tisch und sah sie melancholisch an. Eine kleine Ballerina erhob sich mit ruckelnden Bewegungen und tanzte zu der Melodie der Spieluhr, ehe sie wieder wie ein kleines Häufchen Elend zusammenbrach. Immer wieder Zog der Mann die Uhr auf und betrachtete den Tanz. Er fing an zu lachen, aber das Lachen verwandelte sich bald in ein schmerzerfülltes Schluchzen, Tränen füllten seine Augen, liefen über sein Gesicht, versiegten in seinem Bart und sein Blick wurde verschleiert. Die Ballerina besaß ihre Augen und ihren Anmut, der in der kleinen Figur für alle Zeiten festgehalten wurde. Er spürte dieselbe Wärme wie damals, als er die Liebe zu seiner Frau in dieser Figur verewigte. Sein Herz schlug schneller vor Freude doch plötzlich verspürte er ein Stechen in seiner Brust und kippte vom Stuhl.
Krümmte sich vor Schmerz auf den Boden zusammen. Unsichtbare Bänder aus Stahl schnürten sich immer fester um seine Brust. Sein Arm kam ihm unendlich schwer vor, als er ihn anhob und nach der kleinen Figur, die unbeirrt weiter tanzte, ausstreckte. Er hielt seinen Blick auf sie gerichtet und versuchte sich aufzurichten. Inständig wünschte er sich, dass sie ihm helfen würde. Doch sie tanzte einfach weiter. Als sie wieder zusammensank, brach auch der Mann zusammen. Sein Atem pfiff unregelmäßig und er konnte nur undeutliche Laute ausstoßen. Seine Augenlider schienen Tonnen zu wiegen und schlossen sich langsam, aber dennoch sah er wie sich die kleine Figur bewegte. Sie stand auf, kletterte langsam von der Spieluhr herunter und wuchs dabei immer weiter in die Höhe. Als sie vom Tisch stieg war sie so groß wie seine geliebte Frau. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen und auffordernd streckte sie ihre Hand aus, die er zögernd ergriff. Ihre Haut war warm und sanft. Nicht kalt und starr, wie er erwartet hatte. Spielend leicht half sie ihm auf die Beine und umarmte ihn langsam, denn nach all den Jahren waren sie endlich wieder vereint. Nach einer Weile lösten sich die Beiden voneinander und gingen Hand in Hand ins Licht.