Wie Diamanten funkelten die fernen Sterne am Nachthimmel. Der eisige Wind fegte über den roten Sand und wirbelte ihn zu kleinen Wolken auf, die die klare Sicht trübten. Nur das fahle Licht von Phobos drang durch die dichtgedrängten Sandkörner, während Deimos gemeinsam mit den Sternen verschwand. In den Höhlen, Schluchten und auf den Hochplateaus sang der Wind sein eigen, heulendes Lied, während er die Felsen weiter abschliff. Das einzige, was sich ihm in den Weg stellte war die terranische Kolonie Aloria.
Ein starker Hochleistungsschutzschirm schirmte die Stadt gegen den Wind und den Sand ab und ermöglichte die Errichtung einer künstlichen Atmosphäre. Auch wenn sie mit nicht einmal hunderttausend Einwohnern sehr klein war, so konnte man sie dennoch von schon vom weitem erblicken, denn ihre Türme aus Stahlbeton erhoben sich mehrere hundert Meter über die Oberfläche der Utopia Planitia. Gute Hundert Bei einem Landeanflug konnte man die Kolonie bereits mit dem bloßen Auge ausmachen, da der Grüne Fleck, den sie dank des Terraformingprogramms bildete, sich von der Marsoberfläche abhob. Zweihundert Kilometer östlich dieser Kolonie lag der Raumhafen Ukuma. Das geräumige, betonierte Landefeld war von vielen Scheinwerfern hell erleuchtet, denn es wurde eine Raumfähre von der Erde erwartet. Am nächtlichen Himmel war noch nichts zu sehen, dennoch flammte das Richtfeuer des Kontrollturms auf und warf seinen blassen Finger durch die tobenden Sandmassen. Nach wenigen Minuten ging ein leichtes Zittern durch die Luft und ein tiefes Brummen mischte sich unter das Heulen des Sturmwinds. Ein riesiger Schatten senkte sich langsam herab und immer mehr Scheinwerfer flammten auf. Langsam senkte sich der stromlinienförmige Körper der Raumfähre Hermes herab. Ab und zu stießen die Stabilisatoren eine Feuerzunge aus um das Schiff in Position zu halten, während es seinen Sinkflug fortsetzte. Kaum hatten die großen Füße das Landefeld berührt, fuhren aus anderen Türmen Arme und Rampen aus, die sich mit der Raumfähre verbanden. Es zische und dampfte als sich Schotten und Ventile öffneten und das Summen des Antriebs verstummte langsam. Auch wenn es nun auf dem Landefeld ruhig war, so ging es doch im Innern der Hermes sehr lebhaft zu. Über die unzähligen Leitungen wurden unterschiedliche Güter für die Kolonie entladen, ehe Rohstoffe und Mineralien geladen wurden, und aus dem Passagierbereich strömten stetig Menschen, die nach Aloria wollten.
Tief unter der Oberfläche des roten Planeten führten Gleise vom Raumhafen in unterschiedliche Richtungen. Eine Spur führte zu den Minen im zentralen Hochland und zwei weitere Spuren verbanden den Raumhafen mit der Kolonie. In einem der Züge, die die Schienen entlang jagten, saßen die Passagiere der Hermes, die in wenigen Minuten den Bahnhof von Aloria betreten würden. Viele Gründe führten diese Menschen zum Mars. Einige suchten das Abenteuer, das diese ferne Welt versprach, während andere aus rein wissenschaftlichen Zwecken hierher kamen. Wissenschaftler saßen neben Arbeitern, Geschäftsleuten und Glücksrittern. Und erfüllten das Innere des Zuges mit einem babylonischen Stimmengewirr.
Am Stadtrand von Aloria stand das Institut für Xenologie. Der Neoklassische Gebäudekomplex, der auch einen exobotanischen Park beheimatete, stach aus dem Stadtbild deutlich hervor. Während die anderen Gebäude architektonische Wunder aus Glas und Stahl wahren, die weit in den Himmel hineinragten, beschränkte sich das Institut auf wenige Stockwerke und nutzte Marmor und marsianische Gesteinsarten als Bausubstanz.
In einem Tagungsraum saß Doktor Farge und blätterte in einem Dossier, welches sich mit der anstehenden Expedition in das marsianische Hochland befasste. Neben den persönlichen Daten der Teilnehmer beinhaltete es auch noch die Ergebnisse der bisherigen Forschungen. Die Planung der Expedition hatte mehrere Monate gedauert und besonders die letzten Wochen waren sehr stressig für ihn gewesen, da er als Institutsleiter die Verantwortung trug. Aber nun war es so weit. Heute würden die Teilnehmer mit der Hermes landen und in wenigen Tagen würden sie dann unter Führung der einheimischen Gonaii in das südliche Hochland ziehen. Ein leises Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.
»Herein!«, rief er und hob den Kopf. Die Tür öffnete sich und seine Sekretärin betrat den Konferenzraum.
»Guten Morgen, Herr Doktor. Die Expeditionsteilnehmer sind gerade eingetroffen.« Er nickte nur stumm, schloss das Dosier und stand auf. Nach und nach betraten die Anderen den Tagungsraum, begrüßten Farge und nahmen Platz. Ruhig musterte er die kleine Gesellschaft der Wissenschaftler. Das Forschungsfeld der Xenologie deckte mehrere Bereiche ab in denen verschiedene Fakultäten aufeinander trafen. Bei den Expeditionen waren Biologen, Archäologen, Geologen, Meteorologen, Mediziner und sogar Theologen vertreten. Obwohl Farge als Wissenschaftler eine persönliche Abneigung gegen jede Art von Glauben an übernatürliche Wesen hegte, musste er stillschweigend akzeptieren, dass die Kirche einen ihrer Vertreter als Expeditionsteilnehmer aussandte. Immerhin war der neu gegründete Orden der zweiten Genesis einer der größten Geldgeber des Instituts.
»Guten Morgen meine Damen und Herren, und herzlich willkommen auf dem Mars.«, begrüßte Farge die Anwesenden. »Ich möchte gleich zum Thema kommen, wie Sie wissen wurden Sie ausgewählt um an einer Expedition in das Hochland auf der südlichen Hemisphäre dieses Planeten teilzunehmen. Der primäre Fokus liegt auf dem Chaotischen Gebiet Ariadness Colles« Seine Finger fuhren über die gläserne Oberfläche des Konferenztisches. Kurz darauf erschien eine topographische Karte des Expeditionsgebietes. Mit knappen Worten schilderte Farge den Fokus der Expedition, welche Proben entnommen werden sollten und worauf die Teilnehmer achten sollten. Diese nickten bestätigend und machten sich nebenbei Notizen.
»Haben Sie noch Fragen?«, schloss Farge seinen Vortrag, woraufhin alle anderen den Kopf schüttelten. »Dann wünsche ich ihnen viel Erfolg und passen Sie auf sich auf.« Farge ließ die Karten und die Daten der Expedition wieder verschwinden und verließ den Tagungsraum. Er hatte seinen Teil der Aufgabe erfüllt, ob die Expedition erfolgreich sein würde, hing nun von den Wissenschaftlern ab.Die Sonne erhob sich gerade über den Horizont, als sich die Schotten der Luftschleuse zischend öffneten. Sieben Gestalten, die in klobige Raumanzüge gekleidet waren, betraten die Wüstenei des roten Planeten und sahen sich um. Die Sonne war an diesen Tag klar erkennbar, da sich der große Sandsturm gelegt hatte. Jedoch wusste jeder der Expeditionsteilnehmer, dass es sich nur um eine Frage der Zeit handelte, bis wieder ein neuer Sturm kommen würde und der Staub des roten Planeten alles bedecken würde. Torgeir Gunnardson trat an den Antigrav-Schlitten heran und überprüfte die Expeditionsausrüstung. Neben wissenschaftlichen Instrumenten, einer mobilen, meteorologischen Messstation umfasste sie auch eher einfache und praktische Dinge wie eine kleine Funkstation, ein Strahlengewehr zur Verteidigung, Taschenlampen und einen Satz Leuchtbojen, mit denen die Route markiert werden sollte. Besonders letzteres war sehr wichtig, falls sie in einem Sandsturm geraten und die Orientierung verlieren sollten. Gunnardson rüttelte stark an der Verzurrung der Ausrüstung und brummte zufrieden. Die Gurte würden halten und sicherstellen, dass nichts beschädigt wurde oder verloren ging. Langsam stapfte er an den anderen Vorbei und gab ihnen mit einem Wink zu verstehen ihm folgen. Ihr Weg führte sie gen Westen, wo sie nach wenigen Klicks auf eine Siedlung der Marsianer stießen. Die Gonaii, wie sie sich selbst nannten, kannten weder Krieg noch Gewalt und lebten als Jäger und Sammler in kleinen Nomadenstämmen, die durch die roten Wüsten zogen. Obwohl sie sehr scheu und ängstlich waren, so siegte irgendwann die Neugier und sie nahmen Kontakt mit den Menschen auf. Diese zeigten sich selbst beeindruckt, da ihre bisherigen Annahmen über außerirdischen Leben widerlegt wurden. Besonders beeindruckend war die Anatomie der Marsbewohner, denn mit einer Körpergröße von drei Metern überragten sie die Neuankömmlinge und ihre vier Arme und sechs Finger eröffneten ihnen ganz spezielle Möglichkeiten im Alltag. Obwohl die Gonaii über eine eigene Sprache verfügten fand die Kommunikation primär über die Veränderung ihrer Augenfarbe statt. Dank einer von den Menschen entwickelten Zeichensprache konnten Sie sich mit den Kolonialisten verständigen. Nachdem die ersten Kontakte aufgebaut waren, dauerte es nicht lange bis sich manche Stämme in der Nähe von Aloria nieder, um mit den Menschen Handel zu treiben oder boten sich als Führer für die Forschungsexpeditionen der Menschen an. Gunnardson warb zwei zusätzliche Führer an, welche die ihnen den einfachsten Weg durch die sperrigen Chaotischen Gebiete weisen würden. Nachdem die marsianischen Führer sich von ihren Angehörigen in einem entsprechenden Ritual verabschiedet hatten zog die kleine Gruppe weiter in Richtung Süden.