Die Nacht, in der sich diese Geschichte zutrug, war eine besonders kalte Nacht. Der sternenklare Himmel erstreckte sich weit über das Feld, das unter einer geheimnisvoll glitzernden Decke aus Schnee verborgen lag. Ein stets fortwährender Wind strich darüber hinweg und wirbelte da und dort einige Schneeflocken auf, die sich in die Luft erhoben und zu tanzen begannen. Anmutig stoben sie in den Himmel empor und segelten dann wieder herab. Federleicht, wie es schien.
In eben dieser Nacht verbarg sich, mitten auf dem mit Schnee bedeckten Feld, unter einigen knorrigen Tannen, die Hütte eines Bauern. Dieser Bauer war kein armer Mann. Es fehlte ihm an nichts. Er hatte ein Dach über dem Kopf, Licht, das für ihn brannte, Wärme, die die winterliche Kälte aus seinem Körper vertrieb. Nur eines, das hatte er nicht. Und das war die Güte zu teilen. Sei es sein Licht, oder das Geld, das ihm seine Tiere einbrachten. Nein, er wollte alles für sich haben. Wozu brauchte er die anderen schon?! Wenn er teilte, würde er nur etwas von seinem hart erarbeiteten Hab und Gut zum Nutzen anderer in den Sand setzen. Nein, dazu brauchte er die Anderen nicht! Er konnte das alles viel besser für sich selbst gebrauchen.
Der Bauer nickte sich selbst zu, denn Frau und Kinder hatte er nicht, und wollte sich gerade vor das warme Kaminfeuer setzen, dessen Flammen hoch empor züngelten und die Hütte mit seinem Licht behaglich wirken ließ, als es an seiner Tür zaghaft klopfte. Er öffnete sie und erblickte, draußen zitternd im Schnee stehend, den Hirtenjungen, der auf seine Tiere, die drüben in der Scheune waren, aufpassen sollte.
„Bauer bitte, “, die Lippen des Jungen bebten vor Kälte. „Lass mich kurz zu dir hinein, damit ich mich einige Minuten an deinem Feuer aufwärmen kann.“, flehte der Junge ihn an. Doch das Herz des Bauern blieb hart wie Felsgestein. „Nein!“, sagte er. „Die Wärme im Haus reicht nicht für uns beide!“, und damit schlug er dem Jungen die schwere Türe vor der Nase zu.
Das Kind wollte sich gerade zum Gehen wenden, als plötzlich ein Licht den nächtlichen Himmel erhellte. Der Schnee reflektierte die Strahlen dieses Lichts so stark, dass der kleine Junge die Augen zusammenkneifen musste, um zu erkennen, was für diese Lichtquelle verantwortlich war. Und als er gen Himmel blickte, traute er seinen Augen kaum. Über ihm stand ein gewaltiger Stern und strahlte mit seinem silbrigen Licht über das ganze Feld hinweg.
„Dies muss ein Zeichen sein!“, dachte sich der Junge und beschloss, diesem Stern zu folgen. Auch die Tiere hatten ihn bemerkt und waren aus der Scheune gekommen um das wundersame Licht zu betrachten. Und als der kleine Hütehund bemerkte, dass der Hirtenjunge gehen wollte, dachte er sich: „Ohne den Jungen bleibe ich nicht hier! Ich gehe mit ihm!“ Und die Schafe dachten: „ Ohne den Hütehund bleiben wir nicht hier! Wir wollen ihm folgen!“ Der Esel dachte sich: „ Ohne meine Freunde, die Schafe, werde ich hier nicht länger verweilen! Ich will mich ihnen anschließen!“ Und selbst den Ochsen hielt nichts mehr zurück, und er folgte dem Esel in die kalte Nacht hinaus.
Die plötzliche Stille die den Hof umgab, ließ den Bauern aufhorchen und er rannte hinaus ins Freie um nach dem Rechten zu sehen. Doch er fand niemanden mehr vor. All seine Tiere und der Hütebub waren verschwunden. Da entdeckte er Spuren im Schnee und plötzlich packte ihn die Wut.
Der Bub war einfach geflohen und hatte alle seine Tiere gestohlen! So folgte er den Spuren im Schnee, die ihn immer weiter weg von seiner warmen und behaglichen Hütte führten.
Auf einmal brach ein gewaltiger Schneesturm auf ihn hernieder und der eisige Wind hatte im nu alle seine Glieder gelähmt, sodass er sich kaum noch rühren konnte. Und als er schon glaubte, dass sein letztes Stündlein geschlagen hätte, nahm er durch das Schneegestöber einen schwachen Lichtschein wahr. Mühsam rappelte er sich auf und kroch auf das rettende Licht zu. Schließlich war er nahe genug um zu erkennen, dass es ein Stall sein musste. Mit letzter Kraft schob er die Türe auf und rettete sich hinein.
Da erkannte er all seine Tiere und den Hütejungen. Sie alle standen um eine Krippe aus Holz gedrängt und betrachteten ein kleines Kind, das ganz auf Stroh gebettet darin lag und ihn anlächelte.
Da wusste der Bauer, dass dies ein Wunder sein musste. Und das war es, denn das strahlende Lächeln dieses hilflosen Kindes erweichte sein hartes Herz und als er am nächsten Tag gemeinsam mit dem Jungen und den Tieren nach Hause aufbrach, versprach er: „Wenn wir zu Hause sind, kommst du mit mir hinein. Wir wollen uns die Wärme teilen.“