Seit 18 Jahren bin ich nun schon auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Insbesondere in den letzten 5 Jahren habe ich dabei eine Beobachtung gemacht, die zunächst widersprüchlich klingt. Aber Tatsache ist: Je mehr Menschen beispielsweise im Bus um einen herum sitzen, desto einsamer ist man. Natürlich habe ich nicht die Erwartung, dass man sich in den Bus neben Fremde setzt und direkt ein Gespräch beginnt. Um Himmels Willen, das möchte ich ja selber nicht. Was aber auffällt ist, dass wirklich jede Art von Interaktion von den meisten Menschen mittlerweile vermieden wird. Ein kleines Beispiel aus dem vergangenen Sommer. Ich steige in einen wirklich vollen Bus ein, alle Sitzplätze sind voll, viele müssen stehen. Draußen sind um die 30°C und man sieht den meisten an, dass sie entweder den Kampf gegen den Schweiß schon aufgegeben haben, oder sich so wenig wie möglich bewegen, um ihm noch Herr zu werden. Ich gucke sehnsüchtig nach hinten, aber beide Fenster sind geschlossen. Bevor mir jetzt irgendjemand kommt mit Argumenten wie „die Klimaanlage kann bei offenen Fenstern nicht richtig arbeiten“, dem sei gesagt: Bei Bussen im Innenstadtverkehr, die alle paar Minuten ihre Türen öffnen und schon über 50 schwitzende Menschen transportieren, hat die Klimaanlage ohnehin keine Chance. Jetzt die Frage: Wieso sind diese Fenster geschlossen? Traurige Tatsache ist: Keiner fragt, ob sie geöffnet werden können. Ich schiebe mich nach hinten durch und frage die Person, die dem Fenster am nächsten sitzt, ob sie wohl so nett wäre, kurz das Fenster zu öffnen. Sie antwortet nicht, dreht sich aber um und öffnet das Fenster. Als wir wieder los fahren sehe ich einige dankbare Gesichter derer, die im Luftzug sitzen. Doch warum hat vorher niemand gefragt?
Nächstes Beispiel: Fast jeder kennt es. Man sitzt im Bus am Fenster und muss an der nächsten Haltestelle raus. Doch vom Ausgang trennt einen ein Fremder, der neben einem auf der Gangseite sitzt. Man sollte meinen ein kurzes „Entschuldigung, würden Sie mich gleich bitte kurz rauslassen?“ würde die Situation elegant lösen. Tatsache ist jedoch, dass diese Variante leider die allerwenigsten wählen. Viel beliebter ist folgendes: Zuerst wird das Smartphone – was im Bus wirklich mittlerweile fast jeder dauerhaft in der Hand hält – demonstrativ in die Tasche gesteckt. Wenn das nicht genügt, wird sich gerade hingesetzt, leicht Richtung Gang gedreht und eventuelle Taschen in die Hand genommen. Das ist der Punkt, an dem fast jeder merkt, dass da jemand heraus möchte. Der am Gang Sitzende steht wortlos auf, lässt den anderen raus und setzt sich wieder. Alles ohne ein Wort zu verlieren. Man könnte es effizient nennen. Ich finde es zwischenmenschlich fraglich.
Ich meine, wann haben die Menschen beschlossen, die Interaktion untereinander auf ein Minimum zu reduzieren? Wann haben sie beschlossen, dass verbale Kommunikation mit Fremden ein notwendiges Übel im Ausnahmefall und sonst unbedingt zu vermeiden ist? Was hat man schon zu verlieren? Die verbale Kommunikation wird im Zusammenleben nie ganz ersetzt werden können, das hoffe ich zumindest. Und sind wir mal ehrlich: Wer freut sich denn nicht, wenn er ein „bitte“ oder „danke“ am Tag mehr hört?