Durch die Frontscheibe des Autos betrachte ich die Lichter in der Dunkelheit. Rote Rücklichter der Fahrzeuge vor uns, gelbliches Licht aus den Fenstern der Gebäude um uns herum, und die viele Werbung auf großen leuchtenden Werbetafeln.
„Wir müssten mal wieder tanken.“, sagt Mama.
Ich blicke hinüber zur Treibstoffanzeige. „Oh, tatsächlich! Die Anzeige ist schon rot!“
„Dann kann Papa morgen wieder ruhig, mit einem voll betankten Auto zur Arbeit fahren.“, erklärt Mama und hält nach einer Tankstelle Ausschau.
Ja, verbrennt Erdöl und bringt einiges an CO2 in unsere kostbare, einzige Atmosphäre, denke ich. Und das tun auch Millionen weitere Menschen…
„So, wir bräuchten mal eine Tankstelle.“, sagt sie und trommelt auf dem Lenkrad herum.
„Hier links ist eine“, sage ich. Mama biegt links ab und rollt langsam neben eine der Zapfsäulen.
Gefühle von Schuld und Wut überkommen mich. Warum tut die Menschheit das immer noch? Warum ist der Wechsel zu regenerativen Energien so langsam? Die Leute von Tesla machen alles richtig, denke ich. Sie haben das Ziel, diese Änderung in der Autoindustrie schnell anzutreiben – und haben gute Erfolge!
„Willst du tanken?“, fragt Mama, öffnet die Tür und macht einen Schritt nach Draußen. Kalte Luft weht herein und schlägt mir entgegen. Das Gefühl, dass meine Augen bald zufallen könnten, wird größer.
„Nein“, erwidere ich ausdruckslos und blicke auf das Armaturenbrett vor mir.
„Hast du überhaupt schon einmal getankt?“
„Ja, einmal.“, sage ich und erinnere mich, dass es kein gutes Gefühl war.
Die Tür fällt zu. Ich höre, wie Mama zur anderen Autoseite hinüber läuft und den Tank des Autos auffüllt. Es plätschert.
Da fließt es. Erdöl, denke ich und sehe in Gedanken schwarze Flüssigkeit vor mir.
Rechts aus dem Fenster blickend, beobachte ich die steigende Liter-Zahl und den Preis.
Ca. 50€ für einmal voll tanken. Bei Elektroautos kostet einmal voll aufladen ungefähr 30€. Zu Hause nur ca. 20€, und als Tesla-Besitzer an einem sogenannten Supercharger des amerikanischen Autobauers, gar nichts. Außerdem ist man als Besitzer eines E-Autos für die ersten 10 Jahre von der Kfz-Steuer befreit.
Die Liter-Zahl steht still. Mama hängt den Schlauch wieder ein, und geht zum Tankstellen-Häuschen, um zu bezahlen.
Mit starrem Blick, schaue ich auf das Handschuhfach. Im Auto ist es relativ warm. Zusätzlich kommt eine angenehme Temperatur von meinem dicken, roten Kapuzen-Pullover.
Draußen verbreitet schwaches gelbliches Licht eine Stimmung der Ruhe und Untätigkeit. Es scheint so, als wäre hier nichts besonderes los. Als würden alle in Kürze die Lichter ausschalten, und schlafen gehen.
Ich beobachte mit verschränkten Armen, wie Mama an der Kasse bezahlt. Es geht viel schneller als erwartet. Sie dreht sich um, und kommt mit flotten Schritten auf das Auto zugelaufen.
Ich versuche, den letzten Moment der Ruhe zu genießen, bevor es wieder nach Hause geht. In Erinnerungen versunken, denke ich an eines meiner bisher besten Erlebnisse.
Die Welcome back!-Party des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst. Sie war am 8. Dezember 2014 gewesen. Zu dieser Zeit hatte ich noch nichts mit Bewerbungen, Praktikum und Einstellungstests zu tun. Ich musste nur zur Schule gehen, hatte also mehr Ruhe als heute.
Es war an einem Montagabend um 20:00 Uhr in der Bundeskunsthalle in Bonn gewesen. Ein unvergesslicher Abend. Zuerst eine Bühnenshow. Es kamen der Chef des Veranstaltungsorts, 6 der 10 noch lebenden deutschen Astronauten und dann die wichtigste Person des Abends. Alexander Gerst und der DLR-Chef Dr. Jan Woerner. Eine tolle Bühnenshow mit beeindruckenden Videos spielte sich da vorne ab. Im Anschluss konnte man noch Autogramme der Astronauten bekommen, und sich die bis zum 22. Februar 2015 laufende „Outer Space“-Ausstellung anschauen.
Die Ausstellung war sehr beeindruckend. Atemberaubend! Es gab dort viele Dinge aus der Geschichte der Raumfahrt zu sehen. Gegenstände wie die Kameras, die bei der Apollo 11-Mondlandung dabei waren, gar Neil Armstrongs Raumanzug, den er auf dem Mond getragen hatte. Voller Erstaunen betrachtete ich dann Überreste der Kleidung des Kosmonauten Wladimir Komarow. Er war 1967 bei der Landung des neuartigen Raumschiffs Sojus 1 ums Leben gekommen, weil sich der Fallschirm nicht geöffnet hatte. Auch ein Triebwerk der europäischen Ariane 4-Trägerrakete und ein Modell der Liberty Bell 7-Kapsel, die 25 Jahre nach ihrer Landung aus dem Meer gehoben wurde, standen dort. Ich war vollkommen fasziniert!
Dann, spät Abends gegen 23:00 Uhr, kamen wir am Ausgang der Ausstellung an. Wir liefen hinüber zum Eingang eines Hörsaals, in dem man sich die Autogramme abholen konnte. Doch ein Security-Mann, der sich sehr wichtig vorkam, versperrte uns den Weg. Er behauptete, es dürften jetzt keine Besucher mehr hinein gelassen werden. Mama diskutierte mit ihm und deutete auf das Schild neben der Tür. „Einlass bis 23:30 Uhr“ stand darauf. Einige Minuten später wurde dann wenigstens ich rein gelassen.
Ich betrat den Raum, und blickte mich um. Leere, im Halbkreis angeordnete Sitze reihten sich vom Eingang bis runter zu mehreren in der Mitte des Saals stehenden Tischen. Auf der rechten Seite führten breite Treppenstufen hinab. Darauf stand eine lange Schlange von Menschen, die bis hoch zum oberen Ende des Saals reichte.
Ich stellte mich hinten an. Nach ein wenig warten, konnte ich dann vor die Astronauten treten und mir Autogramm-Zettel nehmen. Zwei Unterschriften waren bereits darauf, ich ging also weiter zu den anderen Raumfahrern und ließ auch Sie eine Signatur auf das Blatt setzen.
Anschließend lief ich wieder hinauf durch den Ausgang des Saals, und verließ mit Mama zusammen die Bundeskunsthalle.
Mit breitem Grinsen, Wärme im Körper und starkem Herzklopfen erreichten wir das Auto, und fuhren zurück nach Hause. Um 1:00 Uhr in der Nacht lag ich dann im Bett. Am nächsten Tag war Schule.
Mit einem lauten Geräusch öffnet Mama plötzlich die Tür der Fahrerseite. Wieder schlägt mir kalte Luft entgegen. Jetzt geht es nach Hause, denke ich mir mit einem leisen, inneren Seufzen. Ich liebe diese Momente, die leider immer nur sehr kurz sind. Momente, in denen man ungestört seine Gedanken schweifen lassen kann. Momente, in denen es keine Aufgaben gibt, die zu erledigen sind. Dann starre ich oft irgendwo hin, bin in Erinnerungen oder Wünschen oder philosophischen Gedanken vertieft, und bekomme kaum mit, was um mich herum passiert. Aber diese sind meistens mit traurigen Themen verbunden. Themen wie wachsende Erderwärmung, Welthunger, Mord, Folter, Ausbeutung und Gier nach Macht und Geld. Das Auto rollt nun langsam vom Tankstellen-Gelände auf die Straße. Wir fahren gegenüber an der Anwaltskanzlei vorbei, in der Hoffnung, den dunkelblauen Tesla Model S eines der dort arbeitenden Angestellten zu sehen. Doch er steht dort nicht.
Es ist ja Sonntag.