Eine schemenhafte Gestalt, kaum mehr als ein Schatten hinter dem weißen Wasserschleier stand regungslos inmitten der Schlammfluten. Sie sah Tevin entgegen, ignorierte den Wind, der an ihrer schwarzen Kleidung riss und hob bedrohlich langsam den Arm. Das vertraute Blitzen ließ Tevin zusammenzucken und sich auf den Bauch werfen, bevor sein Kopf recht verstand was sein Körper bereits wusste. Kaum eine Sekunde später schlug ein Dolch in den hölzernen Fensterrahmen ein, keine Handbreit von der Stelle entfernt, an der er gestanden hatte. Tevin presste sich die Hand auf den weit geöffneten Mund, unterdrückte den stummen Schrei und vergrub die Zähne in den Knöcheln seines Handrückens. Sein Kopf war wie leergefegt und seine Beine wollten ihm nicht gehorchen. Sie zitterten unkontrolliert und warenbutterweich, während der Rest seines Körpers vor Anspannung steinhart und verkrampft war. Er wagte nicht aufzustehen, aus Angst, dass der nächste Dolch sein Ziel finden würde, doch Liegenbleiben konnte ebenso gefährlich sein. Mühsam drehte sich Tevin auf den Rücken und sah zu der Klinge über sich hinauf, ein Stück Pergament war in einer Rolle am Heft befestigt und flatterte im Sturm.
Erst als seine Beine aufhörten zu zittern und er Blut schmeckte, traute er sich langsam in die Hocke. Vorsichtig spähte er über den Rand des Fensters hinaus, die Gestalt war verschwunden, aber von seinem Vater wusste er, dass die Feinde, die man nicht erblickte, am gefährlichsten waren. Er sah erneut zu dem Pergament hinauf.
Hatte der Dolch ihn treffen sollen? Er runzelte die Stirn und spähte angestrengt nach draußen. Womöglich sollte die Nachricht zusammen mit meiner Leiche überbracht werden, überlegte Tevin und ein Schauer lief ihm bei dem Gedanken über den Rücken. Es war fast ironisch, doch als Sohn eines Meuchelmörders hatte er sich nie Gedanken darübergemacht, selbst einem Mord zum Opfer zu fallen. Liegenbleiben oder Aufstehen?
Er richtete sich blitzschnell auf, zog den Dolch aus dem aufgeweichten Holz und kauerte sich augenblicklich wieder unter dem Sims zusammen. Holzspäne rieselten auf ihn hinab und Regentropfen liefen über seine Wangen, während die Kälte in seine Knochen kroch. Mit tauben Fingern löste er das rote Band der Pergamentrolle und entfaltete das feuchte Papier. Die schwarze Tinte war verlaufen und manche Buchstaben verschwammen ineinander, doch die Worte hätten sich nicht deutlicher in Tevins Verstand einbrennen können. Zitternd umschloss er den Griff des Dolches, dankbar eine Waffe bei sich zu haben.