Ich verkrampfte bei Isokes Worten. „Du kannst sie nicht lieben.“ Ich sagte es, als sei es eine Tatsache, die all die Dinge, die in diesem Albtraum geschahen, ungeschehen machte. „Sie hält uns gefangen!“
„Ich weiß“, murmelte Isoke und zuckte ratlos mit den Schultern.
„Sie sperrt uns in Zellen, fernab jeden Lichts. Gegen unseren Willen!“
„Ich weiß.“
„Hat sie dich … verletzt?“ Ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort tatsächlich wissen wollte, geschweigedenn Details über die grausame Folter.
„Nein.“
Ich stutze. „Nein?“
Isoke schüttelte erneut den Kopf und sah zur Decke hinauf. „Ich kann es mir doch selbst nicht erklären. Als Egon mir sagte, was dort oben geschah, wollte ich ihm auch nicht glauben. Ich konnte es nicht. Doch als ich mit ihr allein war, ihr ausgeliefert und sah wie sie tatsächlich ist, war es um mich geschehen. Oh Jad, du hast ja keine Ahnung wie wundervoll sie ist. Sie kommt wie ein Sturm über dich, reißt dich mit und zeigt dir Dinge… Dinge fast zu schön, um sie zu glauben.“
„Dinge?“, wiederholte ich furchtsam, „Isoke, sie ist ein Monster! Kann sein, dass sie schön ist, kann sein, dass sie deinen Verstand verwirrt, aber sieh doch was sie tut. Sieh was sie dir antut! Du warst Künstler verdammt! Du hast Dinge erschaffen und nun sitzt du in der Dunkelheit und verliebst dich in deine Henkerin.“
„Du wirst es verstehen.“ Seine Stimme wurde kalt und tonlos, er wandte den Blick ab.
„Sie ist die Personifikation von Schmerz und Qual!“, rief ich bestürzt aus. Ich wollte ihn packen und schütteln, bis er wieder zur Vernunft kam, aber die Gitterstäbe hielten mich ab. Noch eine Sache, die mir dank Catalina verwehrt war.
„Und dennoch ist sie auch das Einzige, was mich fühlen lässt, am Leben zu sein.“ Isoke rollte sich an der Wand zusammen und schloss die Augen. Ich hob die Hände gen Himmel, ungläubig und fassungslos. „Schlaf jetzt Jad. Wenn sie dich holen kommt, wirst du mich verstehen.“ Er drehte mir den Rücken zu und bettete seinen Kopf auf die gefalteten Hände.
„Warte!“, rief ich plötzlich aus und robbte näher zu meinem Freund. Ein Gedanke drängte sich mir auf und wer wusste, wann Isoke erneut so redselig wäre. „Du hast gesagt, dass Egon dir von der ganzen Geschichte erzählt hat?“ Isoke erstarrte, langsam drehte er sich auf den Rücken und wandte mir sein Gesicht zu. Seine Zähne waren fest zusammengebissenen und ein verärgerter Ausdruck lag in seinen Augen. Ärger über sich selbst, nicht über mich, wurde mir klar.
„Ja“, antwortete er schließlich gedehnt, „Er hat mir seine Liebe gestanden, bevor ich das erste Mal bei ihr war.“
„Und du hast dich trotzdem in sie verliebt?“
„Ich sagte doch, dass sie wie ein Sturm über mich kam.“
„Aber, wenn Egon sie liebte, weshalb hat er sich gegen sie gewandt?“ Ich runzelte die Stirn, versuchte die wirren Teile, des absurden Puzzles zusammen zusetzten. „Es sei denn…“; ich erstarrte und sah Isoke fassungslos an, „Du hast mir nicht die Wahrheit erzählt.“ Isoke schwieg und starrte an die Decke. „Verdammt, was hast du getan?“, schrie ich wutentbrannt und schlug mit der Faust auf den Boden. Er zuckte nicht einmal zusammen, was meinen Zorn noch anheizte. „Was zur Hölle hast du unserem Freund angetan?“
„Es war ein Unfall“, kam die trockene Antwort.
„Sag. Mir. Die. Wahrheit!“, zischte ich, unterdrückte das Zittern meiner Stimme, die Hitze stieg mir ins Gesicht. Isoke seufzte tief und richtete sich schwerfällig auf.
„Es war ein Unfall. Wir waren oben in Catalinas Reich, als sie uns für einen Moment allein ließ. Ich weiß nicht weshalb sie ging, aber als sie aus der Tür war, packte Egon mich und zerrte mich ebenfalls hinaus. Er sprach davon zu gehen und Catalina im Stich zu lassen. Er wollte sie allein lassen! Sie hat doch niemanden außer uns, welche Wahl blieb mir da? Wenn jemand erfährt, dass wir hier sind, würde es niemand verstehen. Wie immer würde man ihr mit Unverständnis begegnen und sie bestrafen. Welche Wahl blieb mir, Jad? Welche?“ Isoke sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, er hatte sich in seine Geschichte hineingesteigert und flehte mich beinahe um Vergebung an. „Ich hatte keine Wahl“, murmelte Isoke, es klang wie ein Mantra.
Ich konnte es nicht glauben, wortlos starrte ich meinen Freund an und begann langsam den Kopf zu schütteln. Das kann nicht wahr sein. Ich lehnte mich gegen den kalten Stein und blickte zu der schweren Metallluke hinauf. Ich muss hier raus.