Der Indianer kam nun wieder mit einem Halfter zurück, an dem eine ziemlich lange Leine befestigt war. Er trat zu Blackfeet und strich diesem damit erst über den ganzen Körper, die Fesseln und den Hals. Der Mustang liess es geschehen, obwohl die Muskeln unter seinem Fleisch etwas zuckten. Schliesslich reichte Jonathan Nathalie das Halfter. „Vermutlich weisst du damit schon umzugehen, oder?“ „Ja,“ erwiderte das Mädchen, allerdings etwas verunsichert. „Dann streiche Blackfeet wie ich damit über den Körper. Wenn er es geschehen lässt, dann kannst du versuchen es ihm mal anzulegen.“ Das Mädchen staunte darüber, dass Schwarzes Pferd ihr das schon zutraute und tat wie ihr geheissen. Tatsächlich liess das Tier es sich auch von ihr gefallen. Schliesslich, nach einiger Zeit, forderte sie Jonathan mit stummen Gebärden auf Blackfeet den Nasenteil des Halfters über den Kopf zu streifen, es ihm dann aber wieder abzunehmen, ohne es zu befestigen. Diesen Vorgang wiederholte Nathalie mehrere Male, bis das Pferd immer weniger Nervosität zeigte. Schliesslich dann versuchte sie einen Schritt weiter zu gehen. Das Ganze dauerte seine Zeit und das Mädchen staunte über die Geduld des Tieres. Als die Sonne bereits in ihrer ganzen Pracht am Himmel stand, war Blackfeet dann soweit, dass man es wagen konnte ihm das Halfter ganz anzulegen. Jonathan war sichtlich zufrieden und meinte: „Das klappt ja schon ausserordentlich gut. Ich glaube sogar, wir können bereits zur nächsten Übung übergehen. Wir nennen sie: Horse follow closely. Es geht dabei darum das Pferd dazu zu bringen, dir zu folgen. Dazu musst du dieses rotweisse Tuch in die Hand nehmen. Es weckt die Aufmerksamkeit des Tieres. Dann lässt du ihm die Leine gerade so lang, dass sie sich nicht ganz strafft.“ Er reichte ihr das Tuch und gab ihr die Leine in die Hand. Nathalie ging ein paar Schritte zurück, bis sich diese langsam straffte. Das Pferd blieb stehen. Es war etwas seltsam für sie, denn sie war es sich von den Pferden, mit denen sie es früher zu tun gehabt hatte gewöhnt, dass sie sich ohne weiteres führen liessen. Doch der Mustang schien noch nicht ganz zu wissen, was man von ihm wollte. Ganz aus Gewohnheit zog sie an der Leine, doch das nützte nichts. Der Indianer gebot ihr Einhalt. „Nicht mit Zwang! Das Pferd muss dir aus eigenen Stücken folgen. Es braucht viel Geduld. Halte das Tuch in derselben Hand wie die Leine und achte darauf, dass Blackfeet es anschaut! Dann geh einige Schritte rückwärts, damit er begreift was du von ihm willst. Sieh ihn dabei freundlich und ermunternd an. Führe einen Innern Dialog mit ihm, denn ich weiss du kannst das.“ Nathalie tat wie ihr geheissen. Allerdings hatte sie langsam etwas Mühe sich zu konzentrieren und sie wurde etwas ungeduldig. Irgendwie gelang es ihr nicht Blackfeet ihren Wunsch richtig mitzuteilen. Einige Male probierte sie erfolglos diesen zum Vorwärtsgehen zu bewegen. Er nahm auch irgendwie eine störrische Haltung an, fand sie. Das ärgerte sie irgendwie. Und so liess sie sich immer wieder dazu verleiten, an der Leine zu ziehen. Doch das Pferd rührte sich nicht vom Fleck. Sie wurde immer nervöser, begann an sich zu zweifeln und das hatte zur Folge, das sie ärgerlich wurde. Jonathan gemahnte sie immer wieder zur Ruhe. Doch schliesslich riss ihr der Geduldsfaden und sie zog einmal heftiger am Seil. Das aber passte Blackfeet gar nicht. Er stemmte seine schwarzen Vorderläufe in die Erde und zog ebenfalls in die entgegen gesetzte Richtung. „Zerr nicht so an mir herum!“ vernahm Nathalie auf einmal unerwartet eine Stimme in ihrem Innern, Verdutzt blickte sie Blackfeet an, dessen Augen nun wahren Ärger ausdrückten...
7. Kapitel
Marc war auch ärgerlich, aus verschiedenen Gründen: einerseits ärgerte es ihn, das er sich auf so eine Verrücktheit eingelassen hatte, andererseits nervte es ihn, dass er wohl doch nicht so ein harter Kerl war, wie er geglaubt hatte. Er fror ziemlich und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen in einem Zelt ohne jeglichen Komfort zu übernachten. Er war sich anderes gewöhnt. Ausserdem erschien ihm der Weg in den Badlands Nationalpark endlos lang, weil eisernes Schweigen zwischen ihm und Snakeman herrschte. Damit konnte er gar nicht umgehen. Er war ein geselliger Mensch. Irgendwie wurde er durch diese Stille, die nur von den Geräuschen der Natur durchbrochen wurde, auf sich selbst zurückgeworfen und das war ihm unangenehm, auch wenn er sich das niemals eingestanden hätte.
Er überlegte sich, ob er seinen Begleiter ansprechen sollte, doch da dieser sehr in sich gekehrt zu sein schien und Marc sich auch keine weitere Schwäche eingestehen wollte, liess er es bleiben. Er senkte den Kopf und lauschte auf die Rufe der Vögel und das Rauschen eines fernen Flusses. So fiel ihm auch auf, dass das Rauschen immer lauter wurde. Das wäre ihm unter andren Umständen kaum bewusst geworden. Auf einmal sah er vor sich Wasser im Sonnenlicht glänzen. „Der grosse weisse Fluss, man nennt ihn heute einfach River White,“ sprach sein Begleiter und Marc erschrak fast über das plötzliche Brechen des Schweigens. „An diesem Fluss werden wir unseren ersten Halt machen. Jemand anderer erwartet uns, er wird uns beim Bau einer Schwitzhütte helfen und unser Feuermann sein. Hast du schon mal etwas von Schwitzhütten gehört oder gelesen?“ „Ja...ist das nicht eine Art Reinigungshütte?“ „Richtig, das Inipi, wie wir es nennen dient der Reinigung von Körper und Geist. Es wird durch Steine, über die man Wasser giesst stark erhitzt und man wird dadurch empfänglicher, für die jenseitige Welt. Du kannst in der Schwitzhütte Visionen haben, oder auch einfach zu einer höheren Erkenntnis über etwas gelangen. Es ist für dich ein guter Anfang, um mehr über dich zu erfahren und für die Zeit in der Wildnis aufnahmefähig zu machen.
Wir müssen nur noch ein Stück dem Fluss entlang gehen, bei der nächsten Biegung ist es.“
Sie beschritten jetzt einen Pfad der nun mit Bäumen überschattet wurde. Die Umgebung war fruchtbarer, als die die sie durchquert hatten, das lag natürlich an dem Fluss, der sich wie ein silbern goldenes Band dahin zog. Snakeman- Frank war nun wieder redseliger. Er erzählte Marc, dass sich hier einst ein riesiger Binnensee befunden hatte, der durch die Auffaltung der Rocky Mountains ausgetrocknet war und sich in eine fruchtbare Sumpflandschaft verwandelt hatte. Zurück seien dann noch weisse Kalksteinformationen geblieben, die Badlands. Diese waren eine beliebte Stätte für die Forscher geworden, die hier viele wichtige Urzeitfunde gemacht hatten. Die Suche nach diesen Funden führte zu einer richtigen Ausbeutung der Gegend, die den Indianern heilig war. Schliesslich machte man im Jahre 1939 einen Nationalpark daraus, um der Ausbeutung ein Ende zu setzen. „Auch wenn die Landschaft eher karg ist, gibt es hier viele Tiere zum Beobachten,“ sprach Weise Schlange. „Es wird dir gefallen.“ „Davon war Marc noch nicht ganz so überzeugt, auch wenn ihn die Wildheit dieser Landschaft immer mehr anfing ihn in ihren Bann zu schlagen. Ab und zu stieg in ihm ein seltsames Gefühl der Vertrautheit und Geborgenheit auf, doch dieses wurde von seinem Verstand erneut hinweggewischt, der ihn mit lauter Stimme daran erinnerte, dass es eigentlich überhaupt nicht die Jahreszeit war um in der Wildnis zu übernachten und dies doch sehr viele Gefahren in sich barg. Irgendwie ärgerte sich Marc selbst über seinen Pessimismus, doch er konnte sich einfach nicht ganz aus dessen Fängen befreien. Snake man schien das zu merken, doch er sagte nichts dazu.
Nach einer Weile Marsch dem Fluss entlang, kamen sie zu einer Beuge und in dieser Beuge befand sich eine Art Bucht. In dieser Bucht lagen die Utensilien für eine Schwitzhütte: Einige biegsame Weidenstäbe für das Gerüst selbiger, Decken, die dann das Dach bilden sollten und Schnüre, um diese zu befestigen.
Ein anderer Indianer, etwas jünger als Frank und mit einem eher rundlichen Gesicht erwartete sie dort. Weise Schlange verschnellerte seinen Schritt und begrüsst den andren Indianer herzlich in der Lakota Sprache. Dann stellte er ihm Marc vor, der etwas scheu im Hintergrund stand.
Der andere Indianer begrüsste ihn mit den Worten: „Hau! Mein Name ist Laufender Hirsch, man nennt mich auch Jack. Wir bauen heute zusammen eine Schwitzhütte.“ Marc nickte und bedankte sich.
Weise Schlange erklärte: „Laufender Hirsch ist eben der der sogenannte Feuermann, oder Hüter des Feuers. Er wird uns die Steine in einem Ritualfeuer ausserhalb der Hütte erhitzen und uns immer wieder neue hereinbringen. Das erste was wir machen, ist dieses Feuer. Er muss ein grosses Feuer sein, das lange brennt. Dann bauen wir die Hütte zusammen auf. Wir werden dir zeigen wie. Ihr Gerüst besteht aus zwölf Weidenstäben und vier Ringen ebenfalls aus Weidenruten. In der Mitte der Hütte befindet sich eine Vertiefung, wo man die heissen Steine hineinlegt. Es müssen geeignete Steine sein, solche die nicht durch die Hitze zerspringen. Ich helfe dir sie auszusuchen. Es gibt genug hier am Fluss. Also los, beginnen wir!“