Ein Schrei durchbrach die nächtliche Stille des Waldes. Ihr Schrei. Sie schrie als würde ihr Leben davon abhängen, aber vielleicht tat es das auch.
Dann lief sie, ihre Schritte gedämpft vom Schnee, ihre Schluchzer übertönt vom Prasseln des Feuers. Der Rauch brannte in ihren Augen, doch sie lief immer weiter. Sie lief und wusste doch nicht genau warum. Vielleicht lief sie um nicht von dem grausamen Feuer gefressen zu werden. Doch vielleicht wollte sie den Tatsachen nicht ins Auge sehen, nicht sehen, dass ihr Zukünftiger im Feuer umkam. Hinter ihr zog sich eine Rußspur, wo das ursprünglich weiße Kleid den Boden berührt hatte. Ihre Beine gaben nach und noch ehe sie zu Boden sank, verlor sie das Bewusstsein.
*
Sie sah die Flammen, roch den Rauch, doch sie spürte nichts, nichts außer tiefer Trauer.
Sie wusste nicht, dass es ein Traum war, denn das was sie träumte hatte sie erst vor ein paar Minuten erlebt.
Sie stand nur da in ihrem rußverschmierten Hochzeitskleid und weinte.
Erschrocken drehte sie sich um, als sie in der Ecke des Raumes eine Bewegung wahrnahm. Alles verschwamm vor ihren Augen, die weißen Tapeten, die Vorhänge, an denen sich langsam das Feuer hochfraß, selbst der Boden verschwand unter ihren Füßen, als sie sah, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte: ihr Verlobter war inmitten eines Feuerkreises eingeschlossen. Sie lief zu ihm, doch sie kam zu spät. Wie in Zeitlupe sah sie, wie er von einem herunterfallenden Balken begraben wurde. Dann kam der Schrei, der Schrei, in dem ihre ganze Wut, ihre ganze Trauer und ihr ganzer Schmerz, den sie in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten haben sollte, der Schmerz der noch tausendmal schlimmer werden sollte als in diesem Moment, mitschwangen. Es war der Schmerz, der kommen sollte, wenn sie realisierte, was geschehen war und das sie es hätte verhindern können.
Es war wie eine böse Vorahnung.
*
Als sie aufwachte, ließ sie ihre Augen geschlossen, um wenigstens noch ein paar Minuten glauben zu können, dass dieses schreckliche Ereignis nur ein Traum gewesen war. Doch nach und nach sickerte die Erkenntnis durch und der Schmerz kam, bis sie es nicht mehr aushielt und die Augen aufschlug. In der Ferne konnte sie das Feuer und die Trümmer des Hauses erkennen. Mühsam richtete sie sich auf, um zurückzulaufen, doch selbst in ihrer Verzweiflung erkannte sie, dass es zu spät war. Das Haus, in dem sie sich trauen wollten, war verloren. Er war verloren. Ihr Herz war verloren.
Das hätte der schönste Tag werden sollen.