Keiner kann die Narben sehen,
die auf ihrer Seele bestehen.
Sie lächelt, wenn sie weinen mag.
Wird sie gefragt, hat sie immer einen guten Tag.
Innen fühlt sie sich leer.
Manchmal fällt ihr das Atmen schwer.
Niemand scheint sie zu verstehen,
muss ihren Weg alleine gehen.
Ihre Seele zerreißt in tausend Stücke,
zusammengefügt bleibt immer eine Lücke.
Sie schaut auf einen fernen Fleck.
Die innere Leere geht einfach nicht weg.
Das Mädchen fühlt sich drinnen wie tot.
Keiner sieht ihre psychische Not.
Sie kneift ihren Körper mit aller Kraft,
doch nicht mal das ihren Lebenswillen entfacht.
Sie verletzte sich an einem leeren Blatt,
der Schnitt war klein und glatt.
Mit großen Augen blickte sie auf das blutige Rot.
Anscheinend war sie doch nicht tot.
So spürte das Mädchen wieder das Leben.
Das Ritzen konnte ihr Kontrolle geben.
Aus einem Schnitt wurden unendlich mehr.
Die Klinge zu setzen fiel ihr nicht schwer.
"Du bist nichts wert!" - Ein Schnitt, vorbei.
"Sieh dich doch an!" - Ein Schnitt, statt lautem Schrei.
Der ganze Druck brauchte ein Ventil.
Darum ritzte sie sich so unglaublich viel.
An Oberschenkel, Beininnenseiten und den Armen -
überall dort sieht man ihre physischen Narben.
Feine Striche aus einsamer Not.
Aus verheiltem Weiß wird tropfendes Rot.
Geschickt verdeckt das Mädchen ihre Wunden,
die ihre "Unzulänglichkeit" bekunden.
Doch eines Tages ging der Schnitt zu tief,
so dass sie einen Krankenwagen rief.
Sie erwachte im Krankenhaus voller Verbände
und starrte auf die weißen Wände.
Egal, wer das Gespräch mit ihr wagte,
"Es geht mir gut", war alles, was sie sagte.
Das Mädchen musste lange zur Therapie.
Zu Beginn ging es ihr dabei schlecht, wie noch nie.
Aber eines Tages machte alles Sinn,
die Behandlung wurde für sie ein Gewinn.
Die Jahre vergingen
und es rosteten die Klingen.
Nur die Narben, die blieben.
Würde jemand sie trotzdem lieben?
"Warum bist du so verschlossen?",
hörte sie die Leute fragen.
Würden sie die Wahrheit überhaupt vertragen?
Sie hatte schon so viele Tränen deshalb vergossen.
"In der Gesellschaft musst du funktionieren,
sonst wirst du verlieren.
Du wirst versagen!", sprachen ihre inneren Stimmen im Chor,
so zog sie eine Schatulle unterm Bett hervor.
Aus ihrem alten Versteck,
holte sie ihr damaliges Ritzbesteck.
Zwei Klingen waren noch ganz neu.
Sie befreite den Arm, doch hatte plötzlich Scheu.
Ach Mädchen! Das Ritzen tut dir nicht gut!
Sei tapfer und vertrau auf deinen Mut.
Unter Tränen schrie sie in das Kissen hinein
und steckte die Klinge wieder ein.
Sie nahm die Schachtel in die Hand
und schmiss sie wütend gegen die Wand.
Die junge Frau entsorgte alles still und leise.
"Ich werde es schaffen!", sagte sie sich weise.
Tage später traf sie einen jungen Mann,
mit dem sie schweigen und lachen kann.
Nach all der langen Zeit,
genießt sie zum ersten Mal die Zweisamkeit.
Er wurde die Liebe ihres Lebens.
Sich zu verschließen, versuchte sie vergebens.
Eines Abends fuhren beide zu ihr.
"Ich schlafe heute hier bei dir."
"Zwar weiß ich nicht, was du zu verheimlichen vermagst,
doch ich liebe dich, egal was du sagst."
Ohne Worte entkleidet sie sich
und schaut gebannt auf sein Gesicht.
An den Beinen und den Armen, leuchten die Narben
in den unterschiedlichsten Farben.
Warme Tränen laufen hinab
und sie denkt sich: Jetzt haut er ab.
Stattdessen geht er um sie herum,
sagt kein Wort, betrachtet sie stumm.
Er stellt sich vor ihr hin und entblößt seinen Rücken.
Die junge Frau schluchzt auf, kann es nicht unterdrücken.
Viele, viele Narben muss sie erblicken.
Sie war nicht die Einzige, die damals drohte zu ersticken.
Auch er brauchte lange, um zu verstehen,
dass der Kummer wird irgendwann vergehen.
Nun stellen sie sich gemeinsam der großen Welt.
Ihre Liebe ist es, die ihre Seelenscherben zusammen hält.
Spüren sie auch Last und Pein,
als Paar kämpfen sie nicht mehr allein.
Auch du da draußen - hör mir zu!
Schau nicht so. Ja, genau DU!
Ich sage dir aus vollstem Herzen, dass das Leben kann ungemein schmerzen.
Doch bitte, bitte gib nicht auf.
Irgendwann geht das Leben auch für dich bergauf.
Du bist ein wundervolles Wesen.
Wirklich! Schon immer gewesen.
Du bist perfekt, so wie du bist.
Wer anderes behauptet, erzählt dir Mist.
Du bist wunderschön - mit all deinen Wunden.
Jeder Mensch trägt Narben - das kann ich dir bekunden.
Du bist PERFEKT, so wie du bist.
Ich hoffe, dass du das nie vergisst!