Prolog
Sie lebte noch in einer wunderschönen, unberührten Welt, fern von den wenigen Menschen. Da und dort ragte ab und zu ein vereinzeltes Schloss, oder eine trutzige Burg in die Höhe. Meist lagen diese auf einem der hohen, zerklüfteten Hügelzüge, des grossen Gebirges. Zu den Füssen der mächtigen, meist reich mit Fahnen und Wimpeln geschmückten Gebäuden, lag oftmals eine kleine Stadt.
Grünes Land lag dazwischen, voll mit wundervollen Blumen, bunten Vögeln und Schmetterlingen die verzaubert im Sommerwind gaukelten. Tausende von Bienen schwirrten von einem Blütenkelch zum andern und bauten mächtige Waben, in den dicht stehenden Büschen und Bäumen. Es gab viele Tiere hier, manche davon waren sehr zutraulich. Einige von ihnen besuchten sie oft in ihrer Heimat im Wald. Der dunkle, dichte Wald war voller Magie und barg noch ein Wissen in sich, dass sie als eine der Uralten, noch kannte. Sie lebte in Einklang mit ihrer Umgebung, mit dem raschelnden Blattwerk, den zwitschernden Vögeln, den Geistern der Natur und den Geschöpfen der Nacht und des Tages.
Sie war umgeben von einer Sippe von 6 Raben, die sie stets auf ihren Streifzügen durch die, noch fast gänzlich unberührte Welt, begleiteten. Oft begleitete sie auch eine braune Eule, wenn sie des Nachts auf die Suche nach Pflanzen ging, welche alle ihre ganz besonderen Kräfte besassen. Ihre Führer waren der Mond und die Sterne, ihr Bett war die Erde, ihr Dach der Himmel. Sie war eine Heilerin und Magierin. Doch auch wenn die Leute ihre Dienste immer wieder in Anspruch nahmen, fürchteten sie sie auch irgendwie.
Aber sie konnte sowieso nicht gut unter Menschen leben. Die wenigen kleinen Dörfer, mit den heruntergekommenen Steinhütten und den Dächern aus Stroh, sagten ihr nichts. Der Wald war ihr Dom, ihr zu Hause. Hier lebte sie und hier war sie verbunden mit der grossen Leere und der Ewigkeit. Die Leere war ihr vertraut, denn in sie tauchte sie immer wieder ein, wenn sie Antworten suchte, oder neue Zauber entwickelte. In der Leere fand sie alles, was sie an Wissen suchte und sie war manchmal selbst wie ein Geist, der von einem Ort zum andern schwebte, stets nach diesem Wissen suchend und dürstend.
Sie liebte die Stille, die Einsamkeit, die Welt jenseits des Sichtbaren. Sie konnte sich selbst in einen Raben verwandeln und fliegen, fliegen so weit es nötig war und so weit sie es wollte. Das alles fiel ihr nicht schwer, denn sie… war die Rabenfrau...
1.Kapitel
Eine fremde Welt
Lea ging verträumt durch den Wald, an der einen Seite einen jungen Schäferhund, den sie gerade neu angeschafft hatte. Es war Frühling und in den mächtigen Baumkronen, spielten die Sonnenstrahlen in leuchtendem Hellgrün und Gold . Lea liebte diese Jahreszeit, sie war so voller Leben so voller Wunder. Gerade war der lange Winter endlich vorbeigegangen und damit auch die dunkle Nacht ihrer Seele, welche sie vor kurzem beinahe aus dem irdischen Leben gerissen hätte. Sie hatte aufgrund von Depressionen einen Selbstmordversuch unternommen.
Doch dann hatte sie Wunderbares erlebt, während sie im Koma lag, welches ihre ganze Sicht auf das Leben verändert hatte. Noch immer klangen all die Weisheiten, die sie ihr damals zuteil geworden waren, in ihrem Herzen nach und ihr Leben hatte sich grundlegend verändert.
Glücklich und dankbar seufzte sie und schaute einem Kohlweissling (Ein Schmetterling) hinterher, der irgendwo einen Platz für seine Eiablage suchte. Vögel zwitscherten im Geäst und die ersten Waldblumen: Buschwindröschen und Schlüsselblumen, wuchsen aus dem noch kargen, erdigen Untergrund des Waldbodens. Bald würde alles wieder wachsen und gedeihen und Kissen aus grünen Blättern würden die letzten Spuren des Winters bedecken…