Amanita muscaria, der Fliegenpilz gehört zu den traditionellen Pilzen der Schamanen und Trancespezialisten.
Andere Namen, die man ihm verliehen hat, machen seine Bedeutung klarer: Soma, tschasch baskon ("Augenoeffner" im Hindukusch), Narrenschwamm, Gleuckspilz, nan-e-saghta ("Rabenbrot"), pagal ("bepilzt" - unter der Wirkung eines Pilzes stehend, vermutlich ist eine Verwandtschaft mit dem Wort "pagan" - heidnisch existent), Kekchi rocox aj tza (Cakchiquel, "Teufelspilz") oder auch terecua-cauica (taraskisch, "berauschender Pilz")(1)
Schon Dioskurides bringt es auf den Punkt: "Man unterscheidet zwei Arten von Pilzen: entweder sind sie nämlich essbar oder verderblich."
Die Fliegenpilzvergiftung geht nicht tödlich aus. Zumindest wurde bisher noch kein solcher Fall bekannt. Dennoch! Im Selbstversuch von Johanna Wagner kamen deutliche Beschwerden zur Geltung:
„Und was wirklich sehr unangenehm ist, ich habe die ganze Magen-Leber-Gegend geschwollen. Und jetzt, nachdem ich ja ohnedies an einer Tropenleber leide, habe ich gar keine Lust, dass ich die lange ärgere. Ich habe jetzt monatelang mit meiner Leber Ruhe gehabt und es war alles in bester Ordnung, und das muss man nicht provozieren durch Fliegenpilze, so lieb und so nett wie sie sind. … An sich war das ja wirklich ein hübsches Erlebnis, aber wie gesagt, die Leber ist es mir nicht wert.“(2)
Der Effekt auf die Sinne ist ebenfalls beachtlich. Die allwissende Wiki füllt damit gleich einen ganzen Abschnitt unter der Überschrift "Pantherinasyndrom". Ich habe hier nur das "best of" notiert: Verwirrung, Sprachstörungen, je nach Stimmungslage Depressionen, Gleichgültigkeit oder Euphorie bis hin zu seligem Glücksrausch, Gefühl des Schwebens, Farbillusionen, seltener echte Halluzinationen.
Als Rauschmittel hat der Fliegenpilz Tradition. Nicht nur die Schamanen kannten die Wirkung des Rot-Weißen. Das Brauen von Fliegenpilzbier, so verrät wiki, soll in der Gegend um Hamburg heute noch betreiben werden. Sogar ein Link zu dieser "Zaubertrankseite" wird verraten:
http://www.zaubertrank-hamburg.de/ritusprodukte2.php
Christian Rätsch verrät in seinem Buch "Abgründige Weihnachten" etwas mehr zu diesem Rezept:
"Die zerkleinerten (getrockneten) Fliegenpilze werden zusammen mit Wasser und vorbereiteter Gärmasse (Malz) gekocht. Nach dem Abkühlen wird dem Gebräu Hefe zugesetzt. Mit abgelaufener Gärung ist das Bier trinkbar."
Er sagt aber auch: "Der Fliegenpilz wird in diesem Text überwiegend positiv betrachtet. Der Autor sowie der Verlag sind nicht verantwortlich, wenn die Leser mit psychoaktiven Substanzen unverantwortlich umgehen und gegebenenfalls Schaden erleiden. Niemand soll sich aufgefordert fühlen, riskante Selbstversuche mit psychoaktiven Substanzen zu unternehmen, ganz gleich, ob sie legal, reguliert oder gesetzlich verboten sind." (3)
Behauptet wird außerdem, dass die keltischen Druiden noch eine andere Trankart kannten. Da das Gift des Pilzes, das Muscimaol ausschließlich und vollständig über den Urin ausgeschieden wird, ist dessen Konzentration hier höher als im Originalbier. Also tranken die Miraculixe möglicherweise auch diesen. Na dann - Zum Wohl!
Abschließend kommt noch Agatha Christie zu Wort:
"Wenn irgendwo Pilze schmoren, wird der Kriminalist unwillkürlich hellhörig."
(1) http://catbull.com/alamut/Lexikon/Pflanzen/Amanita%20muscaria.htm
(2) Wolfgang Bauer, Edzard Klapp, Alexandra Rosenbohm: Der Fliegenpilz. Ein kulturhistorisches Museum. Wienand Verlag, Köln 1991, ISBN 978-3-87909-224-6 (208 Seiten).
(3) Christian Rätsch, "Abgründige Weihnachten" Riemann-Verlag 2014, ISBN: 978-3-570-50165-8