„Da ist ja meine beste Schülerin“, begrüßte Laura, Leonie.
Leonie lächelte. „Das habe ich aber alles Star zu verdanken.“ Laura wollte dem Hengst zur Begrüßung eine Hand auf die Nüstern legen, doch dieser wieherte böse.
„Mich wird er wohl nie mögen“, sagte sie traurig.
„Ach quatsch, er wird sich noch an dich gewöhnen.“ Der Versuch Laura aufzuheitern ging daneben, da beide wussten, dass Star viel zu viel Angst vor Menschen hatte. Genau deshalb, verstand Leonie nicht, warum er Nico an sich ranließ.
„Habt ihr euch schon aufgewärmt?“, fragte Laura. Leonie schüttelte den Kopf.
„Na dann los“, meinte Laura. Leonie führte Star auf die Bahn und ließ ihn langsam vor sich hin traben. Nach paar Runden, befahl Laura ihrer Schülerin, schneller zu werden. Nach einer Weile rief sie Leonie zu sich. Leonie lenkte das Pferd zu ihr.
„Wo bist du mit den Gedanken? Du lässt ihn machen was er will“, schimpfte Laura.
„Tu mir leid.“
„Das macht es auch nicht besser, das weißt du. Also nochmal. Ich stoppe jetzt die Zeit.“ Leonie lehnte sich nach vorne und flüsterte Star ins Ohr: „Komm schon. Lass mich vorgehen.“ Star warf widerwillig den Kopf hoch.
„3, 2,1, Los“, rief Laura. Star rannte los. Laura schüttelte den Kopf. Was tat Leonie da nur? Sie winkte sie wieder zu sich.
„Wir waren auch schon mal besser“, sagte Laura. Leonie warf einen Blick auf die Stoppuhr. „Star kann nichts dafür. Du bist unkonzentriert.“
„Ich versuch´s nochmal“, meinte Leonie.
„Das will ich hören“, stimmte Laura ihr zu. Leonies Blick fiel auf eine Person die etwas weiter entfernt von der Bahn stand. Star hatte sie anscheinend auch schon entdeckt und galoppierte auf sie zu.
„Star was wird das jetzt?“, fragte Leonie streng. Laura schüttelte den Kopf. Mit diesem unberechenbaren Pferd, würde Leonie es niemals schaffen. Star blieb kurz vor der Person stehen.
„Nico, was machst du hier?“ Er war etwas blass um die Nase.
„Was ist denn los?“
„Konntest du dein Pferd nicht etwas eher anhalten?“, wollte er etwas verärgert wissen.
„Ach sag bloß du hast es mit der Angst zu tun bekommen?“ Nico schnaubte verächtlich. „Wenn du uns beide schon beobachtest, kannst du auch gerne näher zur Bahn kommen“, meinte Leonie.
„Wer behauptet, dass ich euch beobachte?“, fragte Nico.
„Leonie Sue, kommst du wohl wieder? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, rief Laura.
„Ich muss dann wieder“, meinte Leonie und lenkte den schwarzen Hengst wieder zur Bahn. Dieser gehorchte nur wiederwillig.
„Komm Star, jetzt zeigen wir Nico, was du kannst.“ Tänzelnd wartete Star auf sein Startsignal, als es dann endlich kam, schoss er davon, als hätte man ihm in den Po gepikst. „Na geht doch“, dachte Laura.
Nico stellte sich neben sie. „Mit ihm könnte man echt viel Geld machen“, sagte er. „Wahrscheinlich schon, wenn er nicht so wild wäre“, stimmte Laura ihm zu. „Vor allem ist er zu launisch. Wenn er Lust hat gibt er alles, wenn nicht, dann kann man ihm noch so gut zu reden, er wird nichts tun.“
„Das ist echt schade“, meinte Nico. Laura nickte. Star kam zum Stehen.
„Wow, das wirklich sehr gut. Du hast eine Zeit von einer Minute und 20 Sekunden“, lobte Laura.
„Das hast du wirklich gut gemacht“, sagte Leonie zu Star. Sie schwang sich von seinem Rücken und gab ihm einen Kuss auf seine Nüstern. „Du bist einfach der Beste“, flüsterte sie. „Ich glaube das war´s für heute. Ich muss noch nach 34 schauen“, sagte Laura.
„34?“, fragte Nico.
„Sie ist unsere neue Stute. Leider ist sie sehr Menschenscheu und dabei brauch sie dringend ärztliche Hilfe“, erklärte Laura.
„Dann beeil dich lieber“, meinte Leonie. Laura nickte und verließ die beiden.
„Wieso heißt sie 34?“, wollte Nico wissen.
Leonies Gesichtsausdruck verhärtete sich. „In Montesilvano gibt es einen Pferdeschlachthof. Dort bringen viele Menschen ihre Pferde hin, wenn sie entweder mit dem Pferd nicht klarkommen oder sie denken, dass sie mit diesem Pferd nichts erreichen können.“
„Das ist total grausam“, sagte Nico. „Ist sowas legal?“
Leonie nickte traurig. „Oft sind diese Pferde sehr krank und deren Besitzer wollen keinen Arzt bezahlen. Da ist der Schlachthof eine geeignete und billige Lösung“, erzählte Leonie. „Und wie kommt ihr an diese Pferde?“, fragte Nico.
„Wir kaufen sie ab. Leider erfahren wir meistens viel zu spät, dass dort wieder ein Pferd hingebracht wurde, sodass die Pferde dort sterben oder stark misshandelt werden, bevor sie überhaupt zu uns kommen.“ Leonie setzte sich auf den Holzzaun, der die Bahn abgrenzte. „Wieso bietet ihr nicht so eine Auffangstation für diese Pferde an?“
Leonie lächelte traurig: „Natürlich haben wir so etwas, aber wir sind teurer als der Schlachthof, da wir den Pferden ja helfen wollen und sie nicht töten wollen.“ Nico schwieg. Dass es so etwas überhaupt gab! Wie herzlos musste man sein, sein eignes Pferd bei so jemandem abgeben zu wollen? „Kann man dagegen nicht etwas machen? Ich würde gerne helfen“, bot Nico an.
„Das ist echt nett von dir, aber solange man denen nicht nachweisen kann, wie sehr sie die Tiere quälen, wird das niemals aufhören“, sagte Leonie resigniert.
„Wieso macht die Polizei nichts dagegen?“, fragte Nico leicht ärgerlich.
„Wir haben sie schon mal Angezeigt, jedoch haben sie auf einen Durchsungsbefehl bestanden und als die Polizei den dann endlich hatte, haben die vom Schlachthof alles schön ordentlich gemacht, sodass die Polizei nichts gefunden hat. Zu unserem Pech mussten wir diesen Einsatz dann noch bezahlen“, erzählte Leonie verzweifelt.
„Das tut mir wirklich sehr leid“, meinte Nico sanft. Leonie wischte sich eine Träne weg. Sie hasste dieses Thema. Sie wurde dann immer so wütend und traurig gleichzeitig. Er nahm ihre Hand in seine. Blitzschnell entzog sie ihm die wieder. Was erlaubte er sich?!
„Ich werde versuchen das zu ändern“, versprach er ihr.
„Und wie? Nur weil du viel Geld hast, musst du nicht glauben, dass du alle Probleme damit lösen kannst.“
„Doch Leonie, in diesem Punkt könnte Geld tatsächlich die Lösung sein“, sagte Nico fröhlich. Leonie sah ihn verwirrt an.
„Was ist, wenn man dem Besitzer eine Geldsumme bietet, die er nicht abschlagen kann?“ „Hä?“
„Leonie wir kaufen den Schlachthof“, meinte Nico.
„Und dann?“, fragte Leonie. Das war wirklich gar keine schlechte Idee.
„Weiß ich nicht. Ihr könntet, den Hof dann renovieren und ihn als eine eigene kleine Auffangstation nutzen“, schlug Nico vor.
„Du bist so bescheuert“, lachte Leonie.
„Wieso? Wir müssten einfach mal mit Leonie und Anna reden. Ich glaube die wären begeistert.“
Leonie ließ sich von seinem Enthusiasmus anstecken. „Komm wir reden jetzt sofort mit ihnen.“
Nico schüttelte den Kopf. „Bedenk mal, was kostet so ein Hof.“
Leonie schätzte: „Also unser Gestüt ist 100 Millionen wert. Ein ganz normaler Hof fängt so ab 500.000 € an. Was so ein heruntergekommener Hof kostet könnte weiß ich nicht.“
Nico sah sie erstaunt. „Euer Hof ist 100 Millionen wert?! Boah krass.“
Leonie lächelte stolz. „Naja wir sind doch auch ziemlich groß.“
„Man merkt das überhaupt nicht. Ich meine, ja schon hier ist alles riesig, modern, sauber und ihr bietet unglaublich viele Events an. Aber ihr seid so total bodenständige Menschen. Ich glaube jedem anderem, wäre das schon zu Kopf gestiegen.“ In seiner Stimme schwang aufrichtige Bewunderung mit.
„Danke. Aber kommen wir nochmal auf den Schlachthof zurück“, wechselte Leonie das Thema. Ihr war es unangenehm über den eigentlichen Reichtum der Köstring Familie zu reden.
„Wir müssten einfach mal mit dem Besitzer des Schlachthofes reden und ihn fragen, was er sich so vorstellt unter welcher Summe er euch seinen Hof verkaufen würde.“ Nico ging sofort auf den Themawechsel ein. Leonie nickte. Er wollte wirklich, was ändern.
„Komm wir fahren direkt dahin“, schlug er vor. „Ich muss mich noch um Star kümmern. Heute geht es echt nicht mehr.“ Nico sah sie enttäuscht an.
r@