Leonie blieb vor dem großen vergoldeten Tor stehen. Dahinter sah man nur einen ordentlichen Kiesweg, umrahmt von gepflegten Büschen und Bäumen. In diesem Moment wachte Nico auf.
„Wir sind ja schon da“, sagte er müde.
Leonie nickte. „Du müsstest das Tor öffnen.“
Nico kramte aus seinem Rucksack sein Handy. Leonie runzelte die Stirn. Doch Nico ließ sich nicht beirren und nach paar Sekunden öffnete sich das Tor.
„Nicht dein Ernst? Du öffnest es einfach mit einer App“, staunte Leonie.
„Jap. Folg einfach den Kiesweg. Da hinten kommt dann meine Garage, da kannst du rein fahren“, sagte Nico.
„Und Jim?“, fragte Leonie während sie langsam auf das Gelände fuhr.
„Er muss auf dem Parkplatz stehen bleiben“, antwortete Nico.
Leonie blieb stehen. „Dann sag ihm das.“
Nico nickte und stieg aus dem Auto. Durch den Innenspiegel beobachtete Leonie, wie Nico zu Jim ging. Jim war doch echt nicht hübsch, gegenüber Nico. Nico war in seiner ganzen Art und Weise etwas Besonderes. Sie verbot sich solche Gedanken.
Leonie manövrierte das breite Auto in die Garage und stieg aus. Sprachlos bewunderte sie die ganzen anderen Sportautos. In der Garage, standen unter anderen Lamborghinis noch Bentleys, Ferraris und ein Porsche.
Selbst Leonies absolutes Traumauto stand hier. Sie ging zu dem Aston Martin AM-RB 001 rüber.
Sie liebte dieses Auto. Nie hätte sie es sich vorstellen können, den Aston Martin, einmal in ihrem Leben zu sehen. Zaghaft strich sie dem Auto über die Motorhaube.
„Na, gefällt er dir?“, ertönte Nicos Stimme.
„Oh jaaa“, sagte Leonie begeistert. Sie wollte dieses Monster unbedingt fahren.
„Wenn du magst können wir mal, auf die Rennstrecke hier in der Nähe fahren“, schlug Nico vor.
Leonies Augen strahlten. „Aber ich fahre den Aston Martin!“
„Klar, kannst du machen. Aber jetzt lass uns erst rein gehen, die anderen sind schon alle Drinnen“, forderte Nico sie auf.
Leonie ging ihm hinterher. Sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Die Eingangstür erreichte man über eine imposante weise Treppe. Das Gelände war komplett in Gold gehalten.
Die beiden Säulen hatten alte aber sehr gepflegte Verschnörkelungen.
Nico hielt ihr die Tür auf.
Leonie betrat die große Lobby. Ein ausgestopfter Tigerkopf sah ihr entgegen. Sie schüttelte sich angeekelt. Wie konnte man nur so brutal sein?!
Leonie zog ihre Schuhe aus und stellte sie in den schweren antik aussehenden Schuhschrank.
Die breite Treppe, die sie in ihr Zimmer führte, war mit vergoldeten Verschnörkelungen verziert.
Nico öffnete eine weiße, schwere Tür mit, wie konnte man etwas anderes erwarten, goldenen Klinke. Leonie blieb wie angewurzelt stehen. Das Zimmer war sehr hell. Mitten im Raum stand ein großes weißes Bett. Die Kopflehne war verziert mit goldenen Blumen und verschiedenen Muster. Daneben lag ein Eisbär ausgebreitet, als Teppich.
Wieder ein totes Tier, dachte Leonie traurig. Neben dem geöffnetem Fenster, stand ein schwerer Schminktisch. Ebenfalls ganz weiß mit goldenen Verzierungen. Die Tapete war creme farbend und goldene Ranken, verliefen von oben nach unten.
„So mussten die Prinzessinnen früher gewohnt haben“, meinte Leonie leise. Vorsichtig stieg sie über den Eisbären und schmiss sich auf das mit tausenden goldenen und weißen Kissen bedeckte Bett.
„Soll ich den Teppich rausnehmen?“, fragte Nico.
„Das wäre echt lieb“, meinte Leonie.
„Ich mag die Dinger auch nicht. Zum Glück konnte ich mein Zimmer selbst einrichten“, erzählte Nico und rollte den Eisbären ein.
„Das will ich sehen“, sagte Leonie und sprang auf.
Nico schüttelte den Kopf. „Vielleicht später. Es gibt in einer halben Stunde essen. Komm dann bitte runter in den Speisesaal.“
Er schwieg eine Weile und musterte sie. „Und vielleicht ziehst du dir etwas schickeres an.“
Leonie runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts. Sie wollte sich eh noch frisch machen.
„Die linke Tür, führt in dein Badezimmer und die rechte in dein Ankleidezimmer“, erklärte er noch, bevor er sie verließ.
Leonie rannte beinahe in das Badezimmer. Es war fast komplett vergoldet. Die weiße Wanne, hatte goldene Füße und selbst der Wasserhahn war in Gold gehalten. Auf einem kleinen Hocker, lagen beige Handtücher und verschiedene Shampoos. Leonie begab sich in die Dusche. Sogar die Fließen waren golden. Sie ließ sich das warme Wasser aus der Regendusche über das Gesicht laufen.
Das war doch bescheuert! Alles aus Gold und das für ein Zimmer, was wahrscheinlich kaum gebraucht wurde. Und warum sollte sie sich bitte zum Frühstück etwas Schickes anziehen? Zu Hause, frühstückte sie meistens im Schlafanzug. Vor allem hatte sie gar nichts Schickes mitgenommen. Noch nicht mal eine Bluse, geschweige denn ein schönes Kleid.
Sie schlüpfte in den beigen Morgenmantel und ging rüber in das Ankleidezimmer.
Schnell packte sie ihre Kleidung in die großen Schränke. Leonie fiel auf, dass sie beim Packen nicht darüber nachgedacht hatte, zu welcher Gesellschaft Nico gehörte.
Sie entschied sich schließlich für ein weißes Sommerkleid mit roten Blüten. Grade als fertig angezogen war, klopfte es an der Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat Chiara das Zimmer.
„Ey, ich wollte dich mal fragen“, sie stoppte und starrte Leonie an.
„Ja, was wolltest du fragen?“
„Du siehst echt schön aus“, machte Chiara ihr ein Kompliment und fügte hinzu: „Und das auch ohne jegliches Make Up.“
Leonie winkte ab: „Ach quatsch, ich sehe wie immer aus. Aber was wolltest du jetzt?“
„Ich wollte erst Sheona fragen, aber sie war nicht auf ihrem Zimmer. Ich wollte wissen, auf welche Art von Mädchen Jim steht“, erzählte Chiara.
Leonie zuckte mit den Schultern.
„Er mag auf jeden Fall ganz natürliche Mädchen. Ich denke du solltest einfach genau so sein wie du bist“, meinte sie schließlich.
Chiara betrachtete sich im Spiegel. Sie hatte ein sehr figurbetontes mit weißer Spitze besetztes Kleid an. Dazu schwarze High Heels und ihre Haare waren perfekt gestylt.
Leonie kam sich neben ihr schon fast zu einfach vor. Sie sah aus wie ein Bauernmädchen.
„Ich denke, dann bin ich wohl zu aufgetakelt“, meinte Chiara resigniert.
Leonie zuckte aber Mals mit den Schultern. „Das gehört halt zu dir.“
Chiara schüttelte entschieden den Kopf und sagte: „Ja und?! Wenn Jim, dass so nicht mag, muss ich mich halt legerer kleiden.“
„Nein, du sollst genauso bleiben wie du bist“, widersprach Leonie.
„Wenn du das sagst. Nico liebt dich ja auch so wie du bist“, gab sich Chiara geschlagen.
Leonie überging ihre Aussage über Nico. „Lass uns bitte runter gehen.“
Chiara nickte und folgte ihr.
Im Saal waren bereits alle um den reich gedeckten Tisch versammelt. Peinlich berührt setzten sich die beiden Mädchen hin.
„Entschuldigung“, murmelte Leonie. „Da jetzt alle da sind, langt doch zu. Ihr müsst doch sehr hungrig sein, von der Fahrt“, lud Herr Turrington alle ein.
Doch keiner traute sich so richtig. Irgendwie fühlte sich keiner ganz so wohl, im Beisein der Eltern. Nico war der erste der zulangte. Die anderen taten es ihm gleich.
„Euer Abschluss liegt doch jetzt hinter euch?“, fragte Herr Turrington.
„Meiner schon! Nur dank dir, Alexander, konnte ich noch nicht studieren“, antwortete Nico bissig.
Die Mutter holte tief Luft, doch bevor sie etwas sagen konnte, meinte Leonie: „Ja stimmt. Wir wollten deswegen, auch hier im Etnapolis, nach Kleidern für den Abschlussball suchen.“
„Das ist ja schön. Habt ihr alle ein Date?“, wollte Frau Turrington.
„Wir werden wohl als Gruppe dahin gehen. Ist eh viel schöner“, äußerte sich Gabrielo dazu.
Es wurde wieder ruhig. Es gab halt nichts zu bereden, wenn die Eltern nichts fragten. Leonie wurde immer unbehaglicher zu mute. Sie wünschte sich nur noch, dass die beiden den Saal verließen.
„Was werden Sie denn nach ihrem Abschluss für ein Studium beginnen?“ Diese Frage von Alexander richtete sich gezielt an Leonie.
Diese schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht studieren gehen. Ich mache eine Ausbildung zum Profi-Jockey.“
Man sah den beiden den Schock richtig an und Frau Turrington sprach ihn auch aus: „Das ist doch kein Beruf für eine junge Frau. Schon gar nicht für eine Frau mit Abitur.“
Jetzt mischte sich Nico wieder ein: „Sie kann wirklich sehr gut mit Pferden. Dieser Beruf ist wie für sie geschaffen.“
Leonie lächelte. Er verteidigte sie! Das tat richtig gut.
„Nein, nein dabei verdient man doch kein Geld. Man lebt nur von den Preisgeldern. Vorausgesetzt man gewinnt die Wettbewerbe“, widersprach die Mutter.
„Susanne, es geht nicht immer darum, so viel Geld wie möglich zu verdienen“, hielt Nico dagegen.
„Da haben wir den eindeutigen Beweis, du kommst ganz nach deinem Vater“, lachte seine Mutter.
Leonie lag eine bissige Antwort auf der Zunge, doch sie hielt sich zurück. Nico kam ganz sicher nicht nach Alexander! Das ging schon allein genetisch nicht. Wie konnte Frau Turrington nur so etwas behaupten.
„Sag das nie wieder!“, befahl Nico ärgerlich. „Du weißt doch gar nicht…“
Alexander unterbrach ihn ganz schnell: „Komm Susanne, lassen wir die Jugendlichen unter sich.“
Sobald die beiden den Saal verlassen hatten, löste sich die angespannte Stimmung.
„Machen wir heute noch was?“, fragte Gabrielo direkt. Sheona schüttelte den Kopf. „Meinetwegen müssen wir nirgendswohin mehr hingehen. Hier gibt es alles, für einen perfekten Urlaub. Einen Pool, eine Tennisanlage, einen Wellnessbereich mit Sauna und gutes Essen.“
„Das kannst du echt vergessen. Wir werden hier ganz sicher nicht fest sitzen“, entgegnete Gabrielo.
„Ja schon, aber heute könnten wir uns wirklich einfach an den Pool setzen und entspannen“, warf Chiara ein.
Jim nickte. „Wir sind eh viel zu müde von der langen Fahrt um noch etwas zu unternehmen.“
„Also ich hätte Lust zur Rennstrecke zu fahren“, meinte Leonie und wandte sich zu Nico.
„Zur Rennstrecke?“, fragten die beiden Jungs gleichzeitig.
„Ja in ihrer Garage stehen echt mega coole Sportwagen und Nico hatte vorgeschlagen, dass wir mal mit denen zu einer Rennstrecke fahren könnten“, erzählte Leonie freudig.
„Echt? Das könnten wir machen?“, fragte Jim begeistert.
Nico sah von seinem Handy hoch. „Ja, aber nicht heute. Ich müsste uns dann erst mal anmelden und für unsere Sicherheit sorgen.“
Die Jungs samt Leonie waren enttäuscht. Doch Chiara und Sheona atmeten erleichtert aus. Es wurde also ein Wellness Tag.