Es regnete bereits seit einigen Tagen ununterbrochen. Patric arbeitete deshalb in seiner Werkstatt und verliess die Hütte kaum. Sorgfältig legte er die Flöte, die er soeben fertig gestellt hatte, auf den Arbeitstisch. Dann holte er die andern Flöten, welche bereits seit einiger Zeit fertig waren. Jede nahm er noch einmal in die Hand, prüfte sie und flüsterte ihr leise einen Segen zu. Morgen würde er sie alle nach Creek bringen. Dort hatte er einen Zwischenhändler, der dafür sorgte, dass sie weiter verkauft wurden.
Patric liebte seinen Beruf. Bereits als er ein Schuljunge war, hatte ihm sein Onkel beigebracht, wie man aus Ästen Flöten herstellte. Seit da hatte ihn die Begeisterung nie mehr losgelassen. Er konnte tagelang durch die Wälder streifen auf der Suche nach geeignetem Fallmaterial. Denn nur selten und meist auf Bestellung schnitt er einem Baum einen Ast ab. Er mochte es nicht, die Bäume zu verletzen. Viel lieber suchte er zusammen, was sie ihm freiwillig gaben. Ein paar Tage bevor er sich jeweils aufmachte, um wieder Material zu suchen, bat er die Geister der Bäume, ihm wohlgesinnt zu sein und ihm zu schenken, was sie nicht mehr brauchten. Er brachte immer Tabak mit, denn es gehörte zur Tradition seines Volkes, sich für die Geschenke der Natur bei Mutter Erde zu bedanken. Andächtig und respektvoll streute er den Tabak über die Wurzeln und die Fundstellen des Fallmaterials.
Mit viel Sorgfalt bohrte er dann zu Hause die Äste aus und schliff sie. Die grosse Kunst für ihn als Flötenbauer war danach, die Löcher so zu bohren, dass die Töne aufeinander abgestimmt waren. Es dauerte manchmal lange, bis er zufrieden war, denn jede Flöte hatte ihre eigene Persönlichkeit. Patric war überzeugt, dass jedes Instrument genau zu jener Person kam, die ihr entsprach.
Er holte einen grossen Korb, polsterte ihn mit weichem Kaninchenfell aus und legte dort alle seine Flöten hinein. So gerne er seine Arbeit machte - es fiel ihm jedes Mal etwas schwer, seine "Kinder", wie er sie scherzhaft nannte, wegzugeben. Viele Stunden Arbeit lagen in jeder einzelnen Flöte, bis er sich sicher war, dass sie nicht nur schön aussah, sondern auch richtig gestimmt war.
Patric löschte das Licht in der Werkstatt und ging in den vorderen Teil seiner Hütte. Mit einem heissen Kaffee setzte er sich an den grossen Tisch, der beinahe den ganzen Raum ausfüllte. Nachdenklich blickte er in die Richtung, aus der er in den vergangenen Tagen wiederholt Flötentöne gehört hatte. Sie hatten ihn eigenartig berührt, während er ihnen lauschte. Er war sich auch ganz sicher, dass es eine seiner Flöten war, die er da hörte. Er erinnerte sich, dass eine alte Schamanin ihm vor langer Zeit vorhergesagt hatte, eine bestimmte Flöte werde einmal zu ihm zurückkehren. Bis heute wusste er nicht, was sie damit gemeint hatte.
Energisch schüttelte Patric den Kopf. Gut, dass er morgen wieder einmal Leute antraf in Creek. Hier in der Einsamkeit seiner Waldhütte schien er langsam zu einem komischen Sonderling zu werden.
In diesem Moment hörte er sie wieder, die Flöte.